definieren, deficit Nenner die Zahl sämtlicher unter gegebenen Um- ständen möglichen Fälle angibt und dessen Zähler die Zahl günstiger Fälle bezeichnet. Dieser Bruch ist immer echt, d. h. kleiner als 1; wird er gleich!. so bedeutet daS, daß die Zahl der günstigen Fälle gleich der der möglichen ist, d. h. die Wahrscheinlich- keit wird zur Gewißheit. Ist kein einziger Fall günstig, so wird der Bruch gleich V. d. h. daS Ereignis ist unmöglich. Das im vorstehenden in kurzen Zügen skizzierte logische Rüstzeug der W.-R. erfordert in seiner Anwendung auf die konkreten Probleme so viel Geistesschärfe, daß auch hervorragende Forscher nicht immer imstande waren, Fehlschlüfie zu vi rmeiden. Hier ein paar historische Beispiele. Es wird eine Münze zweimal hintereinander auf den Tisch ge- warfen: wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie wenigstens einmal.Wappen'(oder Kopf: K) zeigt(die andere Seite heißt .Schrift", S)? D'A l e m b e r t, der große Mathematiker, einer der Schöpfer der berühmten.Enzyklopädie", analysierte die Aufgabe folgendermaßen: Die Münze kann schon bei dem ersten Wurf Kopf zeigen, dann ist der zweite nick t mehr nötig. Zeigt sie bei dem ersten Wurf Schrift, so muß das zweitemal geworfen werden und hier kann es wiederum K oder S vorkommen. Es find also drei Fälle möglich: K, SK, SS. Davon find zwei günstig, die Wahr - lcheinlichkeit ist also D'Alcmbert ließ sich bis an sein Lebens- ende nicht überzeugen, daß in dieser Ueberlegung ein logischer Irrtum steckt. Rücken wir diesem Problem mU Hilfe der oben entwickelten Begriffe zu Leibe, so ergibt sich, daß die von D'Alembert konstruierten drei Fälle keiueSwegs.gleich möglich' sind. Der erste Fall ist unter der Bedingung einmaligen Werfens zustande gekommen, während in dem 2. und 3. die Ergebnisse je zweier Würfe entholten sind/ Es muß eben, um die Gleichwertigkeit der Fälle herzustellen, auch nach dem ersten K nochmals geworfen werden, da kann eS wiederum K oder S geben. Die gleichmöglich m Fälle sind also: KK, KS, SK, SS und die Wahrscheinlichkeit ist gleich«/« und nicht 2/,. Ein für die menschliche Natur überaus charakteristischer Fehler wird weiter bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeit für die Wiederholung eines Ereignifies gemacht. So wird wohl jeder Laie, ohne sich lange zu besinnen, behaupten, daß eS viel weniger wahrscheinlich ist, mit einem Würfel zweimal nacheinander sechs zu würfeln, als z. B. beim ersten Wurf 3 und bei dem zweiten 4 zu bekommen. Und dennoch ist die Wahrscheinlichkeit in beiden Fällen genau dieselbe und zwar Va«. wie wir das oben berechnet haben. Der Grund des Fehlers liegt darin, daß der erste Fall nur viel außergewöhnlicher vorkommt als der zweite und deshalb von uns sofort bemerkt wird. Diese psychologische Selbsttäuschung steigert sich bei den berufsmäßigen Glücksspielern zu einem Wahne, was mauchen geschickten Gaunern die Möglichkeit gibt, mit den .Prophezeiungen für daS Roulett, spiel' und ähnlichem Zeug hervor- zutreten. Es sei übrigens bemerkt, daß derselbe D'Alembert und einige Mathematiker nach ihm behauptet haben, daß eS nicht nur sehr unwahrscheinlich, sondern physikalisch unmöglich sei, beim Auswerfen einer Münze lOOOmal hintereinander Kopf z» bekommen. Der Leser, der an dieser Stelle den kürzlich veröffentlichten gedankenreichen Ar- tikel von E. Mach über.DaS Paradoxe und das Wunderbare' mit Ausmerksamkeit gelesen hat, wird den psychologischen Grund dieses Fehlers leicht feststellen können. Im Vorbeigehen wollen wir noch auf die treffliche Kritik hinweisen, mit der Fr. Alb. Lange in seiner Geschichte des Materialismus die auf ähnlichen psychologischen Täu- schungen beruhenden Taschenspielerkunststück« deS.Philosophen' Ed. v. Hartmann zerzaust(Bd. IL, S. 353 ff. der Ausgabe in der Reclamschcn Univ.-Bibliothek). Da eS nunmehr notwendig ist, aus räumlichen Gründen zum Schluß zu eilen, so wollen wir doch mit einigen Worten aus das Buch von Meißner eingehen. Im Vergleich mit den an dieser Stelle in dem ArtikelZiffer und Zahl' besprochene» beiden ersten Erscheinungen der.MathematischenBibliothek' hat uns dieses Werkchen vielweniger be- friedigt. Esscheint.daßdieArbeitsehrejlig gemacht wordeli ist; wenigstens ist die Sprache viel weniger sorgsältig/ als es in Schriften solcher Art unbedingt notwendig ist. Durch diese Nachlässigkeit der Sprache ist wohl auch der große Fehler in der Theorie der Wiederholungen verursacht worden(Seite 9 oben). Der Leser, der die Grundlagen der W.-R. begriffen hat, wird diesen Fehler selbst leicht berichtigen können, indes ist eine solche Nachlässigkeit zumal in dem für Laien bestimmten Werke streng zu rügen. Auch die geschichtlichen und bihliographischen Angaben sind erstaunlich tinzuverlässig. Man wird vielleicht dem Verfasser als Mathematiker verzeihen können, daß er den Heimatdichter I. P. Hebel mit dem Draamatiker Fr. Chr. Hebbel verwechselt(S. 15); man wird es auch noch hingehen lassen, wenn er den G. Th. F e ch n e r als Schöpfer der eMeri- mentellew Psychologie anspricht; man wird jedoch staunen müssen, wenn er, was auf S. 16 geschiebt. Fermat an Stelle von Pascal zum Fremide des Kavaliers de Merö stempelt. I» sachlicher Hinsicht hätten wir eine viel tiefere Begründung der elementaren Wahrscheinlichkeitssätze gewünscht; es scheint eben. daß der Verfasser die Grenze zuischen Popularität und Oberfläch- lichkeit nicht innezuhalten versuchte. Da es uns jedoch an anderen populären Werken aus dem Gebiete der W.-R. bis jetzt so gut wie vollständig gefehlt hat. so mag das Büchlein von Meißner in Er- maugelung eines besseren zur vorsichtigen Benutzung hiermit emp- fohlen werden. V. Ttr. Kleines f euilleton. Merkwürdige See-RettungSaPparate. Räch jeder großen TchiffS- katastrophe Pflegen wunderliche Erfinder aufzutauchen, die einer um den anderen das allein wirklich wirksame und allein wirklich sichere RettungSmittel bei Seegefahr entdeckt haben»vollen. Natürlich handelt es sich in neun von zehn Fällen umErfindungen", die in der Praxis kläglich versagen würden oder jedenfalls nie eines prak- tischen Versuches für wert befunden werden. So ist die Zahl der Erfinder, die Schiffe unfinkbar machen wollen, Legion. Als die Drummond Castle' sank und alle Pafiagiere und Seeleute bis auf zwei in die Tiefe riß, tauchte ein französischer Ingenieur mit einem etwa? abenteuerlichen Plane auf. Er wollte in den Tiefen des Schiffsraumes längs aller Deckwände eine Anzahl wafier« und lustdichter großer Säcke anbringen, die etwas Kalzium- karbid enthalten sollten. Wenn daS Schiff scheitert oder gerammt wird und da? Wafier in den Schiffsraum dringt, entwickeln sich Gase, die die lustdichten Säcke sofort zu großen Ballons anschwellen lassen. Nach den komplizierten Berechnungen deS Ingenieurs würden diese Ballons imstande sein, daS Schiff unter allen Umständen über Wasser zu halten, selbst dann, wenn der ganze Schiffsraum durchflutet wird. Aber die Probe auf daS Exempel hat einstweilen noch kein Reeder unternehmen wollen. Die meisten sonderbaren Er- findungen erstrecken sich aber auf die Rettungsgürtel. Vor einigen Jahren erfand ein Engländer namens Robert Whitby einen Rettungsring, der mit einer Nachtlampe ausgerüstet war, so daß er auch in der Nacht von vorüberkommenden Schiffen aus wahrgenommen werden konnte. Dieser Rettungsring mit der Signallaterne sollte imstande sein, vier bis sechs Personen auf un- beschränkte Zeitdauer über Waffer zu halten. Ein anderer RettungS- gürtel, der vor einigen Jahren der englischen Admiralität vorgelegt wurde, enthielt eine Reihe wafierdichter Abteilungen, in denen Nahrung, Wasser und SchnapS für drei Tage enthalten war. Aber den Gipfel erklomm doch der seltsame Kauz, der einen Retwngs- apparat mit einer Laterne und einem kleinen Bllcherfach erfand, da« mit der Schiffbrüchige sich durch Lektüre vor Verzweiflung und Wahn- sinn bewahren könne. Sinnreicher war eine Rettungsweste, die vor einiger Zeit erprobt, aber dann nie eingeführt wurde. Die Weste be- stand auS lustdichten Kautschukkissen, die leicht zusammen- geknöpft werden konnten. Diese Rettungsweste, wog nur dreieinhalb Pfund; im Augenblick der Gefahr konnte sie im Verlauf von 39 Sekunden angelegt und voll Luft gepumpt werden. Sie besaß wafierdichte Taschen, die genügend Biskuit und Wafier enthielten, um einen Menschen fünf Tage zu ernähren. Kurz nach dem Unter- gang der.Drummond Castle' wurde ein anderer seltsamer Rettungs- apparat zum Patent angemeldet; die Vorrichtung wog nur 42 Gramm und konnte bequem in der Westentasche getragen werden. Sie bestand auS einer Patrone und einer kleinen wider- standsfähigen Ballonhülle. Bei Berührung mit dem Wafier«xplo- vierten Chemikalien, die Ballonhülle nahm die sich entwickelnden Gase auf, und an diesem Lustschiff konnte man sich über Wasser halten. Mineralogisches. Ein Meteor st ein auS Aegyten. Die Meteorite, fälschlich oft einfach Meteore genannt, bestehen in den weitaus meisten Fällen aus fast reinem Eisen und sind daher keine Steine in dem gewöhnlichen Sinn dieser Bezeichnung. Dennoch fehlt eS auch an solchen nicht, die dann für die wissenschaftliche Untersuchung noch wertvoller sind. Ein echter Meteorstein ist im vorigen Jahr in Unterägypten gefunden worden, und hat eine genaue Untersuchung seiner mineralogischen und chemischen Zusammensetzung erfahren. Er war beim Niedergang zerplatzt und hatte seine Stücke über eine Fläche von etwa 4V2 Kilometer Durchmesser ausgestreut. Daraus war zu entnehmen, daß die Explosion, die das himmlische Geschoß auseinanderriß, in ziemlich großer Höhe über dein Erdboden erfolgt war. Ungefähr 40 Stücke des Steins konnten gesammelt werden, die aber ohne Zweifel nicht die gesamte Masse darstellten. Sie wogen zusammen etwa 10 Kilogramm. DaS größte hatte ein Gewicht von 1813 Gramm, daS kleinste mir voir 20 Gramm. Namentlich an den kleinen Bruchstücken waren Spuren der Schmelzung durch die große Hitze, die ein Meteorstein bei der Reise durch das irdische Luftmeer erleidet, wahrzunehmen. AuS dem Umstand, daß bei manchen die ganze Oberfläche angeschmolzen war. bei anderen nur ein Teil, wird der Schluß gezogen, daß mehrere Explosionen deS Steins nacheinander stattgefunden hatten. Der be- rühmte englische Astronom Lockyer hat eins der Stücke mit dem Spektroskop untersucht und nach einem Bericht an die.Rature' fol- gende Grundstoffe darin gefunden: Chrom, Natrium. Kalzium, Magnesium, Silizium, Mangan, Eisen. Vanadium, Titan und eine ehr geringe Meng« von Kalium. Nach der chemischen Analyse be- tand der Stein zur Hälfte aus Kieselsäure, ferner zu 20 Proz. aus Eisenoxyd, 15 Kalk, 22 Magnesia, nicht ganz 2 Proz. Tonerde und Chromsäure. Die übrigen Elemente traten dagegen zurück. Auf- allend ist das Fehlen von Nickel und Schwefel. '--- j» Berantwortl. Redakteur: Albert MachS, Berlin. Krück u. Verlag:.VgrWärtSBuchdru�erei».Berlag»qnstaltPatjlSrngerzlCo.,Berlin6V/.