lauter Zorn..Nnterstiah'n soll er sie, der Zoch, der verdammte!"schrie er empört.„Bauer bin i da! Verstanden! Und übergebenwird nitl Könnt' mir einfallen! Wir haben Schulden g'nuaauf'm Hof und fretten uns kaum durch! No a Kutt(Schar) Fratzenerhalten und si no mehr schinden und plagen! Dös gibt's nit!Dös erlaub' i nit, so lang i leb'! Verstanden?"„So beruhigen Sie sich doch nur!" bat ihn der Oberlehrerganz ängstlich. Der Jos erholte sich nach und nach von seinemZorn und setzte sich wieder auf die Ofenbank.„Sagen Sie mal,"— fing Dr. Bünting aufs neue an—„wenn nun ein guter Freund oder Anverwandtet stirbt, was machenSie da?"..I? I geh' abi auf Tschars zum Begräbnis und nachher zumUnterwirt zur Zehrung(Leichenschmaus)!"„Ja— und Ihre Seele? Haben Sie denn keinen Seelen-schmerz?" fragte der Oberlehrer innerlich empört.„EmpfindenSie denn gar nichts?"«Raa!" sagte der Zapfen Jos grob.„Aber heute zum Beispiel muß Ihnen doch anders zumutesein wie an einem gewöhnlichen Tag. So gewissermaßen feierlich."„Raa!" erklärte der Jos.„Wir haben doch morgen Ostersonntag. Das Fest der Aus-erstehung in unserem Glauben und in der Natur. Da müssen Siedoch wenigstens ein erhebendes Gefühl haben!"„Naal" erwiderte der Jos.„Aber Sie müssen doch noch irgend einen Sinn für die Feier-tage des Jahres haben, die Sie über den Alltag emporheben!"„Dö verflixten Feiertag' kann i überhaupt nit leiden undOstern schon gar nit. Weil loa Arbeit g'schieht im Haus. Jatz hatman grad' auf'm Feld z'tuan. Und da kommen oan' dö damischenFeiertag' alleweil dazwischen!"„Sie sind aber wirklich ein roher Mensch!" entfuhr es jetzt demOberlehrer in ehrlicher Empörung.„Was bin i?" fragte der Jos mit einem gewissen unheimlichbissigen Ausdruck im Ton.„Ein roher Mensch! Kein Gefühl, kein Herz, keine Seele!"rief der Oberlehrer.„Dös werd' i Dir g'rad auf die Nasen aufibinden, was i mirdenk'! Du Tolm(Dummer Kerl), Du narreter!" schrie der Josnun seinerseits erbost.„Zu was fratschelst mi denn aus? Bistverrückt oder b'soffen?"„Na, erlauben Siel" stellte sich der Oberlehrer in Positur.„Meinst, i rauf mit Dir? Du bist mir viel z' lötz(schwach,minderwertig), Du Loderle!" meinte der Zapfen Jos verächtlich.„Sonst Hütt' i di langst schon beim Kragen g'nommen und beider Stub'n außig'feuertl"„Ja, was für einen Ton erlauben Sie sich denn?"„Du kommst mir völlig vor wie a Spion vom Steu'ramt, weild' gar alles wissen hast wollen!" sagte der Zapfen Jos mißtrauisch.„Ich wollte, ich wäre vom Steueramt!" erklärte der Oberlehrerempört.„Ich würde Sie noch ganz gehörig besteuern!"„Was tatest?" Der Zapfen Jos näherte sich schier unheimlichdem Fremden.Steuer müßten Sie zahlen für Ihre seelische Roheit! Eineeigene neue Roheitssteuer würde ich einführen!"„Neue Steuern tatest einführen, weil wir no z'wenig haben!O du Hearrntuifl, du höllischer, du verfluachter! Hab' i mir doglei denkt, daß hinter der Ausfratschlerei was dahinter steckt!"Den Jos packte schon wieder sein Zorn. Wenn er vom Steuer-amt was hörte, da war er überhaupt nie gut zu sprechen.„Jatzschaust aber glei, daß d' autzikimmst oder i schmeiß' di außi, daßdu di den ganzen Berg abi überkugelst! I will dir schon die neuenSteuern geben, dir! Fragt oan um's Seelenheil aus wia a Pfarrerund nachher tat' si'S lei um a neue Steu'r handeln!"„Sie verstehen mich nicht!" wollte der Oberlehrer einlenken.„O. i versteah di guat, du linker Schächcr du!" schrie derZapfen JoS wütend.„Was sie um's Steu'ramt handelt, dös der-steah' i alles! Außi, sag' i, beim Loch, du Finanzerspitzel! Ha,drum bist grad' zu die Osterfeiertag' auferkommen, weil d' woaßt,daß wir um dö Zeit an neuen Schnaps brennen! Und da möchtestmi gern anzeigen, wenn i epper nit a jed's Lackele richtig ver-steu'r! I kenn' mi schon aus mit dir! Du wärst a h'sondersfeiner mit deiner Seel'l"Der Oberlehrer mochte es nun endlich einsehen, daß es keineweiteren geistigen und seelischen Berührungspunkte zwischen ihmund dem Zapfen Jos gab. Und zu körperlichen Berührungenwollte er es denn doch nicht kommen lassen. Da hätte er demZapfen Jos gegenüber sehr wahrscheinlich den kürzeren gezogen.Er hatte auch gerade den richtigen Moment gewählt, die Stubezu verlassen. Denn hätte er noch länger gezögert, dann würdeihn der Jos sicher hinausgeworfen haben.Noch geraume Zeit, als Dr. Bünting den steilen Berg wiederhinunterstieg, Härte er den Jos hinter sich drein schimpfen.Er kam in keineswegs rosiger Stimmung bei seinen Wirts-leuten drunten an. Die Lust zu weiteren Studien über dasSeelenleben der Tiroler Bauern war ihm vorläufig vergangen.Noch am selben Tage verließ er zur großen Erleichterungseiner Wirtsleute das kleine Dörfchen und beschloß, für Heuerseine Osterreise auf kultivierte Gegenden zu beschränken.Vielleicht kommt er nächstes Jahr wieder und versucht seinGlück in einer anderen Gegend. Es sind ja nicht alle Bauern sogrobe Klacheln wie der Zapfen Jos,In den Verdacht, daß er mit Steueramt oder Finanz in irgend»welchen Beziehungen stehe, darf aber der Herr Oherlehrer nirgendskommen. Denn in diesem Punkte versteht das Seelenleben denBauern keinen Spaß. Da fängt die Volksseele gleich zu kochen gn.Die Grolk berliner Kunft-ausftettung.LDa es zwecklos ist, mit jedem Jahie wiederkehrend eine Klag»über die Unbegrenztheit, die äußere und noch mehr die innere, derMoabiter Ausstellungen anzustimme», fügen wir uns dem Schicksalund nehmen da§, was es in dem Glaspalast zu sehen gibt, alsSymptom des gegenwärtigen Kunstbetriebes. Was da an Bildernbängl und an Figuren steht, gefällt dem Publikum; damit ist dasDaseinsrecht solcher Produktionen gerechtfertigt. Das Publikum willsich ein wenig vergnügen; es möchte Landschaften sehen, heitere»anmutige Gegenden, trotzige Felsen, brausendes Meer; es möchteBildnisse anschauen, interessante Männerköpfe, liebenswerte Frauen?es möchte von Zeit zu Zeit ein geschmackvolles Stilleben vorgesetztbekommen, um dann wieder irgend eine laute Szene aus dem Lebe»oder aus dem Mysterim der Vergangenheit genießen zu können.Geographisches. Nalurwissenschnftliches, Historisches. Psychologisches»ein wenig Romantik, ein wenig Lyrik und dann und wann einDrama, so hat es das Publikum gern. Dagegen läßt sich nichtseinwenden und nichts tun; auch beim Bildermalen und Figuren-aushauen wird die Produktion durch den Willen des Konsumentenbestimmt. Gewiß, die Kunst, wie sie über die Jahrhunderte lebendigbleibt, Michelangelo, Rembrandt, van Gogh, fragt den Teufel nachsolchem ökonomischen Gesetz; auch sie untersteht ihm, ohne Zweifel»dennoch ist das Wesentliche ihres Seins und Bleibens zeitlos. Aberwir sprechen hier ja nicht von Kunst solcher Art; wir spazieren durchden Moabiler Glaspalast, sind artigen Gemütes, sind Publikum undhaben ein wenig Lust an der Produktion der Maler und Bildhauer.ES ist ganz falsch, von dem Maler und dem Bildhauer zu verlangen,daß sie zugleich Künstler seien; es ist aber auch töricht, über einBild oder eine Plastik das Urteil zu sprechen, weil da höchstenSinnes kein Kunstwerl ist. Sind doch auch die meisten Romane»die wir lesen, die meisten Musikstücke, die wir hören, keine Kunst-werke; sie reichen aber gerade hin, dem anspruchslosen Menschen»vielleicht selbst dem verwöhnten, ein angenehmer Zeitvertreib zu sein.Es bat seine Berechtigung, daß man zuweilen in den Kintopp geht.Es kommt nur darauf an. daß man sich dessen bewußt bleibt, ob mairsich just ein wenig vergnügt, ob»tan im Heiligtum der Kunst steht.Dieser Abgrenzungen darf man nicht vergessen; es wäre unwürdig»wollte ich nicht sagen, daß eine Stunde im Kaiser-Friedrich-Museumoder im Aquarium unendlich wertvoller ist, als ein ganzer Tag inrMoabiter Glaspalast. Es wäre aber fanatisch, wollte ich nicht hin-zufügen, daß sich ganz gut und ganz amüsierlich in der GroßemBerliner ein Nachmittag verbringen läßt.Das Mveau steigt. Während der letzten fünf Jahre haben dieMaler viel zugelernt, sie haben sich des falschen Pathos entwöhnt»sind redlich und nüchtern geworden. Der Impressionismus wurdeihrer aller Lehrmeister. Es gibt heute kaum einen Maler, der nichtdurch Mauel oder Monet, durch Menzel oder Liebermann, durchHodler oder van Gogh beeinflußt wäre. ES ließen sich mit Leichtig»keit die Beispiele häufen von Leuten, die noch vor kurzer Zeit blink»waren und hölzerne Finger hatten, und die heute einigermaßen zwsehen und darzustellen vermögen. Der Impressionismus öffneteihnen die Augen und machte ihnen die Hände geschmeidig. Wieleicht wäre es, Linien zu ziehen von Courbet über Leibi undTrübner zu einer ganzen Schar der Heutigen; wie vielemwurde Slevogt, wie vielen Corinth ein Mittler; w»gibt eS einen Straßenmalcr, bei dem wir nicht amPissarro oder an Sisley dächten, wie oft müssen wir"sagen: siehe da, ein kleiner Daumier, ein geschickter Schüler desCvzanne, eine nette Mischung aus Goya und Meunier. Ach ja, waswären diese deutschen Maler der Gegenwart ohne den französischemImpressionismus. Doch, das soll uns jetzt wenig kümmern; wirsind zufrieden, durch die Beweglichkeit diesm Augen und Hände wirk-lich etwas vom Lebenstemperament der modernen Zeit zu spüren»wir sind es doppelt, weil solcher Vortrag zugleich mit einigem Ge»schmack geschieht. Das ist das zweite: unsere Maler und Bildhauerfind geschmackvoller geworden. Das geschab nicht nur darum, weilsie der Natur näher kamen; sie wurden durch die Absichten und Er-folge des modernen Kunstgewerbes beeinflußt. So etwas hates schon früher gegeben; die Maler des Rokoko, auch dieum Terborch und Vermeer haben ohne Zweifel von demprofitiert, waS damals die Architekten und die Dekorateure derJnnenräume machten. Das hat sich nun wiederholt. Man malt,man kann es kaum anders, milde Farben, und wenn die Töne schomkräftig angeschlagen werden, achtet man darauf, daß sie musikalischzusammenklingen. Es wirft in den Bildern, auch in den Figurender Heutigen, selbst in denen der Vielen und Vielzuvielen. ein ge-wisser, erträglicher Grad kultureller Erzieh mg. Diese Zunahme anBildung und guten Manieren hilft wesentlich dazu, das Niveauunserer Maler und Bildhauer als ein gehobenes, durchaus erträg-liches, beinahe sympathisches, erscheinen zu lassen. Wobei mannur nicht vergessen darf: daß die Kunst dort anhebt, wo da» Niveauaufhört.