— 444-auf das griechische„eis tan polin"(in die Stadt) zurück. Daherauch Nanieu wie Hof, Thale, Porto, Le Havre(beide— Hafen)Medina(Stadt) heißen aus arabischer Zeit noch vier Städte inSpanien. Alle alten deutschen Ortsnamen sind„erstarrtKasuS", sie stehen im Dativ, im dritten Fall: Mtenburg, Weißenfels, Blankenburg, Rothenburg. Es ist damit ähnlich gegangen wiemit Weihnachten, Pfingsten, Mitternacht, d. h. es handelt sich um Bruchstücke von Sätzen aus dem Verkehrsleben. Erst später entwickeln sich zuUnterscheidungszwecken Namen mit näheren Bezeichnungen. Neu--und Alt- sind die nächstliegmden, wie in Naumburg, NaugardStargard(stary wendisch— alt). Dann kommen„Grund„Klein-". Schmal— slein ist in Schmalkalden enthalten,Luxemburg ist Lützelburg. Mecklenburg kommt von michel— groß,Die Schönheit der Städte wird in Namen wie Jaffa, Belleville,Bellevue, Schönau, Belvedere, Schönhausen usw. zugrunde gelegt,Es gibt auch ein Heiterer Blick und mehrere Siehdichum, derenniederdeutsche Form im Familiennamen Südekum vorliegt. DieFarbe verrät sich in Belgrad(Serbien) und Belgard(Pommern),beide bedeuten Weißenburg, ebenso Winchester. Rothenburg ist das>selbe wie Alhambra(deren Mauern und Türme aus roten Ziegebsteinen bestehen). Rode, Rade, Reute, Ried und ähnlicheSilben in Rütli, Friedrichroda, Werningerode, Apenrade, Bayreuth,Niederrod usw. besagen, daß hier erst der Wald gerodet werdenmutzte, um Ansiedlungen zu schaffen. Andererseits verrät sich derWald nicht nur in den Ortsnamen mit Wald-, Holz- usw., sondernauch in Iserlohn, Osterloh, Waterloo(Loh— Wald). Auch Brandenbürg ist nicht mit„-bürg" zusammengesetzt, sondern mit.-bor'(wendisch— Kiefer), daher Brennabor. Ebensowohl Ratzeburg,Radeburg(— Ratibor). Grabow, Grabau usw. heißen nach derHainbuche(slawisch— grab), wie Prießnitz, Treuenbrietzen usw.nach der Birke(slawisch— bresa), Buckingham(Buchheim) undBuchholz nach der Buche, Eibenstock, Jberg usw. nach der Eibe, demfrüher sehr verbreiteten gemeinen Taxus. Ulm ist die Ulmenstadt,Zittau die Roggeustadt(tschechisch mto— Roggen). DerBühl(Hügel) steckt in Radebeul wie in Dinkelsbühl,wo der Dinkel oder Spelz kultiviert wird. Wie Heringsdorf denHeringen, verdankt Frohsdorf, gleich Poggendorf, den Fröschen seinenNamen. Jmmenstadt, Schlangenbad, Herzberge(—Hirschberge),Auerbach, Urach, Wiesensteig(vom Wisent), Uhlenhorst. Geyer imErzgebirge, Wolfenbüttel sind weitere Dokumente der Tierweltin Deutschland. Am häufigsten war aber der Bär, der in Bern-bürg, Bernkastel, dem Sankt Bernhard usw. fortlebt. Dagegen ver-danken Bezeichnungen wie Löwen, Lölvenberg, Lauenstein(Leven-stein), Lemberg ihre Namen wohl nur den Wappentieren derGründer. Die Zahl der nach Fürstlichkeiten benannten Orte istLegionen. HermSdorf ist HermannSdorf, Kunersdorf heißt nachKonrad usw.Kleinpaul gibt auch noch eine Blütenlese von Phansasie-n am en, unter denen sich viel tolles Zeug findet, sowie eine Ueber«ficht über die häufigsten Dubletten, d. h. die mehrfach vorkommendenNamen. Zu unterscheiden sind Fälle wie Altenburg und Oldenburg,Namen, deren Häufigkeit auf der Wiederkehr der gleichen Ver-hälwisse beruht, von den einsachen Nachahmungen, die besonders inAmerika grassieren. Dort gibt es einige zwanzig Athens sowiemehrere Roms, eS gibt aber auch Ortsnamen wie Homer, Hannibalund Bismarck(vierzehn Städte heißen nach ihm.) Ueber die ganzeErde verstreute finden sich schließlich biblische Namen, vor allemJerusalem, Jericho usw.Wenngleich Kleinpaul nicht in der Lage ist, selber dieentwickelungsgeschichtlichen Konsequenzen zu ziehen— was ja auchnicht im Rahmen seines Buches liegt— so bietet er doch wirklichwertvolle Vorarbeiten für die künslige Forschung. Die ökonomischeKulturgeschichte wird diese Vorarbeiten nicht selten als wichtigeStützen und Bestätigungen gebrauchen können, und schon unserkurzer Ucberblick über den riesigen Stoff, den Kleinpaul bietet, be-weist klärlich, daß auch die Geschichte der Ortsnamen einen Spiegelder ökonomischen Entwickelung und damit der Klaffenbewegungenzu geben vermag. Da Kleinpaul außerdem seine ErkläWngen sehrpräzis und nichts weniger als trocken vornimmt, ist»M Studiumdes billlgens Bündchens ebenso gewinn- wie genutzbringend.R. F.schlecht nicht gewesen fein, sonst würden wir sie wohl nicht w sederPhase der Geschichte, von den Schwesternehen der ägyptischenPharaonen an, als mächtigen sozialen Faktor austreten sehen.Wie lasien sich nun diese beiden widersprechenden Tatsachen mit-einander vereinigen?—- Der einzelne Mensch ist das Ergebnis einerunendlich großen Ahnenreihe. In der vierten Generation aufwärt»befitzt er 16 Ahnen, in der 8. 256, in der 16. schon 32 768 und inder 28. 1848 576. DaS heißt, er würde sie besitzen, wenn28 Generationen hindurch nie zwei Blutsverwandte in die Ehe ge-treten wären. Bettachten wir den Stammbaum Wilhelm? EL dieneun Generationen hinauf, die er umfaßt, so finden wir nicht dierechnerisch geforderten 612, sondern tatsächlich nur 162 Ahnen. Einähnlicher Ahnenverlust findet sich bei allen Dynastien und Adels-geschlechtern. Je kleiner die Ahnenzahl ist, um so größer ist dieWahrscheinlichkeit, daß eine Eigentümlichkeit des Ahnen, wieder Rostocker Kliniker Prof. Marttus jüngst in einem an-regenden Vorttage auseinandergesetzt hat, bei dem Deszendentenverstärkt und vervielfältigt aufttitt. Bei Ehen zwischenfernen Verwandten zeigt der Nachwuchs dann, daß die charakte-ristischen Anlagen jenes entfernten gemeinsamen Ahnen gedoppeltzur Wirkung kommen, indem sie ihm zweimal in der vererbbarenSubstanz— dem Keimplasma— von väterlicher wie von mütter-licher Seite zugeführt werden.Es liegt auf der Hand, daß das Ergebnis ein wünschenswertesoder ein höchst unerwünschtes sein kann, je nachdem besondereLeistungsfähigkeit oder besondere Leistungsunfähigkeit im einzelnenFalle vererbt wird. Der Höherzüchtung des Typus steht ein Ent-arten gegenüber. Der Tierzüchter hat es bekanntlich in der Hand,durch Zucht die Leistung zu erhöhen; der Mensch, mit dem wegenseiner langen Lebensdauer und späten Fruchtbarkeit Experimente nichtzu machen sind, ist einer künstlichen Auslese nicht zugänglich. Sowird er oft zum willenlosen Objett des Naturgeschehens.Altertumskunde.kleines Feuilleton.Vom Menschen.Die Folgen der Verwandtenehen. Der Ausspruchde? verstorbenen Physiologen Dubois-Reymond:„Hüten Sie sichvor ihren schönen Cousinen' ist längst zu einem geflügelten Wortgeworden. Die Tatsache, die er trifft, daß durch Heiraten vonBlutsverwandten die Deszendenten besonders häufig von gewisse»Krankheiten wie Taubstummheit. Zuckerkrankheit. Gicht befallenwerden, ist ebenfalls ganz allgemein bekannt. Begünstigt nun dteVerwnndtenehe an sich den Ausbruch dieser Krankheiten? Ist esetwa nötig, dem Bl-it neue fremde Kräfte zuzuführen, um es aufder Höhe seiner S�tzfunktionen zu erhalte»? Dem widersprecheneigentlich die Erfahrungen, die dorr gemackr wurden, wo systemarischeInzucht getrieben wurde, um die Vorinachtstellnng der Familie zuwahren. Die Erfolge dieser aristokralischcn Beschränkung müssen soom ägyptischen Pompeji. Während der letzten Tagedes Oktober? im Jahre 138 n. Chr. fuhr die Staatsbarke des Welt-beherrschers Hadrian den Nil hinauf; sie führte den Sarg des Bh-thinierö AnttnouS, des kaiserlichen Lieblingssklaven und„schönstender Männer', der sich in den Fluten des heiligen SttomeS ertränkthatte. Unerhörte Ehren plante der Herrscher zu Ehren seines totenLieblings und so gründete er zu seinem Gedenken eine ganze Stadt,die er nach griechischem Muster anlegte und mit Hellenen be«völkerte. In ihrer Mitte erhob sich das Grabmal des zum Gottgewordenen Sklaven, mit seinen Obelisken und Sphinxen der ge-waltigen Bauwerke würdig, die dereinst zur Ehre der alten Pharaonenerrichtet worden waren. A n t i n o ö, die neue Gründung, blühtedurch mehrere Jahrhunderte.... Dieses Zentrum spätanttker Kultur.das, unter dem trockenen Wüstensande vergraben, fast unversehrtgeblieben ist, hat nun in wichtigsten Teilen der französische Archäo-löge Gayet in siebzehn Jahren mühevoller Arbeit ausgegraben.Jean-Paul Lafitte, der dieser Wiederauferweckung einer hock«interesiamen Vergangenheit in der.Nature' einen umfassenden Auf-ätz widmet, nennt Antinoö das„ägyptische Pompeji", spricht dieserStadt aber noch eine größere Bedeutung für die Altertumskunde zu,als dem italienischen Ort. Die Kunst Pompejis ist die einer Provinz-ftadt und steht völlig unter griechischem Einfluß, während die Welt, dieich in Antinos offenbart, einen grandiosen geschichtlichen Hintergrundhat und unS ein ganz einzigartiges Denkmal bietet von dem Glanzder sterbenden Anttke. In Antinoö stehen wir an einem der wich-tigsten Zeitpunkte der Menschengeschichte. Noch lebt die Tradittondes ältesten Kulturreiches überall fort; die Herrschaft der Pharaonenist zwar der der Römer gewichen; ober Aegyptens Vermächtnis andie kommenden Reiche treibt hier auf heimischem Boden die wunder-vollsten Blüten. Und mit dieser ägyptischen Kultur verbindet sichnun die Grazie des sterbenden Griechentums, umgeformt und ge-wandelt durch den erschlaffenden Römergeist. Die Sntinous«Verehrung entwickelt sich zunächst unter der Form deSaltägyptischen Ostris-Kultes, GayetS Ausgräbungen haben hierMomentbilder von glühender Mystik und üppig prunkenderLeidenschaft heraufbeschworen in den Mumien der Priester undPriesterinnen, die ihre Gesänge zu Ehren des abgeschiedenen Gottesertönen ließen, die die Geschichte. seiner Leiden und seiner Auf-erstehung in feierlichen Tänzen oder in Marionettenspielen aufwinzigen Bühnen darstellten. Wie eine dumpf drohende Melodieaber klingt in den Rausch dieser letzten religiösen Orgien der Antikeder Hymnengesang deS siegenden Christentunis hinein. Alexandrienist nahe, w» die Kirchenväter ihre Lehre predigen;seit 315 ist die ganze Bevölkerung von Antinos christlich.Unter Diokletian ist die frühere Hochburg des Heidentumsein Schauplatz der Martyrien; sie wird nach dem Sieg der Kircheunter Konstantin der Mittelpunkt frommer Pilgerfahrten. All dieslebt in den Funden, die Gayet gelungen sind. Aber der wichtigsteTeil von Antinoö schlummert noch unter der schützenden Sanddccke;die Bauten sind zum größten Teil noch nicht freigelegt, noch harrtdie Krone des ganzen, das Grabdenkmal des Antinous, der Auf-deckung. Dann müssen die beiden großen Triumphsttaßen, die inder Welt nicht ihresgleichen hatten, freigelegt werden, damit diestolzen Tore und Hallen mit ihrem Wald von Säulen wieder imTageslicht leuchten.iverantwortt. Redakteur: Albert Wachs. Berlin.— Druck u. Verlag; vorwärtsBuchdruckerei u.VerlagsanstaltPaulSingerchCo.,BerlinLW.