um
-
-
399
werde doch nicht den Ruf meines altes Geschäfts aufs Spiel sehen, Und nun fam es und Hete Müllner wünschte, daß es erst gesagt sei, damit sie noch vor Abend nach Liebesmühle gehen könne, wo es nachts so graulich ist, selbst wenn man zärtlich zu zweien geht.
Aber Madame Leman rüdte dem Mädchen einen Sefsel hin und sagte mit einer anderen Etimme:
--
-
" Sie können bleiben, Sie Mutterlose, und ich werde Ihnen helfen, daß Sie über den Berg kommen. Aber Sie sollen mir nichts sagen von bon dem Mann. Es wird ein Haidehegener sein, der in feine Sippe heiratet. Und Sie sollen ihm zeigen, daß Sie sich nicht unterkriegen lassen. Keinen roten Dreier sollen Sie von dem Kerl nehmen. Verstanden? Sie haben's nicht nötig, Sie mit den Fingern und den Augen! So und wenn Sie mögen, fönnen Sie die Hinterstube bei mir kriegen aber erst reinen Tisch gemacht."
-
-
-
-
Der machte fich von selbst bald rein in ihrer Lage und Wilhelm Krüsel, der flotte junge Zimmermeister, dem's überall glückte, haratete eine Halbverwandte.
-
zu, wo die angesessenen Haidehegener noch ihre altmodischen, hundertwinkligen Häuser haben, die ein Spruch ſegnet, und wo ein bröckelnder abgedankter Heiliger im immer fühlen Fliesenflur steht, über den im Sommer, wenn die Tür zum Hof offen steht, ein grünes Schimmern läuft. Denn da hinten in vornehmer Heiligkeit hüten sie ihre tiefen Gärten mit den vielen glibernden Glaskugeln und den Jahrhundertsbäumen und den Blumen, die bon einer Mode in die andere kommen. Und eine alte Lebensauf faffung lagert hier, wie alte Jahrgänge in einem vornehmen Weinteller.
Und von hier flog der Schüßentusch über die fleine Stadt und brachte sie auf die flinken frohen Füße.
Aber Hete Müllner blieb am Arbeitsplak, hatte das weiße Hüt chen mit den Moosrosen in der Hand und sagte halb in Angst mit einem leisen Drohen: Aber das Kränzel sollt ihr nicht anrühren!"
Eine gute Wegstunde aber von Saidehegen lief ein flachs Guter und fchlechter Gefchmack.
blondes Dirnchen seine ersten Schuhe auf der Dorfstraße entzwei. Für das Dirnchen war der weiße Hut, der warten mußte, bis der schwarze für die Frau Krüjel fertig war.
Und der Frau Zimmermeister Krüsel gefiel der Hut sograu in schwarz und schwarz in grau, ganz reservierte, selbst berständliche Wohlhabenheit. Sie hatte ihn fich gleich aus der Arbeitsstube geholt, weil die alte Leman nicht im Laden war. Da hatte sie den Kinderhut gesehen und ihn hin und her gedreht. " Wirklich niedlich, Fräulein, und dabei so billiges Material! Wohl für das Kleine von' nem Lehrer oder sonst' nem fleinen Beamten?" „ Nein!"
-
-
Es wäre ihr fast über die herben Lippen gefahren, daß ihr Hütchen auch in die Sippe Krüsel- Beermann gehörte. Aber die junge lustige Frau war schon bei einem andern Thema. Sie hatte die ganze Verwandschaft heute abend im Garten bei Lampions zur ersten Pfingstbowle im Chestand. Und jedem Jungen hatte fie Waldmeister abgelauft, aus reinem Uebermut, und ihr Mann hatte die Bowle viel zu früh angefekt aus lauter Ungeduld und Glück. Sonst verstand er sich auf Bowlen! Aber diesmal betam sie nicht viel ab von der Maibowle diesmal nicht! Und wenn der Schübenzapfenstreich vor der Tür des Schüßenkönigs einsetzte, kam das Hoch auf und sie lachte und drehte wieder den Kinderhut hin und her. Da nahm Hete Müllner ihr das billige Ding aus der Hand, fast grob, und deckte seine bescheidene Schönheit mit weißem SeidenAls fie dann gleich darauf die Frau zur Tür begleitete und fah, wie die hübsch war in Unerfahrenheit und Glüd und daran dachte, wie berzerrt und nervös sie damals gewesen war, blieb ihr der stereotype Gruß im Halse stecken. Es war ihr auch, als hänge sich eine große Kreuzspinne just in den Winkeln ihres Herzens, der hell war bem Glüd über ihr schönes Kind. Und sie ging in die Hinterstube und drückte sich in die Fenster ede und hodte wie vorher mit müdem Rücken und müden Augenlidern über ihrem Arbeitsrest und wartete auf den Tusch aus dem Krummen Steig", wo das Fest beim Schüßenkönig anhebt. Ihre ganze Grausamkeit würde sie gegen den Tusch schmettern. und vielleicht erhörte sie Gott, zu dem sie trotz allem noch Sonntag um Sonntag ging, und Wilhelm Krüsels Kind wurde, ein Strüppel, oder es war ein Totgeborenes, bei dessen Anblick fich das Gesicht der Frau berzerren würde, wie es das ihre einmal tat, daß es nie wieder seine alten Glüdslinien fand. Oder wie sie doch hübsch war, die Frau Man würde bei ihnen im Geschäft die Trauerhüte und den Leichenputz bestellen, und durch ihre Hände würde der Schleier gehen, der bei der luftigen Hochzeit die verlogenen Glüderisse bekam. Ja das! Wilhelm Krüsels Frau tot! Und sein Kind ohne Mutter, die feine Schönheit putzt und pflegt und dann, wenn es groß ist, ein Auge darauf hat, wer mit ihm tanzt. Denn es würde ein Mädchen sein und Wilhelm Krüsel würde Hete Müllners Schicksal an ihm erleben!
-
-
wenn
Und dann lachte das Mädchen auf in einem trodnen Hohn. Im Bukgeschäft wird man phantastisch! Es wird bei Wilhelm Arüsel alles glatt und gut und normal gehen, und wenn sie bei Madame Leman im Geschäft blieb, würde sie seinem Mädel hübsche teure Hüte garnieren.
-
-
Und ihr Mädel? Schön sollt es werden wunderschön durch verzehnfachte Liebe. Und Hete Müllner redte ihren müden, mürben Körper, und über ihre berhärmten Lippen kam ein feiner, froher Ton fie mußte auch nichts mehr von der Spinne in ihrer Kleinen Freudenecke. Die duftigsten Kleider sollt ihr Mädel tragen Jahr um Jahr im Kinderzug zur Schüßenwiese. Und ein Kränzel aus Hepfelblüten oder so etwas über die Maßen Bartes, das feiner anrühren darf. Und einer aus der Sippe Krüsel- Beermann wird den Bogel abschießen und sie sich als seine Königin zum Kindertanz auf die Pfingstwiese holen, wo man seine Pfingstgroschen um eine Eintagsfreude berwürfelt.
„ Aber anrühren soll ihr Kränzel feiner!"
Da! Und sie riß das Fenster auf! Die Straßen zitterten schon vom Königstusch, und die Leute liefen dem Strummen Steig"
Ja, wenn sich das eine wie das andere mit wenigen Worten deutlich sagen ließe; wie leicht wäre es dann, das Schlechte zu meiden und das Gute zu ergreifen. Aber nun ist es leider so, daß gerade in den Fragen des Geschmackes Anarchie und Despotismus dicht nebeneinander wohnen und daß sich nur selten beweisen läßt, warum etwas wirklich geschmacklos ist. Wenn zum Erempel irgend ein Kloster annonciert: Käse von purifizierten Händen reuiger 10 Mädchen bereitet und mit Gebet- und Messebons ausgestattet ist das sicherlich geschmacklos; aber es gehört solcherlei nicht zu dem, was wir eigentlich meinen. Wir meinen gut oder schlecht von der Form, von dem optischen Ausdruck, von den Verhältnissen der Linien und Farben, vom Rhythmus; wir meinen zugleich gut und schlecht, was die Qualität, das Material, die Technit, die Nußbarkeit, angebt. Und da eben fragt es sich gibt es Geseze. Oder ist es so, wie Anatole France fagt: Alle Aesthetik ist ein Luftschloß. Sagen wir getroit, daß es solche Geseze gibt; fie find sozusagen in der menschlichen Natur begründet, so etwas wie fategorische Imperative. Es wird niemand Basewalker Bitterbier für besser achten als Münchner Hofbräu; niemand wird Zelluloid höher schätzen als Elfenbein; und es wird auch niemand, der auch nur etwas davon versteht, übersehen, daß, trotz aller Aehnlichkeit, Rubens sehr viel besser ist als Jordaens . Es ist schon richtig, daß es so etwas wie absolute Maßstäbe für die Qualität gibt.
Und es war auch gut und nötig, daß sich im Laufe der letzten zehn Jahre Leute fanden, die dem Publikum predigten, was guter und was schlechter Geschmack fei. Wenn dabei auch manche Torheit unterlief, wenn Snobs eine Aesthetik der Krawatte jonglierten und Pedanten sich bis zu der Kunst im Leben der Leiche verstiegen, so war doch im allgemeinen die Propaganda des guten Geschmads ge sund und nüchtern. Eines ihrer wichtigsten Lehrmittel war das System von Beispiel und Gegenbeispiel. Man zeigte den Leuten ein schönes Bauernhaus der Vergangenheit und daneben einen jener roh gemauerten, mit scheußlicher Bappe eingedeckten Kästen, wie man sie jetzt macht; das wirkte. Oder man zeigte ein Monftrum von Muschelmöbel neben einer Arbeit von Bruno Paul ; das überzeugte. Gewiß, dies Verfahren hat etwas Grobes, hat etwas bon einer Kapuzinade; aber es ist probat. In Stuttgart hat man danach sogar ein Museum eingerichtet, wenigstens einen Teil des Hauses. Und jetzt hat der Direktor dieser Stuttgarter Schreckenstammer die Fülle seines Materials zu einem umfangreichen Buch geordnet: Guter und schlechter Geschmad im Kunstgewerbe. Von Gustav E. Pazauret.( Deutsche Verlagsanstalt , Stuttgart .) Es ist ganz amüjant, in diesem leider etwas did geratenen Buch zu blättern. Da lejen wir zunächst mancherlei über wunderliche Materiale. Was haben die Menschen doch schon alles benutzt, um daraus nach ihrer Meinung ein Kunstwerk zu machen. Aus Schädeln und Menschenknochen hat man in Gruftkapellen ganze Wände mit Ornamenten bedeckt, bat aus entrenkten Schenkeln Kronleuchter gebaut, hat aus Schulterblättern Wappenschilder gefügt. lichsten Dinge flocht man aus Menschenhaar, Blümchen und Gratulationsfarten, auch Uhrketten zur Erinnerung an diesen oder jenen.( Und hielt die Indianer und Stalpjäger für Barbaren.) Auch die Haut des Menschen blieb nicht ungenugt; raffinierte Bibliophilen ließen sich tostbare Bücher in Menschenfell binden. Gegen solcherlei sind Möbel aus Hirschgeweih beinahe etwas Harm loses. Hingegen scheint es schon wieder bedenklicher, wenn Damen lebende Schlangen als glitzerndes Halsband umlegen oder wenn sie brasilianische, an goldene Ketten gefesselte Leuchtkäfer im Haar niften laffen. Merkwürdig ist auch oft genug das, was die Kochlünstler und Buderbäder fabrizieren. Triumphbögen aus Kuchen oder Schweineschmalz, die Loreley aus Käse und Butter, das ist gar nichts Seltenes. Und was fann man alles aus Marzipan und Schokolade machen. Kieselsteine, Rosen, Damenhüte, Heringe und Zwiebeln. Auf Schinken aber läßt sich das Bild Bismarcks ausschneiden und mit Buder ausgießen. Bu einer anderen Gattung des Materialmißbrauches gehören dann wieder die sogenannten Pimpeleien". Da baut sich jemand ein Haus aus zehntausend Bierflaschen oder patriotische Engländerinnen nähen aus Stoffresten von den Katiröden der Burentämpfer Sofatisfen. Eine pietätvolle
Die zärt