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Der Vater war erschrocken aufgesprungen, als er den kurzen jähen Schrei seines Sohnes gehört... Jm nächsten Augenblick ftand er vor der zusammengebrochenen Gestalt... So stand er nun, nur ein paar winzige Sekunden, vornübergebeugt, leichenblassen Gesichts, die eine Hand hielt noch ein herausgelöstes Blatt des Rolportage- Romans die andere tastete instinktiv nach einent Fasse, um sich festzuklammern

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lider empor zum letztenmal schlug die wahnsinnig gewordene zu sammeln, ist nie ganz ungefährlich; darum nicht, weil leicht Welt da draußen in seine Seele dann tamen die Schatten das Thema für wichtiger gehalten werden kann, als die Malerei. dann tam die Nacht es war alles tot, ausgelöscht in schwarzer Es hätte geschehen können, daß man nur Illustration, mehr Finsternis untergegangen Photographisches als Künstlerisches zu sehen bekam. Das ist ver mieden worden; was wir hier an deutscher Landschaft anschauen, ist mehr als Geographie und Heimatkunde, ist: ein Stück Natur, gefehen durch ein Temperament". Da ist Hans Thoma  , der sich mit Liebe in die Melodie des verträumten Besigheim   einfühlte; das war schon 1869, ein sicheres Zeichen dafür, daß der deutschen  Malerei die Tradition der Landschaft nie verloren ging. Dieser frühe Thoma und daneben ein gleichfalls sehr frühes Bild von Doch da bückte er sich schon und hob mit bebenden Armen das Wilhelm Trübner   lassen leicht Entwickelungslinien ziehen ohnmächtige Kind in die Höhe. Er drückte es an die Brust, küßte rückwärts zu Ludwig Richter  , Dahl und Caspar David Friedrich  , es auf den Mund, rief es in wehmütigem, flehendem Tone mit vorwärts zu der Landschaftsmalerei unserer Tage, zu Kallmorgen  , allen möglichen Rosenamen, die ihm seine Angst, seine grenzenlose Kaldreuth, Ullrich Hübner. Das will beachtet sein. So sehr wir Aufregung eingab: Karl! Karlchen! Was hast du denn ge- wissen, was wir dem französischen   Impressionismus zu danken macht, mein Liebling! Ach Gott  ! Ach Gott  ! Oeffne doch mal haben, so können wir doch getroſten Mutes behaupten, daß niemals, die fleinen Gudaugen! Na mach doch! Na mach doch!... Willst du nicht, selbst nicht im Schatten Mackarts und Piloths die Seele der deut­Karlchen?" Und immer lauter und dringender wird seine Sprache schen Landschaftsmalerei gang tot war. Wobei man hinter dem aber Karl liegt wie tot in seinem Arme- er rührt und regt sich scheinbar romantischen Begriff der Seele so etwas verstehen muß nicht die Aermchen hängen schlaff herab, die Augen sind fest ge- wie Erdgeruch, Voltsgefühl, Musik der Vögel, der Wasser und der schlossen, ein paar große, dicke Tropfen eiskalten Schweißes laufen Winde, das Ungefähr des Findens und die Treue der Hingebung. matten Ganges   von der kleinen Stirn über die eingefallenen Solche Größe lebt nicht in allen, von denen wir hier deutsche Land Wangen   der Puls geht ganz leise, kaum hörbar.. schaft gemalt sehen; aber doch in so manchem. Sie lebt in Schön­Nun steht der Vater in seinem fleinen, fühlen, fahlen Haus- leber, der mit rührender Zärtlichkeit, zuweilen mit einem dra mannszimmer, in dem es so ungemütlich ist, wie in dem engen, matischen Aufraffen, die weitgespannten Hügel, die schäumenden, dürftig möblierten Wartesalon" einer kleinen Bahnstation durch den Fels sich fressenden Wasser und die am Ufer Hochklettern­Er setzt seinen Knaben aufs Bett... Behutsam, ganz be- den Häuschen der oberdeutschen Lande malt. Solche Größe ist hutsam... Dann nimmt er vom Tisch ein bestaubtes Wasserglas nicht so sehr bei Ernst Liebermann   zu spüren; dem wird an der einen Stelle seines Randes war schon ein Stück heraus- die Landschaft gar so leicht zu einem Ornament, zu einem Spiel gebrochen, das fast wie herausgebissen aussah und läuft nach der Gegensätze. Er sieht das Mondlicht im Park von Nymphenburg  , dem Hof zurück, um es am Brunnen mit frischem Wasser zu sieht es als Ringelreih, mehr elfisch als elmentar. Er braucht füllen Effekte, grelle Spiegelungen, Schattenbilder, seltsame Beleuchtun= Er ist zurück und besprengt nun die Stirn feines Kindes mit gen; er ist mehr geschickter Illustrator als fühlender Maler. An der talten Flüssigkeit... Er streicht die Haare zurück und benett solchen scheinbar geringen Unterschieden entscheidet sich oft ja immer auch die Schläfen Dann schüttelt er es einige Male hin und das Wesen der Kunst. Die Nüance ist alles, fie aufzuspüren, schafft her- und nun endlich schlägt Karl seine Augen auf langsam, unbändiges Vergnügen. Da ist Adolf Hölzel  , der Dachau  ganz langsam ziehen sich die Lider in die Höhe, um sogleich wieder malt, milchig, flimmernd, in weicher Müdigkeit versunken. Das zurüdzufallen. Aber der Junge hat die Augen doch wenigstens einmal ge- harten, flar hingesetzten Binselstrichen ein Bild von Säckingen   auf­neben hängt Artur Grimm  , ein Trübnerschüler, der aus öffnet. Der Bater läßt einen fleinen Teil seiner Angst fahren... baut. Ein Hoffnungsfünfchen blitt wieder in ihm auf. Da ist Starbina, der den verwackelten, armseligen Aber was soll werden? Das Kind kann doch hier nicht liegen alte Frau mit Runzeln und Schicksalszügen abschreibt. Drubenhof aus Alt- Hamburg porträtiert, so etwa wie man eine Daneben bleiben. Unmöglich! Es muß nach Hause ins Bett! die Obhut der Mutter!. Aber der Mann ist allein... Die von dem jungen Lucien Blumer   lockre, lustige, aus Farb­Pflicht bindet ihn ans Haus... Um zehn Uhr erst kommt der tupfen zusammenlebende Bilder von Straßburg  . Heinrich Wer­Arbeiter, der heute hier schläft... Und jetzt geht es erst auf acht! spürt die Hast unseres Jahrhunderts. Albert Hertel   malte ner nußte Frankfurt am Main   für eine nervöse Hieroglyphe; man Noch über zwei Stunden!. O Gott!... um 1840 etwa den Hafen von Düsseldorf   mit trockner Behäbigkeit, waren damals noch naive Zeiten. Kallmorgen ist schon ein mit geschulter Sorgfalt und doch mit freudigem Erstaunen. Das ganz Bewußter. Er ist eine Mischung aus vielen. Selbst von Art, wie er den Schnee macht, wie er zuweilen eine Farbe aus dem den späteren Franzosen hat Kallmorgen gelernt, das zeigt die Schwarz lockt. Beinahe ein Franzos; und doch denkt man vor seinen Bildern zuweilen, wenn auch nur einen Augenblick, an Lucas Cranach  .

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Da schlägt Karl die Augen wiederum auf... Sie bleiben etwas länger geöffnet als vorhin Und auch der Blick ist schon weniger starr und teilnahmslos Und da! Bewegen sich da nicht die Lippen? Der Knabe bemüht sich, etwas zu sprechen Aber er besitzt die Kraft nicht, die Worte deutlich und verständlich über die Lippen zu bringen

Mein Karl! Sag, willst Du was?..."

Der Blid des Knaben wird ein wenig intensiver... Die Ge­fichtszüge verlieren ihr apathisches Aussehen, sie nehmen eine leichte Spannung an, das Auge macht eine mehr angedeutete als ausgeführte Neigung..

Trinken, ja?"

Wiederum ein mattes Nicken..

Der Bater nimmt das Glas und seht es an die Lippen des Knaben. Der richtet sich ein klein bißchen in die Höhe und nippt dann ein paar Tropfen!... Dann fallen- die Augenlider wieder herab, die Mienen verlieren ihre Gespanntheit, sie werden von neuem schlaff, apathisch.

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Der Bater sitt vor dem Bette und starrt auf sein Kind Er kann nichts tun, das wurmt ihn mächtig Der Doktor! Aber heute ist Sonntag, da spannt der geplagte Mann auch einmal aus... Das arme Kind!..

Da durchzuckt ihn eine Vermutung. Bielleicht kommt die Mutter, den Knaben zu holen! Es muß ihr doch auffallen, daß er über die Zeit hinaus bleibt! Sie muß doch ängstlich, doch be­forgt werden! Aber wird sie von Hause weggehen können? Sie wird zu tun haben... Aber vielleicht kommt sie doch! Der Mann hofft es zuerst... Dann wird es ihm immer mehr zur Gewißheit. Zuerst erwartet er seine Frau, als hätte sie fest ver­sprochen, den Jungen abzuholen.

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Wir kommen in den großen Saal, in dem zumeist Plastik steht. Es hängen auch einige Bilder darin. Eine nach Quadratmeilen zählende Leinewand bemalte Hugo Vogel   mit der Prometheus­angelegenheit. Leere und Hilflosigkeit gähnt uns entgegen; es sind auf diesem Bilde mehr Löcher als Figuren, es fehlt der Rhythmus, der Linienzug, der die Massen zusammenzwingt. Gegen über hat sich William Pa pe versucht; sein Objekt war die Budgetkommission. Ein guter Photograph macht so etwas weit besser.( Es scheint doch das Kunstgefühl nicht unbedingt eine Wiegen­gabe des Parlamentes zu sein.) Was nun die Plastiken dieses Saales betrifft, so sieht es damit recht böse aus. Es machen sich zunächst einige Muskelmänner von Franz Meßner bemerkbar; sie sind weit mehr absonderlich gewollt, als kraftvoll gekonnt. Das Gleiche gilt von einer Halluzination, die den Otto Illemann plagte, und die er als Mar Klinger deuten möchte: ein grauftger Rübezahlkopf sprang aus dem Stein und dazu eine gefährliche Fauft. Das möchte Symbolik sein und Vision des Blutes, ist aber nicht mehr als aufgeblajene Buckerbäckerei. Der Jllemann mag es gut meinen; er werde ein bescheidener Schüler Rodins. Das Harmlose gelangt immer eher an das Ziel als das Dämonische; die Brunnen figur des Lewin Funde ist eine sehr sympathische Arbeit. Rein auf den Stil gesehen, ist sie zwar nicht ganz klar; das knieende Mädchen zeigt durch das, über den rechten Oberschenkel fallende, den Beugungswinkel verdeckende Tuch und durch die Art, wie der Kopf dazu benutzt wurde, die von den erhobenen Armen umspannte Oeffnung zu mindern, deutliche Tendenzen zum Relief; das be­unruhigt, da offenbar eine Rundplastik angestrebt wurde. Doch finden sich soviel schöne Einzelheiten, doch hat das Ganze eine so weiche Anmut, daß man darüber solche Dissonanzen vergißt. Da Es war ein guter Gedanke, eine Reihe deutscher Städte- neben könnte man noch die Salome von Damman und den Akt bilder zusammenzustellen; man trifft sie in dem sogenannten einer Siebzehnjährigen von Ernst Seger   erwähnen. Damit Ehrensaal. Solche Methode, Bilder nach einem bestimmten Thema wäre dann dieser Saal erschöpft. Um die Plastik im Zusammena

( Schluß folgt.)

Die Große Berliner Kunft­ausstellung.

II.