sehr vorsichtig handhabte, damit ja kein FarbkleckS auf fein schönes, blaues Matrosenhemd fiel. Er hatte ja genügend Zeit, kein Boots- mann trieb ihn zu schnellerer Arbeit an, und die Schiffsroutine ver- langte von ihm in seinem jetzigen Posten keine besonderen Arbeits- leistungen, außerdem war der erste Offizier ein.semer Kerl', und kein.Sklaven treib er"', wie die meisten Schnelldampserosfiziere. Wenn es auch gegen Jens' grade SeemannSnatur ging, zur see­männischen Staffage auf dem Promenadendeck eines Passagier- schiffe« zu dienen, so freute er sich doch der angenehmen Ab- wechselung nach den langen Jahren, in denen er sich hungernd und darbend aus alten Segelschiffen rumgetrieben hatte. Hier gab es doch wenigstens was zu sehen. Jens Jensen fühlte sich sehr wohl in seiner vornehmen und eleganten Umgebung, und es machte ihm immer ein ganz besonderes Vergnügen, wenn so eine hübsche Dame ihn mal nach diesem oder jenem fragte und er ihr dann alles erklären konnte. Was das für eine Flagge sei, oder wie das und das Leuchtfeuer hiehe. Er erkannte noch nicht die Gefahr, die ihm drohte: die Gefahr, unerfüllbare Wünsche im Herzen groß- zuziehen.--- Während JenS mit sorgfältigen Pinselfirichen die fehlerhaften Stellen an den Rettungsbooten übermalt, wandern seine Augen un- ruhig nach dem jungen Weib, das in einem Deckstuhl, das bleiche Antlitz matt in die Kissen zurückgelehnt, mit todestraurigen Augen auf das Meer blickt. Jens Jensen kennt die Dame und ihre Geschichte. Sein Freund, der Promenadendecksteward hatte ihm gestern davon erzählt. Es war MrS. Daist) Adams, die junge Gattin des reichen KaffeehändlerS, der seine Geliebte unter dem Decknamen einer französischen   Marquise an Bord mitführte. Der junge Seemann vergißt seine Arbeit, seine blauen Augen hängen mit einem heißen Leuchten an dem lieblichen Geschöpf. Jetzt wendet die Frau ihr Gesicht dem Matrosen zu und ihre großen Kinderaugen mit dem fragenden Ausdruck fangen den mitleidigen und leidenschaftlichen Blick des jungen Menschen aut. Erschreckt fährt Jens Jensen zusammen und pinselt mit ängstlicher Hast weiter. Sein Herz ist schwer und ein heiße? Verlangen, de» süßen Frauenleib nur«inen einzigen kurzen Augenblick in seinen stallen Armen halten zu können, flammt in ihm auf. Dein Wunsch soll in Erfüllung gehen, JenS; aber nicht so, wie Du es Dir denkst. Ein Rettungsboot treibt auf der grauen, langrollenden Dünung. DaS Schicksal meldet sich nicht an. Es ist manchmal zu grausam dazu und manchmal zu mitleidig. Durch die schummerige Morgen- dämmerung leuchtet eine rote Feuersäule am Horizont. Der.Prinz Wilhelm". Mit Mühe und Not haben die Menichen sich in die Boote gerettet, um dem grauenhaften Tode des Verbrenncns zu entgehen. Frauen und Kinder, teils in Balltoiletten, teils in Nacht- kleidern, Männer in Arbeitskitteln und eleganten Gesellschasts- anzögen füllen eng zusammengedrängt das Boot und starren mit entsetzten Blicken aufs Meer. Ein schwarzberußter Heizer gibt einem Gentleman, der im durchweichten Frackanzug ermattet am Boden liegt, zu trinken. Am Steuer sitzt Jens Jensen. In den Armen hält er ein junges Weib. Ein blanwollencs Matrosen- Hemd schiitzt ihren Körper vor der erstarrenden Kälte.--- Zwei Stunden später, als die Svnne aufgehl, naht die Rettung. Die.Brilannia" hat die Hilferufe vernommen. Weiße dicke Rauch- Wolken entsttömen ihren Schornsteinen und die Wogen schäumen vor ihrem Bug, als fie mit voller Fahrt herandampst. Jauchzend jubeln die Menschen auf; der jünge Seemann am Steuer aber beugt sich zu der jungen Frau und küßt leise und andächtig ihre schwarzen Locken. Sein Traum ist ausgeträumt.--- Die Ausstellung der Berliner  Sezeffion. Von Robert Breuer. II. Es ist immer ein Irrtum, wenn man glaubt, daß eine neue Technik eine neue Kunst bedeute. An diesem Irrtum trägt der Neo-JmpreffionismuS, soweit er eben technisches System und nicht Anschauung und Empfindung ist. An diesem Irrtum leiden auch die K u b i st e n. Was fie von der bisherigen Malerei scheidet, ist nichts anderes als ein neues technisches Verfahren, außerdem eine neu Art des perspektivischen Sehens. Aber die Perspektive ist schließlich auch nichts als ein technisches Hilfsmittel; erst wenn sie sozusagen verschwindet, hilft sie die Anschauung erweitern. Auf jenen ersten Bildern des vierzehnten Jahrhunderts, auf denen die Tiefe des Raumes durch eine starr und linear eingezeichnete Per- spektive erreicht wurde, fehlt die Schönheit des räumlichen Lebens, die etwa Rembrandt   gibt: bei ihm wurde die perspektivische Tiefe aus einem System zu einer Empfindung. Wenn es den Kubisten gelänge, ihre theoretische Absicht, das.Körperliche als eine Zu- sammensetzung aus Körpern oder als ein Gewirk aus. Flächen {genau weiß ich es nicht) sinnlich faßbar zu machen, so hätten sie es gar nicht notwendig, um Anerkennung zu kämpfen. Mag sein, daß der Kubismus richtig ist; recht hat er erst, wenn er Tempera- ment und Blut wird.-- Bis dahin brauchen wir uns seinetwegen nickt zu beunruhigen. Die wenigen Bilder des P i ca s so. die auf dieser Ausstellung hängen, sind nicht viel mehr als das Experi- ment eineS Menschett mit angeborenem Geschmack. Picasso   und wir. seine Zuschauer, werden aufeinander warten müssen. Wir haben auch auf die Neo-Jmprefiionisten gewartet, und bei einiger» ist es nicht vergeblich gewesen. So bei Eurt Herrmann, vor» dem wir diesmal einige Erlebnisse von schöner Farbigkeit, deko- rative Stilleben von nervöser Rhythmik, zu sehen bekommen. So bei Rysselberghe. In ihm lebt französische Kultur in einer müden, zugleich familiären Variante. Er gibt die Psychologie der großen Dame in einem Milieu braver Mütterlichkeit. Die Farbe liegt über dev Leinwand wie eine blühende Patina, ohne daß das Bild etwas Emailhaftes bekäme. Er liebt Grün, Grün-blau, Rot- violett und Weinrot; er wirkt ins zierlichen Flocken und Funker» solcher Palette etwas Textiles, zugleich etwas Metallisches. Da- gegen muß die neue Art des Jan Toorop   notwendig als eine peinliche Beunruhigung empfunden werden. Dieser Holländer hat früher prachtvoll gezeichnet, mit beinahe farattschem Eifer, ganz u» der Art der Alten. Jetzt macht er ein Mittelding zwischen Poin- tillismus und Kubimus. Er setzt, um Licht und Sonne zu schaffen, beinahe handgroße Würfel von schärfstem Gelb neben hellstes Grün und bekommt dadurch keinen anderen Eindruck als den einer schlimm vergröberten Lithographie. Man spürt den alten Graphi- kcr, der durch ein verkehrtes Prinzip entrenkt wurde. Es gelten eben in der Kunst die Theorieen und Absichten nichts und aber- mals nichts; alles entscheidet sich an der Kraft und an dev Klar» heit. Wem es daran mangelt, der bringt es nie über ein Schema und ein Rezept. Das ist auch das Schicksal von E. R. W e i ß und vielen anderen, die gleich ihm die neue Monumentalität wollen. Weiß hat einen Akt gemalt, er heißt ihn Adam und möchte, daß er die Größe eines menschlichen Symbols babe. Es kommt diese monumentale Abficht aber nicht über den Effekt eines Plakates; genau so wie die Land- schaften dieses Kunstlers nicht an der Theaterdekoration vorüber- kommen. Genau so geht es mit Rößner; Lex macht aus Degas  und Eorreggio eine Tapete. Er scheint aber auch seine Absichten von vornherin auf eine Tapisserie eingestellt zu haben, ein Symptom. für den kunstgewerblichen Einschlag, der dev neuen Monumental- kunst den Ausstieg so schwer macht. Der Kampf zwischen dem Dekorierten und dem Dekorativen, zwischen dem Ornament und dem Rhythmus kam noch nicht zum Austrag. Das können wir gleich wieder bei dem großen Bild des Kurt Tuch   nachprüfen. Diese badenden Frauen möchten Gefäße und Gleitlinicn für musi­kalische Ströme sein; wir respektieren solches Streben, wir sehen aber trotzdem, daß der rechte Arm der Linken unorganisch, wie eine Oese wirkt, daß die Beine der rechts Sitzenden systemlos baumeln, und daß das Wasser wie Ei? spiegelt. Es ist ebenso schlimm wie gut: wer das Monumentale will, muß sich(wenn auch in aller Milde) den Michelangelo als Maßstab gefallen lassen. Daumier vertrug diesen Maßstab und auch van Gogh   kann an ihm ge- messen werden. Ich weiß ganz genau, daß man es für eine Dummheit, vielleicht auch für eine Frechheit achten kann, wenn ich jetzt sage, daß das Bild der Arlesienne, das ich schon neulich wie ein verzehrendes Feuer über Kalckreuth kommen ließ, ein titanisches Werk ist. Ein Werk, das den Menschen einiges Recht gibt, sich an den Göttern zu messen, um gerade so eine höchste Art des Gottesdienstes zu be- gehen, Wias der gallische Rembrandt   mit diesem Bildnis leistete, ist überwältigend. Diese Frau, die da in alltäglicher Schlichtheit vor uns sitzt, ein ungezähltes Gescböpf der Masse, wird zu einem Denkmal der Menschheit. Völlig überwunden wurde die hetzende Nervosität, die den Bildern des van Gogh   so oft als eine Last der Zeit anhaftet; diese Frau wuchs riesenhaft aus einer einzigen unendlichen Empfindung. Sie wurde gemalt was will das allein heißen, in Zeiten, die hundertmal das Malen mit dem Tüfteln und Grübeln verwechseln. Und gemalt wurde auch das Stilleben, das daneben hängt; Mohn und Kornblumen in irgendeiner alten Alabastcrvase. Die schwüle Rlelancholie des Sommers strömt uns entgegen; die sinnliche Empfindung weitet sich zum Weltgefühl. Der Geist Goethes ist über diesen Blumen und Dehmels heiße Sehnsucht. Van Gogh   hat uns viel zu geben; wir dürfen zu- frieden sein, daß sich so mancher Junge einiges von ihm schenker» ließ. Zu diesen gehört Franz Heckendorf  . Er kam anfangs wohl von Liebermann, Hai sich dann aber selber revolutioniert. Jetzt malt er gern an der Peripherie der Großstadt den stoßenden Atem des gelagerten Kolosses. Er bringt es dabei aber noch nicht allzuweit über einen Grad unwirklicher Wildheit; dock scheinen Tendenzen zur Bändigung in diesem Jünger zr ruhen. Ein Jünger des Propheten ist auch Theo von Brockh�sen. Wre er das Geäst nutzt, um die Struktur des Luftraumes auszuspüren, das erinnert an die Leidenschaft, mit der van Gogh das Skelett der Erde erfühlte. Brockhuscn weiß, daß auch die Malerei ein Gehirn braucht. Wie das gemeint ist, sieht man an demBiergarten": die Senkrechte regiert. Die Bäume, die Tische, die Stuhle, selbst daS Haus, das eigentlich die Hintcrgnmdfläche abgibt, wirken solch Pathos der Vertikale. Das ist eine mathematische Entklärung des Raumes, ohne daß darüber die Naivität des Anfckaucns verloren ging. Am schönsten zeigt sich solche Wechselwirkung in der weit- horiwntigen Landschaft. Da seben wir die Sonne über die Felder laufen und spüren zugleich, wie sehr der Instinkt des Malers solcher Bewegung Motov ist. Ganz ähnlich steht es um Waldemar R ö s l e r; auch er wurde überwältigt von den keiweltden und.