Möbel anzufertigen. Man spürt aber fast an jedem dieser Stücke da» Ungewohnte, sogar das Krampfhafte. ES lägt sich eben nicht von heute auf morgen die schöne Qualität zur Tradition erklären. Zu dieser Einsicht hilft uns dieMünchener Gewerbeschau immer und immer wieder. Und darin wurzelt vielleicht ihre eigentliche Be- deutung; solchen Sinnes kann sie ein Markstein für die Geschichte der deutschen Produktion werden. Das neue Ideal eines Oualitäts- Marktes, als Konkurrenz gegen die wahllose Messe von Leipzig , wird so leicht nicht wieder zu vergessen sein; Leipzig wird sich danach ein wenig reformieren. WaS aber noch wichtiger ist: e» werden die Fabrikanten, die dieses Menetekel des Oualitäts- markteS aufsteigen sehen, sich ein wenig zusammennehmen; sie werden einsehen, daß es auf die Dauer nicht geht, die Produktion auf daS Niveau der Halbzivilisation zu stellen. Noch durchgreifender aber als solche Beeinflussung der Produktion ist die Erziehung, die dieser Münchener Oualitätsmarkt den Konsumenten zu teil werden läßt, sie wenigstens zu teil werden lassen kann. Alle Kaufenden können da sehen, daß eS schon heute besseres gibt, als man ihnen gemein anbietet; nun können sie künftig kritischer sein. » Wenn auch daS Prinzip des Marktes gewahrt wurde, und die einzelnen Waren in Reih und Glied stehen, so hat man doch nicht versäumt, die Hallen lustig herzurichten. ES sollte Jahrmarkts- stimmung geweckt werden; einen fröhlichen Trubel wollte man, die bunte Heiterkeit einer Kirmes, einer Dult. DaS ist vortrefflich ge- lungen. Besonders Riemerschmid gab der großen Halle ein blau- rotes Ausjauchzen, ein Jodeln und Schuhplattlern. ES flattert von Bändern und Kränzen; Girlanden greifen durch die Lust, es regnet Rosen. Ein guter Gedanke war eS, eine ganze Reihe von Werkstätten aufzubauen; da können die vielen, die von den Prozessen des Hand- werk» und der Maschine keine Ahnung haben, nun sehen, wie daS entsteht und sich rundet, was sie jahraus, jahrein gedankenlos be- nutzen. Dadurch können diese Leute den Dingen näher kommen. Und das ist notwendig. Erst wenn wirNich das Volk in seiner Ganzheit klare Vorstellungen in sich trägt von dem, was eS an Waren braucht, sei es für die Notdurft, sei eS für die Darstellung seines WesenS, erst dann wird wieder eine Höhe der Qualität erreicht werden, wie sie sich uns auftut in den dem modernen Markt ein- verleibten Schränken mit alten, klassischen Geräten der Renaissance, de? Barock und des Empire. Alle diese bewundernswerten Gegen- stände sind die höchstens formalen Möglichkeiten, wie sie unter den damaligen Wirtschaftsverhältnissen wachsen konnten. Jeder dieser Krüge, jede Laterne oder was man sonst hier sieht, ist eine Potenzierung jener Zeit. Nun kommt alles darauf an, daß auch wir lernen, dem wichtigsten Gegenstand den Charakter unserer Gegenwart aufzuprägen. Robert Breuer. Kleines feirilleton. Sprachwissenschaftliches. Weidmannssprache. Das Wort W e i d w e r k mit seinen Verwandten erscheint besonders geeignet, uns die wunderbare Wandlungsfähigkeit der Svrache in der Bedeutungsentwickelung ihres Wortschatzes deutlich vor Augen zu stellen. Wer sollte heute meinen, daß die Wörter Eingeweide, Viehweide und W e i d w e r k zusammengehören, und doch sind sie desselben Ursprungs und gehen auf ein und den'elben Grundbegriff zurück. Dieses Wort Weide lautet althochdeutsch■woicka, während der Ngme des WeidenbaumeS wicka ist. Jenes bezeichnet zunächst: Futter, Speise; daher Eingeweide, eig. die genossene Speise, der In- halt von Magen und Darm, dann die mit Speisen gefüllten Ge- därme, endlich verallgemeinert: die Weichteile der Brust- und Bauch- höhle(Herz, Leber, Lunge und Gedärme). Auch die Jägerausdrücke Weide für die Aesung(b. h. Nahrung) des Fasans und des Rebhuhns, auch des Hasen, und W e i d l ö f f e l oder W e i d- messer für die Zunge von Hirsch oder Reh haben diese älteste Bedeutung beibehalten. Das Wort bezeichnete sodann den Futter ort, davon die Bezeichnungen: Viehweide, Weidegrund, Weidesläche u. a.; in übertragenem Sinne gehört auch Augenweide und Ohren weide hierher. Endlich galt unser Wort auch für das Suchen von Futter und Speise, also das Jagen, und zwar ursprunglich so allgemein, daß man auch den Fischfang mit darunter einbegriff; später schränkte man es in dieser Beziehung auf die Jagd ein, an die man bei Wörtern wie Weidwerk, Weidmann(früher auch W e i d n e r. jetzt nur noch als Familienname erhalten). Weidtasche, Weid- messer u. a. allein noch denkt. Auch weidlich bedeutet eigent- lich: jägermäßig, wurde dann aber von der Gemeinsprache ver- allgemeinert zu: frisch, tüchtig, gehörig; vergleiche zum Beispiel weidlich schwitzen. Aus dem Tierleben. Leuchtende Insekten. Obgleich die Wissenschaft stets be- müht sein sollte, die Gründe der Naturerscheinungen ausfindig zu machen, sie also in diesem eigentlichen Sinne zu„ergründen", liegt es doch in der Natur der Menschen, überall zunächst nach dem Zweck zu fragen. ES ist jedoch oft nur ein Streit um Worte, denn eS kommt fast auf dasselbe heraus, wenn die Frage nur überhaupt beantwortet wird. Daher ist eS beispielsweise nicht unberechtigt, sich nach dem Zweck der Leuchtorgane zu erkundigen, die viel» Tiere besitzen. Am sonderbarsten und wichtigsten ist der Vorgang des LeuchtenS bei den sogenannten Glühwürmchen. Ein Techniker könnte wahrscheinlich Millionen damit verdienen, wenn er eine Erfindung machte, diese Fähigkeit der kleinen Käfer nachzuahmen. Es ist das Ideal eines Lichts ohne Wärme, das hier verwirklicht ist, freilich nur in einem bescheidenen Grade hinsichtlich der Leuchtkraft. Unsere häufigsten Leuchtkäfer gehören zu der Gattung LamphriS und ihr bekanntester Vertreter ist daS Johanniswürmchen. Es gibt aber noch mehrere andere Gattungen von Leuchtkäfern, auch in anderen Weltteilen. Ein Mitarbeiter der„Nature * hat eine Uebersicht über die neuesten Forschungen an zwei dieser Gattungen PhotinuS und Lecontea gegeben, die sich gerade darauf gerichtet haben, den Zweck der Leuchtorgane für die Tiere selbst festzustellen. Bei wenigsten? vier Arten ist eS danach unzweifelhaft nachgewiesen, daß das Leuchten eine Funktion im Geschlechtsleben übernimmt. Unmittelbare Beobachtungen haben gelehrt, daß die Männchen und Weibchen der Gattung Photinns Lichtsignale miteinander aus« tauschen, vermöge derer sie sich suchen und finden. Ein Aufleuchten deS Weibchens z. B. wurde unmittelbar durch einen Lichtblitz de? fliegenden Männchens beantwortet, das sich dann zu Boden fallen ließ, wieder ein Lichtsignal aussandte und nach dessen Beantwortung sich dem Weibchen durch einen weiteren Flug näherte. In vielen Fällen gelang es sogar, die Weibchen zu täuschen. Wenn man nämlich ein Zündholz abbrannte und im Kreise herumschwang, um die Flug- bewegung deS Männchens nachzuahmen, so antwortete daS Insekten- Weibchen in der beschriebenen Weise und unterlag sichtlich dem Be- trug. Bis zur Beantivortung dieses künstlichen Lockmittels ver- gingen höchstens zwei bis fünf Sekunden. Ebenso ließ sich eine ganz kleine elektrische Lampe für solche Täuschungen verwenden, und übrigens erlagen ihr die Männchen ebenso leicht wie die Weibchen. Die Lampe konnte sogar bis auf einen Meter und noch weniger an das signalisierende Männchen herangebracht werden, ohne daß dieses den Betrug merkte. Ein Punkt aber hat sich bisher noch nicht auf- klären lassen. Die Männchen des Leuchtkäsers müssen noch eine be- sondere Fähigkeit besitzen, das Leuchten des Weibchen? von dem anderer Männchen zu unterscheiden, denn es ist niemals be- obachtet worden, daß ein fliegendes Männchen sich zur Erde nieder- gelassen hätte, wenn einer seiner Geschlechtsgenossen in der Nähe sein Licht spielen ließ. Ebensowenig antwortet ein Weibchen auf daS Leuchten eines anderen Weibchens. Dieser Umstand erscheint um so merkwürdiger, als doch beide Geschlechter sich durch künstliche Lichtquellen ganz anderer Art wie das Streichhölzchen oder die elektrische Lampe täuschen ließen. Außerdem ist jetzt festgestellt worden, daß daS Gewebe de? Leuchtorgans seine Leuchtkraft behält, wenn es im lustleeren Raum in Wafferstoff getrocknet wird. Sogar nach anderthalb Jahren noch konnte das Leuchten von neuem hervor- gerufen werde», wenn das Gewebe wieder befeuchtet wurde, und zwar um so stärker, wenn zur Befeuchtung nicht Wasser, sondern Wasserstoffsuperoxyd benutzt wurde. Endlich hat man beobachtet, daß die Gewebe noch nach dem Tode des Insekts einige Zeit fortleuchten können. Dagegen ist eS bisher nicht gelungen, die chemische Natur des Leuchtstoffs zu ergründen. Aus dem Gebiete der Chemie. Arsenik in Nahrungsmitteln. Wenn von Arsenik die Rede ist, wird den meisten Leuten alsbald Angst, als könnte eS sich nur um Vergiftungen handeln. So stark aber die Giftwirknng dieses Stoffes' in größeren Mengen ist, so wenig kann eS unter allen Umständen als schädlich bezeichnet werden. Besteht doch sogar in manchen Gegenden der Ostalpen beim Volke die Sitte des Arsenik- essenS, wobei mancher unbeschadet alt und grau wird. Außerdem hat auch die Medizin, die freilich viel mit Giften arbeitet, auch das Arsenik zu Kuren benutzt, die namentlich durch Förde- rung der Eßlust zur Erzielung eines besonderen Ernährungszustandes führen sollen. Man weiß jetzt auch seit geraumer Zeit, daß die Natur bereits diesen Weg gewissermaßen anzeigt, denn das Arsenik gehört zu den meistverbreiteten Stoffen aus der Erde. Wenn dem Menschen die Aufnahme von Arsenik schon in kleinsten Mengen schädlich wäre, müßte er sich von den meisten seiner gewohnten Speisen trennen. Schon um daS Jahr 1850 wies Stien den Gehalt von Arsenik in der Asche des gewöhnlichen Kohls, der Rüben und der Kartoffeln nach, später auch im Leinengewebe und im Roggenftroh. Der berühmte Chemiker Armend Gautier hat vor einigen Jahren übrigens gezeigt, daß Arsenik überhaupt einen Bestandteil des gesunden Menschen und Tierkörpers darstellt. Jetzt haben zwei Chemiker der Pariser Akademie der Wissenschaften die Ergebnisse neuer Unter- suchungen über den Arsenikgehalt in Nahrungsmitteln vorgelegt, und daraus geht hervor, daß Pilze 6 Milligramm Arsenik in je einem Gramm enthalten, schwarze Trüffeln sogar 20. japanischer Reis 7, gewöhnliche rote Bohnen 25, weiße Bohnen 10. graue Erbsen 9, Linsen 10, Artischocken tO, Zichorie 10, Lattisch 23, Spinat 9, grüne Erbsen 4, Sellerie 10, Karotten 5, Blumenkohl 8, Spargel 10 Milligramm usw. Sehr erheblich ist auch der Arsenikgehalt in Nüssen, geringer in frischem Obst._ Perantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Verlag: VorwärtsBuchdruckeret u.VerlagSanstaltPaulStNgerSiCo., Berlins� .
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29 (3.7.1912) 126
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