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Sie sah die Zukunft sich entgegenstarren mit gelben zulehnen war, und die alte Frau Zeman hatte es um sie ber­falschen Augen. dient, daß sie aushielt, bis der lehte Hut abgeliefert war, und Wieder ging es weiter, Gaffa zu. Das Terrain stieg daß keine Mark in ein anderes Geschäft getragen wurde. Nun mehr und mehr gegen die inneren Hochebenen an, die fich trat Madame Leman durch die Labentür und legte noch einen gut und Federn und Spitzen auf den Tisch. bor ihnen gegen den Himmel erhoben.

Abdallah ritt voran neben seiner Braut. Hinter ihnen mogte ein Meer von weißen Reitern.

Sultana war nur stumm vor Spannung, bleich vor Un­geduld.

Noch ungeduldiger aber war ihr fünftiger Heimatsort. Er konnte nicht stille sigen, bis sie fam. Er kam ihr ent­gegengewandert.

Auf weite, weite Entfernung sah man die weißen Mäntel in der Sonne leuchten.

Als die beiden Scharen sich einander näherten, war es, als trüge der Wind hie und da einen Klang von Liedern mit sich.

Der Klang wurde zu einem Stimmengebraus, einem dröhnenden Ernst.

Es waren feine Liebeslieder, die da erschollen. Ein Pilgerzug wallte ihnen entgegen. Ein Bolt in weißen Gewändern mit heiligem Sang auf Sen Lippen.

Es folgte wehenden roten und grünen Fahnen mit dem Halbmonde und mit glänzenden Messingkugeln, ehrwürdigen alten Seidenbannern mit eingestickten Koransprüchen.

Und es sang Litaneien, die allen Marabus Gruß und Frieden entboten: dem größten aller Marubas Abd El Kader Djilani  , Abdallahs Vater und Abdallah selbst.

Die Scharen stießen zusammen, schloßen Abdallah ein, und zwangen ihn, sein Pferd anzuhalten.

Mit einer undurchdringlichen Miene, scheinbar uner­schüttert, saß er ruhig da und blickte hinaus über dies Heer von Gläubigen, diese Tausende Ergebener, die ihn begrüßten wie einen König und sich drängten, den Zipfel feines Bernus zu küssen.

Diese unerwartete, schwellende Stimmung trug und hob Sultana wie die Welle an Kerkennas Strand.

Der Rausch des Volks riß sie hin, und ohne betrübt zu fein, brach sie in Tränen aus.

13.

Sultana war noch nicht viele Tage in Abdallahs Hause, als sie sich heimisch und mit ihrem Schicksal versöhnt fühlte. Altflug sagte sie sich selbst, daß die Zukunft nie so schwarz sei, wie man glaube.

Mabruka hatte das ihrige getan, um die Wirkungen dieser jähen Verpflanzung in neues Erdreich zu mildern. Aber was hätte selbst ihr Trost zu bedeuten gehabt, wenn Abdallah sich als der Tyrann entschleiert hätte, der in so manchem mohammedanischen Hause die Peitsche schwingt! Daß er dies nicht war, sah sie sogleich.

Die Worte, die er zu ihr sprach, als sie auf dem Braut­frone saß, waren feierlich und hochgestimmt gewesen. Es lag nur allzu nabe, fie als traditionelle Festlyrit zu betrachten. Aber seine ganze Haltung deutete daruf hin, daß er sie ernst nahm und dem Buchstaben nach zu erfüllen gesonnen war. Er suchte früh und spät ihre Nähe.

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" Fräulein Hete, also recht solide Sie wissen doch, für die Frau Bimmermeister Krüsel, die geborene Beermann.

Hete Müllner hob für einen Augenblick die übernächtig schweren Lider und berzog die blutlosen Lippen ein wenig. Sie nahm auch den soliden schwarzen Basthut gleich in Arbeit und legte das Baby hütchen, an dem sie mit Moosröschen herumprobiert hatte, zur

Seite.

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Sie hatte der Frau von Wilhelm Krüsel auch den Standes­amtshut und all die andern Frauenhütchen garniert, und sie würde ihr auch demnächst die Kinderhütchen aufsteden müssen, bielleicht mit blauen Bändchen oder auch mit rosa je nachdem, ob bei Wilhelm Krüsel ein Bub oder eine Deern im appetitlichen Wiegenförbchen lag. Die Sippe Beermann- Küsel war eine uran­gesessene, vielgliedrige Kundschaft von Madame Leman, die das große Pubgeschäft in Haidehegen hat. Und Hete Müllner Madame Lemans Brot.

Hete Müllner war eigentlich so ein Nesthafen gewesen, dem man jeden Bissen an den Schnabel bringt, und der nicht daran denkt, daß er eines Nachts ohne Mutters Flügelschutz warm werden muß. Sie war das einzige Kind und die Mutter war eine

Witwe.

Aber die Mutter, die eine fleine Bension, vormittags einen Rindergarten und nachmittgas ein paar Handarbeitsschülerinnen gehabt hatte, starb eines Nachts wie von ungefähr J und das Mädel schrie sich halb tot in seiner Angst, ohne Mutter auf der Welt zu sein. Ein paar Wochen hatte Hete teinen andern Weg, als den zum Kirchhof, und keine andere Sehnsucht, als die, wie ein treuer Hund auf einem Grab zu sterben.

Als aber die paar hundert Mark für das erste hilflose Allein­sein von der Sparkasse geholt werden mußten, kam das Sich- aufs Reben- befinnen" und wies mit seinem Wegweiserarm in die große Masse der Tagelöhner des Lebens.

schnellen weißen Finger dazu hatte, ging fie ins Geschäft zu Ma Und weil sie ein wenig Buzz machen fonnte und die richtigen dame Jeanne Leman.

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Nun sehnte sie sich nach jemand, bei dem ihr einsames Angst leben zur Ruhe gekommen wäre, nach einem, der sie gebeten hätte, in seinen vier Wänden zu hocken, und die vier Wände nach Frauenart zu pußen.

Als sie aber merkte, daß so etwas ein alberner Wunsch set, hoffte sie, es möchte einer kommen, der dies oder das aus ihrem Leben machte, wenn es nur nicht so ohne Liebhaben bliebe.

Eine Schönheit war sie ja nicht, aber es war etwas Gehütetes, etwas eines, Reines an ihr. Ihr Haar war hell und loder wie Marienhaar, weil die Mutter es gepflegt und gewaschen hatte, und ihre Augen waren jungfräulich. Einige der andern aus der Arbeitsstube der Madame Leman hatten den Blick der Berührten und manchmal, in der Montagsfrühe zumeist, auch einen Bug, der an faloppe Kleider denken ließ, die man durch Did und Dünn

gezerrt.

Sete   saß unter ihnen, ein wenig steif und tugendsicher zuerst, ein wenig neugierig erst und eines Tages neidisch!

Und da war eine, die war stärker, aus Hetes Ton, aus guter Familie. Die hatte ein nervöses Luftschiffernäschen, Lippen mit dem Amorschwung und Farben wie das liebe Leben einer Dresdner  Bogelwiese. Und Sontag um Sonntag ging fie zum Tanz nach Siebemühle, wo auch die Söhne der Haidehegener Bornehmen tanzten.

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Die brachte es der Hete auch bei, daß man das Leben im Schnellwalzer nehmen muß da tanzte Hete eines Sonntags auch billige Valenciennes   an einem toletten Unterrod und in einem dünnen Foulardfähnchen, um das fie eine ganze Zeit von fchlecht riechenden Schmalzftullen lebte sie, die Sete Müllner aus dem Hauſe, das einen kräftigen Mittagstisch gehabt hatte, die Hete, für die nur die teuren Trinfeier früher gekauft wurden. Als dann die Freundschaft zwischen der Trude Kleeberg und ber Sete Müllner so eng wurde, daß mein und dein die Grenzen

Des Morgens ging er gleich in die Zäeuia, die so nahe lag, daß man sie von der Terrasse aus sehen konnte. Sie be­stand aus einem Vorhofe, der von drei Flügeln mit fleinen Kammern umgeben war, und einem größeren, mit blendend weißem Kalkput stets neugetünchten, vieredigen, von einer flachgedrückten Kuppel überwölbten Hauptgebäude. 10 berwischten, krochen sie zusammen in einer Stube, bei den alten,

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdrud verboten.)

Beim Königstufch.

Von Elisabeth Heydemann- Möhring Ein Brummer lag Hedda Müllner surrend in den Ohren, daß sie ihm doch das Fenster aufmachen und ihn in die Straße ent­wischen lassen möchte, wo Mailäfer um die Pfingstbüsche an den Haustüren schirrten, und ein paar Barfüßler immer noch Kalmus und Möschenkränze ausschrien. Aber das Mädchen hatte teine Zeit und kein Nachdenken für den kleinen Kerl, mit den blauen zitternden Flügeldecken so am Vorabend von Pfingsten und Schüßenwiese als einzige Buymamsell bei Madame Leman. Es tam auch noch immer wieder eine neue Sache, die nicht ab­

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schön erhaltenen Möbeln, die zu Frau Müllners Zeiten für die Staub und Fliegentage ihre Schutzdecken gehabt hatten. Aber die Schonzeit war vorüber für die Hete auch die stand nun auch frei für Sonne und diden Landstraßenstaub und verblaßte... Madame Jeanne Leman war einmal eine Hanne Lehmann und Laufmädel gewesen in ihrer Berliner   Borbergangenheit. Sie hatte ihre eigene Ileine Weltgeschichte erlebt und war in Haide­nach Feierabend Hete Müllner in ihr Privatzimmer fommen und hegen eine anständige, gutgeachtete Frau. Die ließ eines Abends fab sie sich von oben bis unten an.

" Des Menschen Wille ist sein Simmelreich", sagte fie als ab­schließendes Wort zu ihrer unheimlichen Revue, und das Mädchen fuhr mit den unruhigen Bliden von einer Stubenede in die andere und wartete auf die Kündigung zum ersten des kommenden Mo­nats und dachte dabei, daß sie in Liebemühle, wo sie ins Unglüd gegangen war, auch ins Wasser gehen würde. Ich frage nicht, und Sie brauchen mir auch gar nichts zu sagen, Ich weiß schon der Kleeberg habe ich gekündigt

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