quellenden Kräften, die durch die Aecker und Wiesen kreisen, diein den Grashalmen und in den Stämmen der Bäume aufsteigen.Auch Rösler sieht die Landschaft als Lebendiges; es blieb nicht derkleinste Rest vom Stilleben, alles at.'ret, pulst, bewegt sich. ES isteine wehende Unruhe in dieser Ratur, etwas Dampfendes, fast etwasSchreiendes; und doch steht das Bild als eine Welt grosi und strenggefügt. Auch Rösler lebt von der Leidenschaft des van Gogh, erlebt sie neu. Das ist wahrhaftig keine Verkleinerung diesesKünstlers; es ist nur eine Deutung für die Notwendigkeit seinesWuchses und für die Dauer seines, aus der Entwickelung geborenenDaseins. Man mutz sich darüber klar sein: viele von denen, die unsheute interessieren, ja fast ergreifen, werden versinken. Aberbleiben wird der Auftrieb dieser Jugend, von dem wir noch nichteinmal sagen können, wohin er eigentlich strebt. Das ist auch gleich-gültig; das wird die kommende Generation wissen. Wir habenuns damit zu begnügen, die Tatsache der Bewegung zum Neuenfestzustellen. Und darum, weil diese Sezessionsausstellung solcheTatsächlichkeit klar erkennen lätzt, müssen wir ihr besonders dank-bar sein. Einige dieser Jungen wollen wir uns jetzt noch an-schauen; wir dürfen oabei nicht vergessen, datz Jugend soviel istwie Rastlosigkeit, Abscheu vor dem System, jäheS Aufbegehren.Max Pech st ein zeigt in drei Bildern, die um einige Jahreauseinander liegen, eine energische Entwicklung vom dämonischenNaturalismus zur dekorativen Ekstase. Max Oppenheimer,der mit Virtuosität ein und ein halbes Dutzend Köpfe auf einermittelgrotzen Leinwand unterbringt, wirbt mit dem barocken Tempe-rament des spanischen Greco um eine Architektonisiernng des Bild-raumes. Julius Pascin ist den Absichten nach irdischer alsdiese beiden; aber er ist in sich vollendeter. Dumme Leute werfenihm bor, daß er gemeine Motive male; als ob die Ter Borch unddie Vermeer nicht ständig galante Szenen aus dem Bordellebengemalt hätten. Pascin gibt die kranke Schönheit zerlebter Körper,die bösartige Dekadenz de? Geschlechtstieres; er gibt die erotischeGroteske mit der Zärtlichkeit des Rokoko und der Kalligraphie desJapanismus. Eine hoffnungsvolle Begabung(obgleich nicht mehrganz jungj ist Oswald Galle; sein„Schläfer" ist von Mareesbeeinflußt, aber selbständig empfunden. Juliet Brown zeigteine Landschaft, die an Hodler denken llätzt; die grüne Epidermisdeckt die Bewegung der Erde, so kommt eine freie Größe in daskleine Format. Eine bewußte� mathematische Konstruktion wendetRudolf Möller an die Darstellung einer Beweinung. DasSystem der sich scheidenden Dreiecke ist freilich sehr deutlich, und esverblüfft, solch lionardeSke Erinnerung in grellen Farben vorge-tragen zu sehen.Die jungen Franzosen, die man uns diesmal zeigt, und überdie sich etliche Philister so sehr erregten, sind bemah« harmlos. DerBlumengarten von Bat tat ist duftig und locker gemalt, dasStrandbild von M a r q u e t gibt Notizen farbiger Pikanterie, dieLandschaft von Fr i e ß lehrt, wie gewandt die Pariser die Größedes Cezanne liebenswürdig zu machen wissen. Noch wesentlichharmloser sind die Dänen. Selbst der eigenartigste von ihnen,Willumsen, der spanische Szenerien in etwas erregter, leichtkarikierender Art farbig zeichnet, ist kaum mehr als amüsant. VonKnud Kyhn, der nordische Wasservögel belauschte, kann mansagen, daß er besser als Liljefors ist. Und G i e r s i n g, der zuweilen.so in den zitrongclben, schwarz konturierten Akten, daran denkenläßt, daß Kopenhagen eine Filiale von Paris, ist noch zu ungleich,um irgendwie eine große Hoffnung zu sein. Dagegen scheint MaxN e u m a n n, ein Königsberger, eine Zukunft zu haben. Das Bildeines Schiffbruches, das direkt von Delarroix kommt, zeigt in seineraus Grün-blau entwickelten Farbigkeit ein« starke Tendenz zumDramatischen. Eugene Zack macht uns wundern; seine ar-kadische Landsckiaft ist eine Kreuzung von Boecklin und Puviö. Datzso etwas aus Paris kommt, erinnert an das Vergnügen, das dieFranzosen jetzt an Wagner haben. Noch merkwürdiger fast ist es,wenn wir sehen, daß Klaus Richter mit einer Kreuzigung,einer Madonna und einem Selbstbildnis sich etwa zwischenitalienische Frührenaissänce und den Höllen-Breughel stellt. DaSscheint seltsam und ist eigentlich nur charakteristisch: die Jungenwollen zurück zur Größe im Einfachen. Daß sie dabei an diePrimitiven geraten, ist nicht«»eniger verwunderlich als die Freudean dem Grotesken von der Art der Wasserspeier, die als teuflischeUntiere in den Türmen der gotischen Dome nisten. Uebcrhaupt:ein gotisches Element scheint in unserer Jugend aufzuerstehen, eineeckige, gereckte Askese, eine Lust am anatomischen Ornament, dazuein fast überzeugender Ausdruck des Horchens in das eigne Sein.Für solche Art find die Akte des Kar l i Sohn ein gutes Beispiel;besser aber sieht man noch dos. was hier gemeint ist, an einigenPlastiken.Vor ollem an der„Knieenden" von L e h m b r u ck. Dieserlanggezogene, auf ein Minimum von Tiefe gebrachte Leib erinnertzwingend an die berühmte S-Linie, an jene Gleisführung derEkstase, die zu dem Charakter der gotischen Figur gehört. WasLehmbruck sucht, ist eine Spiritualisicrung des Körpers; eine innereBeflügcliing des tastenden Materials. Wie das Mädchen den rechtenArm anhebt und den Kopf neist, wie es das linke Knie vorsetzt undden rechten Unterschenkel, der Erde beinahe parallel, weit von sichstreckt, das gibt einen äußersten Eindruck des Zerbrechlichen: eingläsernes Gefäß für Mysterien. Gotik lebt auch in den Zügen desgewaltigen Männerhauptes. das der Belgier Minne geschaffen hat.iin den knittrigen Falten dieses zermürbten Antlitzes, in dem 1Gefurch dieser gespannten Adern. Und daß auch B a r l a ch S Holz.Plastiken den Figuren der goldenen Pforten verwandt sind, wußtenwir seit langem. Er hat diesmal einen Wüstenprediger zurecht«geschnitten. Der kleine Kerl steht wie ein brennender Zelot; irgendeine knorrige Wurzel scheint zum Gespenst geworden. Die Ellbogensind an den Körper gezogen, die Unterarme fast senkrecht gehoben.und die geballten Fäuste drohen wie schlagbereite Keulen. Alssollte ein dreifaches„Wehe" in die Schädel der Ungläubigen ge-hämmert werden. Die breiten Füße sind weit gewandert. Der ge-drungene Rücken bebt unter der Wut der Worte, die aus dem schiefgestellten Mund stoßen. Ein ironisches Besinnen in den Schauerndes Fanatismus: man erinnert sich, daß in den Miniaturen derEvangelien oft genug solcher Humor der Heiligen sputt. Und nungar die„Vision". Unten ein Schlafender und darüber die gewaltigeErscheinung Eines, der im Sturm dahinfährt. Das ist gotischeNaivität, neuerwacht in der Sehnsucht eines Zertretenen, dersich reckt.Und wenn wir nun sehen, wie dieses Sichrecken und Rekeln alsMotiv dauernd wiederkehrt, da müssen wir notwendig die Einheit inden Plastiken dieser verschiedenen Künstler erkennen. Haller»den man einen Neu-Römer genannt hat, zeigt ein Mädchen, dassich aus dem Schlaf zum Wachen regt. Das kleine, zarte Figürchenbeginnt zu atmen. G e r st e l sieht eine Sechzehnjährige; undwiederum spüren wir, wie das Blut die Augen auffchlägt. AuchA l b i k e r S moussierendes Mädchen hat einen Körper, der dasSchwergesetz überwinden möchte. Und schließlich Kolbes„Tanzende"; in dieser schönen lebensgroßen Plasttk begegnet unsabermals die zärtliche, lyrische Monumentalität, die sinnlich« Askeseder Gotik. Man fühlt die Ströme rhythmischen Lebens durch diewagerecht gestreckten, seligen Arme der Tänzerin wellen; es ist ent-zückend, wie das rechte innere Handgelenk sich herausdrängt, wieder Halsmuskol sich strafft, wie an den Schlüsselbeinen entlang dieEnergien sich elastisch regen. Vielleicht wandte Kolbe an dieseTanz«nde ein wenig zuviel der Virtuosität; um so ruhiger steht einNeger, ein ragender Strich. Diese Figur hat etwas Entmateriali-sierteS, sie scheint nur Gelenk und Gerüst, scheint fleischlose Stabili»tat und unbewegte Beweglichkeit: Gotik.kleines Feuilleton.Völkerkunde.Homöopathie bei den Naturvölkern. Die Homöo-pathie kann auf einen sehr alten Ursprung zurücksehen, scheint also wohlmit tief eingewurzelten Vorstellungen des Menschen zusammenzuhängen.Nicht nur bei Völkern deS Altertums, sondern auch bei vielen heutelebenden Naturvölkern lassen sich Sitten nachweisen, die aufder Anschauung beruhen, daß die Betätigung eines Organsoder einer bestimmten Eigenschaft des Menschen durch dieNahrungsaufnahme in bestimmter Weise beeinflußt werdenkann Im Grunde genommen kommt das auf dasselbe hinaus wiedie Homöopathie oder wenigstens die sogenannte Organotherapie.In einer norwegischen Sage muß ein Königssohn der durch seineFurchtsamkeit unangenehm auffiel, ein Wolfsherz verzehren, umdadurch die Kühnheit der Wolfsnatur zu erwerben. Andererseits istbei den DajakS von Börnes den jungen Männern verboten, Fleischvon erlegtem Wild zu essen da sonst ihre kriegerische Tüchtigkeitleiden würde. Nur Frauen und Greise, an deren Mut wenigergelogen ist, dürfen einen Wildbraten verspeisen. Bei den Indianer-stammen in Amerika und auch bei den Eingeborenen mancher West«indischen Inseln bildet der Hund eine besondere Nahrung für dieKrieger, da er als ein tapferes Tier gilt. Noch weiter gehen mancheLeute in Indien und auch in Korea, die zu dem gleichen Zweck daSFleisch deS Tigers für eine erlesene Stärkung halten. Bei denChinesen gilt die Galle als Sitz des MutcS, und daher wird diSGallenflüssigkeit getrunken.Wenn von manchen Vertretern der Völkerkunde auch die Menschen-fresserei im allgemeinen auf die Vorstellung zurückgeführt wird, daßdie Kannibalen dadurch den Mut und die Weisheit deS erschlagenenFeindeS zu erwerben hoffen, so kann dieser Wahn jedenfalls nureine Begleiterscheinung sein, da die Menschenfresserei in ihrenUranfängen aller Wahrscheinlichkeit nach nur durch Nahrungsmangelbedingt gewesen ist und sich dann bei den niederen Stufen dermenschlichen Entwicklung fortgeerbt hat. Einige Stämme in Süd»aftika, die sonst die Menschenfresserei aufgegeben oder nie betriebenhaben, huldigen ihr in einer gewissermaßen verschämten Form. DieBasutoS verzehren von einem Feind, der sich besonders tapfer ge«wehrt hat. wenigstens das Herz. Andere Völker habenden Brauch, die wichtigsten Teile deS Körpers zu Aschezu verbrennen und diese den jungen Männern bei der frier«lichcn Aufnahme in die Zahl der Erwachsenen unter einen Kuchenzu mischen. Der Glaube an eine Uebertragung tüchtiger Eigen«schaften heftet sich noch bei Völkern anderer Gebiet« hauptsächlich andaS Herz, demnächst an die Leber, die z. B. von den KannibalenAustraliens bevorzugt wird. Auf den Philippinen, wo sich mancherecht bedenkliche Sitten studieren lassen, gibt es noch jetzt Stämme,die das Blut der erlegten Feinde trinken oder andere ähnlicheBräuche haben, die dem zwilisterten Menschen noch scheußlicher er«scheinen würden.Perantwortl. Redaktepr: Albert Wach?» Berlin.— Druck y. Verlag: VsrSärtsBuchdcuckere!U.PerIagsaustllltPagtSlngeräEiz.,Berliu2W.