die anderen vom Meere geschützt wurden und nichts zu fürchtenhatten!Gedion krepierte allerdings nicht an den Kinderkrankheiten,aber sie griffen ihn härter an als die übrigen Kinder des Fischer-dorfs, obwohl tüchtig an ihm herum gedocktcrt wurde. Das schiendie Ansicht der Leute einigermaßen zu bestätigen, und es wirkte aufdas ganze Dasein des Burschen zurück. Die Fischer nahmen ihnnicht gern mit auf die See; er bot ihnen keine Garantie, sein Schick-sal war zu unsicher. Wie es sich in Wirklichkeit mit ihm verhielt,konnte niemand sagen; aber mochte es nun sein, wie es wollte—dem Meere gehörte er nicht an.Irgend etwas bewirkte, daß er im Wachstum zurückblieb, derUeberschuß an Kraft war früher verbraucht. Er hatte die Neigung,jedes Uebelbefinden Gewvlt über sich gewinnen zu lassen. In seinemzwölften Jahre hatten ihn Typhus, Diphtheritis und Scharlach-fieber in ihren Krallen gehabt; und jede Krankheit hatte ihm etwasgenommen und dafür ein Stück von sich in ihm zurückgelassen. Nunwar er ganz mager, und die Haut spannte sich hart über denKnochen. Uebermut kannte er nicht, statt dessen war ihm eine zäheHalsstarrigkeit eigen, die von hinten herum an die Dinge heran-ging urib sich der Meinung der anderen quer in den Weg legte. Mitdem Meere bekam er nichts zu tun, er war auch nicht mehr behendegenug dazu; aber er konnte gut und gleichmäßig arbeiten, und denSommer über kam er auf ein Gehöft. Während des Sommers, alser zum Pfarrer in den Unterricht ging, diente er bei einem Bauerhinterm Moor. Da wurde er von einem Pferd an der Schläfe ge-troffen, und man brachte ihn in leblosem Zustande nach Hauseins Dorf.„Nun ist es doch so mit ihm gekommen," sagten die Leute undatmeten befreit auf. Aber da schlug der Jurige die Augen auf undstarrte sie verwirrt an, als käme er aus einer anderen Welt her.Es war deutlich, daß seine Augen von jenseits herüberschauten, undniemand mochte von nun an seinem Blick begegnen.Lange Zeit spielte der Tod mit ihm, wie die Katze mit derMaus. Dann stand er endlich wieder auf seinen Beinen da, undeine Narbe und ein wenig Gehirnerweichung waren die einzigenFolgen der Begebenheit.Die Leute schüttelten den Kopf und wichen Gedion aus, wennsie ihn sahen. Man hatte keine Erklärung für ihn; aber so wie erwar, befestigte er immer mehr die vorgefaßte Meinung der Menschenund gah dem Unsichtbaren einen Rückhalt. Ihm einen Rat zu geben,lohnte sich nicht; man konnte ja mit höheren Mächten zusammen-prallen. Wenn er unbedingt zur See wollte, so mochte er sich inGottes Namen Seemannskleider anschaffen; die Vorsehung würdeihn schon zu erreichen wissen.Und Gedion wollte nun einmal auf See. Er war dazu ge-boren: der Gesang des Meeres war der erste Laut, den sein zartesOhr aufgefangen und wiedererkannt hatte, da draußen lagen diemeisten seiner Vorfahren. Sein Kinderblut wurde von den Wellengewiegt, schon in seinem zarten Weinen war die Melodie desMeeres. Er war ein Kind des Strandes, und dunkel und tief er-klangen in dem Kleinen die Töne des Sangs, der die Erde umspült.Doch er wollte zwar auf See, wagte es aber dennoch nicht. Darumging er zu einem Schiffszimmermann in die Lehre, um wenigstensin der Nähe zu bleiben.Das Handwerk gefiel ihm. Bei der Arbeit konnte er aufsMeer hinausschauen; und einmal, einmal würde er doch hinaus-kommen! Die Stimme von da draußen, die allen Kindern derKüste so vertraut ist, rief ja in einen» fort. Aber Gedion ließ sichZeit; erst wollte er das Handwerk richtig erlernen— und dann alsZimmermann in die Welt hinaussegeln. Besonders scharfsinnigwar er nicht, aber bei der Arbeit verriet er Ausdauer und gutenWillen— bis er eines TageS vom Balken hinabstürzte und aus denStein auf dem Boden des Betings aufschlug.„Diesmal wird es sein Tod sein," sagte der Doktor. Aber dieLeute aus dem Dorf sahen einander an und dachten sich ihr Teil.„Zwei Krücken werden es jedenfalls," meinte der Doktor einenMonat später.Aber weder der Tod noch Krücken waren das Resultat. Viel-mehr eine lahme Hüfte, ein krummes Bein und eine schiefeSchulter— eine Gestalt, an der alles bis zum vollkommenenKrüppeltum verdreht und verrenkt war.Von nun an verkörperte Gedion das Unheimlichste und Span-nendste, was die Leute kannten: den Menschen, der nicht zu sterbenvermochte. Die märchenhafte Geschichte, wie er mit dem TodeHaschen spielte, ließ sich immer wieder von neuem erzählen, so daßallen Anwesenden ein kalter Schauder über den Rücken lief. Dar-über, daß Gedion aus dem Kreise der anderen Menschen ausge-schlössen war, machte sich niemand Gewiffensbisse. Gedion war zumApis erkoren und durfte nicht mit den anderen Gras fressen;so oft er sich der Herde zu nähern versuchte, wurde er zu seinemeinsamen Stande zurückgetrieben.Mit der Schiffszimmerei war es aus. Und doch konnte er sichauf seinen gebrochenen Beinen ganz flink von der Stelle bewegen,und die Obrigkeit gab ihm das bescheidene Amt eines Strand-Wächters.Auch mit der Ausficht, das Meer zu befahren, war eS unwiderruflich vorbei; und jetzt, wo er selber gar keinen Einfluß mehr indieser Frage hatte, wurde sie das tragisiche Element seines Lebens.Die Leute wichen ihm aus und beschäftigten sich unaufhörlich mitihm. Schließlich konnte er diesen Doppelzustand nicht mehr er-tragen und wahm seine Zuflucht zur Flasche.Niemand nahm es ihm übel, daß er trank. Mit Gedion gingman ja nicht ins Gericht— bei ihm war in allem Gottes üner-forschlicher Ratschluß zu spüren. Dem Meere gehört er nicht an.und dem festen Lande wohl auch nicht! Aber wer klug war, ließdas alles aus sich beruhen und nahm ihn als Vorbedeutung hin; esbrachte Glück, die Netze in den Untiefen auszuwerfen, die er inseinem Rausche bezeichnete. Alles in allem legte er in recht un-heimlicher Weise Zeugnis von dem Walten des Schicksals ab! Erflößte den Menschen Grauen ein, und in all seiner Verkrüppelungwar er trotzdem ein Unterpfand für die reichen Möglichkeiten desDaseins.Gleichförmig und ohne Ruhepunkt verstrich für Gedion einsReihe von Jahren— Tag um Tag, wie das Dasein sich für den-jcnigen gestalten muß, der dazu verurteilt ist. ewig zu leben. EinMenschenalter nach dem anderen sah ihn seinen milden und nie,mals endenden Branntweinspitz an dem Strandstück umherschleppen.das seiner Aufsicht unterstand. Mit der Zeit war täglich ein ganzesLiter notwendig, um den Rausch zu unterhalten, und jeder gewöhn-liche Mensch tväre dem Trunk erlegen. Aber Gedion konnte janicht sterben. In mehr als einer Nacht schlief er seinen Rausch amStrande bei fünfzehn Grad aus, ohne daß er den geringstenSchaden erlitt.Wie lange er so noch hätte weiterleben können, kann man nicht!gut wissen— vielleicht bis zum Jüngsten Gericht. Wenn er nichteines Tages Halt gemacht und sich von dem Fluche befreit hätte.Eines natürlichen Todes konnte er ja nun einmal nicht sterben, daer nie aufs Meer fuhr; aber er kam diesem Ziele verwirrend nahe.An jenem Tage trug er einen Generalrausch zur Stadt und legte sichunterwegs am Strande nieder, um zu schlafen, das Gesicht in seinenSüdwester gedrückt. Da spülte eine lange Welle heran, füllte denSüdwester, und Gedion ertrank.So erschlich er sich trotz alledem seinen Tod.Die Ortsnamen im Deutlcben.Berg, Bach, Tal, Fluß u. a. gehören naturgemäß zu denhäufigsten Namenbestandteilen. Stendal liegt im Steintal. Berg»kegel werden Stauf genannt, daher Donaustauf, Hohenstaufenund andere.Nicht weniger als«in Drittel aller Ortsnamen wächst ausFluß namen hervor. Von bekannten und leicht erkennbaren Bei»spielen sehen wir ab. um einige wenig bekannte anzuführen. Wienheißt im Nibelungenlied: stat ze Wiene, nach der Wien. So liegtauch Stadtilm an der Ilm, Darmstadt an der Darm sjetzt kana»lisiert), Düsseldorf an der Düffel. Aschaffenburg an der Aschaff,Schleswig an der Sckilei, Goslar an der Gose sLar ist die Wohnung).Die holländischen Städte auf-dam legen Zeugnis ab von der Be»deutung der Dammbauten, die Amstel, die Rotte und die Zaan er»geben so Amsterdam, Rotterdam, Zaandam. Auch Meißen heißtnach der Meitze, Elbing nach einer ursprünglichen zweiten Elbe,Tilsit nach der Tilse, Moskau nach der Moskwa. Chieagonach der Chicago. Chemnitz swendisch) bedeutet Steinbach.Eine große Menge von Flußorten endigt auf eine Silbemit a. Hier liegt überall das lateinische szugleich all-gemein indogermanische aqua sWasser) zugrunde. Biberwasserbedeuten demnach Bebra, Bibra, Biberach. Fulda(kolcka— Erdboden) ist Landwasser. Gieße ist ein altes Wort für Fluß, daherGietzen. Koblenz stammt vom lateinischen oonLuentes sdie zu»sammenfließenden, nämlich Mosel und Rhein). Die Mündungsteckt in Neckargemünd, Travemünde. Gmunden usw. Ein Rostockgibt es auch in Böhmen, wo sich gleichfalls ein Fluß„erweitert"swendisch roz-tok--- zerfließen, auseinandergehen). Aachen bedeutet„zu den Wassern", wie Baden zu den Bädern. Beziehungen mit„Insel" und den entsprechenden Wörlern der anderen Sprachenfinden wir z. B. bei Algeciras: arabisch gezire= Insel. AuchWerder, Wörth usw. find gleichbedeutend mit Insel, desgleichen Holm,wie in Bornholm und Stockholm.Drückt sich auch der Aerger über ungünstige Bodenverhältnissenicht immer so deutlich aus wie in den Ortsnamen Wärstubesser»Aergernitz, Neuärgerniß. Sorge, Elend usw., so sagen doch Be-nennungen wie Sandacker, Sandberg, Sandwich s— Sandheim),Blankenese,(einst ein kahler Sandberg, blanke Rase), Lehmkuhlen,Glienicke(— Tonerde), Bruch(Sumpf), Syrakus snach einem Sumpfegenannt), Möckern(wendisch rnofainn= Sumpfland), Lausitz(desgleichen) auch schon genug.Das alle Wort für Fels ist Stein, daher sind Königstein usw.hochgelegene Plätze, auch Kammin in Pommern(Steinburg) gehörthierher, es heißt nach den gewaltigen Steinriffen. Die Namen mit„Salz", Hall" usw. gehen meist auf die Kelten zurück, die alleinin alter Zeit die rationelle Salzgewinnung verstanden und schon invorgeschichtlicher Zeit die Salzwerke im Salzkammergut undHollstatt und dann auch die von Ariern und Halle anlegten. DieHalloren sind Salzbereiter. Auch Stadtsulza(Sülze--- Sole) heißtnach den Solquellen. Dürrenberg verdankt seinen Namen indirektder Saline, nämlich der vegetationsfeindlichen Wirkung des Salzes.Kösen(Küche) heißt nach dem Sudhaus, wo das Salz aus der Solebereitet wurde.Die Römer nannten Rom schlechtwegs urbs(die Stadt).Aehnlich ging es auch anderwärts. Stambul aus Jstambul führt