Senat stand in der Stube vor dem Schormayer; sie hatteein Lächeln in den Mundwinkeln, als sie nun fragte:„Was willst na von mir? Du Host g'sagt, i soll kemma."„Ja so. I Hab g'hört. d' Ursula hat di ausg'schasft?(ausgeschimpft)"„Freili! Heut in da Fruah, woaßtl Sie hat ja all'sg'hört. geschtern auf d' Nacht. I Hab dir's glei g'sagt, daß..„Vo geschtern woaß i nix mehr. Desweg'n Hab i di netkemma lass'n."„Net? Ja, was..„Was i dir sag'n will, is dös, daß du bis Liachtmeß'sBleib'n Host."Zcnzi kicherte.„Du. patz auf, aba wenn..."„Daß du bis Liachtmeß bleib'n kost, Hab i g'sagt, unddesweg'n brauchst it«so dumm lacha. Zum Lacha gibt's garnix. So. und jetzt gehst Wieda außi und machst dei Sach mitOrdnung!"Zenzi schaute ihn verblüfft an; er drehte ihr den Rückenzu und sah zum Fenster hinaus.Da sagte sie recht kleinlaut„Adjähl" und schlich lautlosin den Flötz und schloff wieder in ihre Pantoffeln undklapperte in den Hof hinaus.„Gar so viel müassen s' net dischkriert Hamm," sagte derLenz in der Küche.„Dös ander sagt er ihr nacha scho auf d' Nacht bal erWieda aufischliaft," antwortete Ursula.(Fortsetzung folgt.)Eine Szene aus dem Kinderleben.Von Hermann Conrad i.(Schluß.)Aber es geht eine Viertelstunde nach der andern hin, und dieMutter kommt nicht. Es ist schon neun Uhr. Der Mann wirdschon ärgerlich auf seine Frau. Was ist das für eine Mutterl Hatsie nicht einmal so viel Liebe für ihr Kind, daß sie die paarStraßen weit herhuschen kann, nach dem Knaben zu fragen?Da liegt der kleine Karl nun, auf dem harten Hausmanns-bett,— er schläft ja,— Gott sei Dank!— Aber sein Atem gehtdoch beängstigend schnell— er raffelt so eigentümlich— und danndie Röte auf den Backen und die eingefallenen Augen, die tief inihren Höhlen liegen und schier unheimlich aussehen in dem trüben,verschwommenen Licht der Lampe— unheimlich wie die Augeneines Toten...Jetzt ist es halb Zehn— und da schlägt die Klingel an, dieoben in- der Zimmerecke hängt. Der Mann zuckt zusammen. Esist ihm, als käme da einer— einer, der— o Gott! Wer stehtdraußen vor der Tür? Wer begehrt Einlaß? Der Vater starrt er-schrocken auf sein Kind... Er hat in den letzten Minuten einwenig vor sich hingeträumt— nun muß er sich erst wieder zurecht-finden... Unwillkürlich ist er etwas näher ans- Bett herangerücktund hat die eine Hand auf die Decke gelegt... Geht da nicht dieTür auf? Nein! Aber die Glocke schlägt noch einmal an— undjetzt ist der Mann wieder ganz klar bei Verstände— er weiß,draußen steht die Mutter und verlangt nach ihrem Kinde...Er stürzt hinaus und zieht den Riegel zurück...„Wo ist der Junge? Ist was passiert?..."„Passiert? Er ist drinnen bei mir..„Warum hast Du ihn denn nicht nach Hause geschickt— Duweißt doch, daß ich mich tot ängstige!"„Ich habe hiedmuch schöne Angst ausgestanden!'«Allmächtiger Gott? Was ist denn?"„Karl ist krank..Jetzt stehen die beiden bor ihrem Kinde. Die Mutter kannkaum ein Aufschreien unterdrücken. Wie sieht der Junge aus!Wie'ne Leiche!... Er stirbt ja!„Aber was hat er denn nur gemacht, Karl?"«Schrei nicht so? Der arme Wurm will schlafen."«Aber was machen wir denn mit ihm?"„Was wir machen!'ne Frage! Du nimmst ihn auf den Armund trägst ihn nach Hause. Das ist das einzig Vernünftige...Hier kann er nicht bleiben, Wilhelm kann alle Minuten kommen—und ich will nicht, daß er me-ckt, der Junge hat im Bett gelegen.Also fix!..."„Aber ich kann ihn doch nicht so tragen— ohne Tuch— ohnealles—'s ist windig— und das Kind hat Fieber— sieh doch bloßmal, wie rot die Backen sind! Und— ach Gott— die kleinenheißen Patschhändchen!... Das arme Kind!..."Der Mutter laufen die hellen Tränen aus den Augen...�«.Na! Flenne nicht, Weib! Das hilft nichts!.., Der Jungemuß nach Hause— ins Bett— ich komme gleich nach zehn— vielleicht ist der Doktor irgendwo aufzutreiben— will nachher malhingehen!..."„Aber ich habe ja kein Tuch! Und der scharfe Wind!..„Nimm Deine Schürze nnd wickle den Jungen fest ein— bisdahin wird es gehen— dann packst Du ihn gleich ins Bett undmachst kalte Wasserumschläge— es ist doch nun mal nichtanders!..."Die Mutter bindet die Schürze ab. Dann zieht sie den Knabenaus den Kiffen auf den Arm... Der läßt alles ruhig mit sichgeschehen... Die Augen bleiben geschlossen. Die Aermchen hän->gen schlaff herab, der Kopf fällt auf die Brust nieder...Die Mutter kann sich nicht enthalten, einen Kuß auf die Lippenihres Kindes zu drücken.„Mein liebes Kärtchen, was hast Du nur gemacht!..."Dann schlägt sie mit der Rechten die Schürze um den schmäch-tigen Leib des Knaben und vermummt ihm das Gesicht. Nur daskleine Stumpfnäschen guckt noch heraus und die Füße sind ficht.bar... Dann geht es nach Hause. Die Frau läuft so schnell siekann. Die Luft ist empfindlich kühl und der Wind ziemlich scharf, be-sonders an den Ecken. Und sie muß oft genug um eine Ecke biegen.denn in dieser Stadtgegend setzt sich Gäßchen an Gätzchen— einbuntes verschwommenes Gewirr enger, schmutziger Straßen undunappetitlicher Gaffen!...—Der Mann ist wieder in sein nüchternes, kahles Zimmerzurückgekehrt. Er atmet unwillkürlich auf. Gott sei Dank! ESist ihm doch nun ein wenig leichter, wo er weiß, daß sein Kind nachHaufe kommt. Nun hat er doch nicht mehr allein die Verant-wortung!Er tritt ans Bett und streicht und zupft die Kissen zurecht.damit keiner merken soll, daß schon jemand darin gelegen...Dann setzt er sich an den Tisch und schraubt die Lampe höher.Sein Blick fällt dabei auf die Blätter des Schundromans. Soller weiterlesen? Er hat eigentlich nicht besonders Lust... Aber'nbißchen Ablenkung wäre auch ganz gut... Er will sich aufandere Gedanken bringen. Und er beginnt zu lesen. Auf derersten Seite hält er noch öfter inne, blickt auf— ihm ist's, alsmüsse er sich nach dem Bett umsehen, ober der Junge schlafe—ob das Fieber nachgelassen... Dann erinnert er sich, daß Karlja jetzt zu Hanse sei... Ach! Es wird nicht gleich so schlimm sein!Morgen früh ist wieder alles in Ordnung. Der kleine Karl kannzwar nicht viel vertragen, aber immerhin!... So'n bißchenHitze! Das hat jedes Kind mal...Und er liest weiter... Es ist halb Elf. Da fährt wiederein leises Raffeln durch den Draht und gleich darauf schrillt dieKlingel auf...Aha! Wilhelm! Nun kann er nach Hause gehen. Ja! Er willes sofort tun. So ganz gelegen kommt ihm zwar sein Kollege nicht.Er hätte gern noch'n paar Seiten weitergelesen. Die Räuber-geschichte wird immer spannender. Aber seine Frau wartet— esist doch Keffer so!... Er öffnet die Tür. Wilhelm kommt undbringt noch einen dritten mit.„'n Abend, Karl!'n bißchen später geworden— haben erst nocheinen bei Toppen geschmettert— Du spielst doch mit? Wollennoch'n kleinen Skat machen! Fix!..."„Nee, Wilhelm— laß nur heute äbend— ich muß nach Hause— meine Frau wartet— und Karl, mein Junge, ist auch nichtwohl— ich habe rechte Angst..."„Ach was! Der Junge hat auch immer was! Das hört gar nichtauf. Da wird Deine Frau schon fertig werden! Komm nur!"Und der Mann läßt sich von seinem Kollegen verleiten. Ober nun'ne halbe Stunde früher oder später kommt, ist egal! Erhat heute abend genug ausgestanden. Er kann sich'ne kleine Er-holung gönnen. Ach was! Was kann das schlechte Leben helfen!Und dann! Der Wilhelm hat wirllich recht, der Junge hört nichtauf, zu guengeln! Wie hat der kleine Bengel ihm schon das Lebenverbittert! Warum muß er gerade so'n Wurm zum Kindehaben? Wie oft hat er sich das schon gefragt! Und immer wiederhat er sich abfinden müssen. Er wird sich auch heute abfinden—ja! Und das geht aus die leichteste und bequemste Weise, indemer sein ganzes Unglück zu vergessen sucht. Da stehen seine Kum-pane und fordern ihn auf,'n Skat zu machen und einen Schnapshinter die Binde zu gießen. Gut! Er wird's tun!Er tut's. Die drei setzen sich an den alten, abgenutzten, wacke-ligen, verrenkten Tisch und spielen ihre Naht runter...Es geht auf Zwölf. Die Schnapsflasche, die der Dritte, deretwas tolpatschige Gustav, Wilhelms Schwager, aus seiner schmie»rigen Rocktasche geholt, ist so ziemlich leer. Sie haben alle dreitapfer zugesprochen. Man merkt ihnen die Wirkung des Alkohol?auch an. Die Gesichter sind rot, aufgedunsen, die Augen gläsern.die Stimmen sind schärfer, kreischender, abgebrochen, heiser, die Bc-wcgungcn eckig, hart, unsicher..Karl scheint am meisten„weg" zuhaben. Seine Zunge geht am schwersten und seine Reden sind amunklarsten... Das ist kein Wunder. Er hat seit Mittag keinenHappen gegessen, und nun den Alkohol in den nüchternen Magen:das berauscht doppelt schnell und doppelt stark. And dazu die Stickluft in dem engen Zimmer, der Schnapsdunst, der ekelhafte, stin-kende Qualm aus Wilhelms langer Pfeife, die Aufregung beimSpiel: Alles wirkt zusammen, seine Gedanken immer verwirrterzu machen, seine gerstigen und körperlichen Funktionen immermehr aus dem gewohnten Gleise zu drängen,., s