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würde das sicher begreifen, er war ja ein intelligenter Mensch. Junzähligen und unablässigen Sturmläufe gegen den schlimmsten Fontanara zudte die Schultern und versuchte sich einzureden, daß Böig"( ein gespenstisches Ungeheuer des Nordens, das sich dem die ganze Sache eine Bagatelle war. Es wollte ihm nicht glücken. Wanderer als ein unsichtbares, schleimiges Etwas um die Füße Ein Dorn hatte sich ihm ins Herz gedrückt, saß noch dein und legt), der dem menschlichen Forschungsdrang jedesmal den Weg ver­schmerzte: Der Abendländer hatte an seinem orientalischen Freund sperrt hat: das taufends und abertausendjährige Eis, jene breite nicht recht gehandelt. und feste Mauer um die Geheimnisse des Nordpols. Aber trotz aller tragischen Geschicke, die so viele entmutigt und unterrichteter Sache umkehren ließen, sind die Angriffe immer und immer wieder aufgenommen worden und werden bis auf den heutigen Tag erneut. Und diese unermüdliche Ausdauer hat, wenn sie den Böig auch nicht überwinden konnte, ihn doch gezwungen, einen Spalt zu öffnen, durch den man tief in seine Geheimnisse hineinsehen konnte.

Es läßt sich nicht ändern," dachte der Archäologe. Was hatte außerdem er, der Forscher in den Schäßen der Vergangenheit, mit der Jektzeit und ihren Menschen zu schaffen? Er war seiner Wissenschaft halber gekommen und wurde durch das Zutun Außen­stehender vertrieben. Er war ein Opfer ungünstiger Verhält­nisse basta! Fahr wohl, Yussuf. und nun nichts mehr davon!"

Fontanara schloß die Augen und versuchte zu schlafen. Die Räder ratterten eintönig unter ihm, bei jedem Schienenstoß lärmte es stärker, das Holzwert des Wagens fnadte, die Fensterscheiben flirrten. Der Archäologe nidte willenlos im Taft mit den ver­schiedenen Tönen. Es war ihm nicht möglich einzuschlafen, aber er war auch nicht völlig wach. Wie er so dasaß, zog eine Reihe von Bildern an seinem halbdämmerigen Bewußtsein vorüber. Das Leben, mit dem er sich vertraut gemacht hatte, Anschauungen und Denfungsarten so fremd und unfaßbar, daß er es nicht mal ver­sucht, sie zu begreifen. Und aus dem bunten Wirrwarr trat regel­mäßig Yussuf Salis Gestalt hervor. Aus den Augen des Mannes leuchtete die stumme Frage:" Du gehst doch nicht für immer?" Fontanara versuchte sich aufzuraffen. Bah!" jagte er. Das Beste, was geschehen konnte, ist geschehen." Jezt wünschte er außer­Sem, nach Hause zu kommen. Der Gedanke war faum gedacht, als ihn auch schon eine ganz unbernünftige Sehnsucht befiel. Nach Hause!" sagte er laut. Nach Hause!"

Der Dolmetsch fuhr aus seinem Schlummer auf und wie ein Echo tlang seine verschlafene, ein wenig schleppende Stimme: Nach Hause!"

Zwischen den beiden Männern entspann sich ein Gespräch. Fontanaras heftige Sehnsucht fand Widerhall bei dem andern. Er war in Kleinajien geboren, hatte niemals Europa   gesehen, aber er betonte das mit besonderem Nachdruck er sah sich als Euro­päer an. Die weichen C- Laute in seiner Aussprache berrieten den Venezianer. Fontanara hörte, daß der Mann nichts sehnlicher wünschte, als über seine Herkunft befragt zu werden. Es zeigte fich bald, daß der Vater ein Oesterreicher gewesen war. Der Dol­metsch hatte offenbar höchst unklare Begriffe von dem Unterschied avischen italienisch und österreichisch. Wenn sein Vater auch noch so sehr lehterem Land angehört hatte, sein Sohn mit der orienta­lischen Mutter wollte Italiener sein.

Patriot, Signore," sagte der Mann beinahe mit Tränen in der Stimme. Italiener... Sie sehen es wohl ein?" Impulsiv bot ihm Fontanara die Hand, und die beiden Fremd­linge wechselten im Dunkeln einen langen, verständnisinnigen Händedruck.

( Fortiehung folgt.)

Wie ich Polarfabrer wurde.")

Bon Roald Amundsen  .

Eine gewaltige Spalte wurde in die Eismauer geschlagen, als Nordenskiöld die Nordostpassage   ausführte und damit das Festland Afiens dem Griff des Böig entriß. Schon ein Menschenalter früher hatten John Franklin   und die Franklin- Expeditionen die Gewißheit mit heimgebracht, daß sich dem ganzen Lande der nordamerikani­fchen Küste entlang ein Streifen offenen Meeres befinde; und gar mannigfaltig find die anderen Breschen, die mutige und geniale Polarforscher geschlagen haben in ihrem Bemühen, die Welt aus dem geheimnisvollen Dunkel über den Norden zu befreien; große Opfer sind auch dafür gebracht worden, und ganz besonders für die Nordwest paisage.

Wohl keine Tragödie des Polareises hat die Menschen so tief ergriffen wie die von John Franklin   und seinen Leuten. Keine hat fie so erschüttert, aber auch keine zu einer so erbitterten Wieder­aufnahme des Kampfes angespornt.

Man wußte: es gab einen Seeteg nördlich um Amerika  ; aber man wußte nicht, ob Schiffe hindurchkommen könnten, und noch nie­mand war je von Osten nach Westen hindurchgefahren. Diese un­gelöste Frage ließ die Sache nicht zur Ruhe kommen, hauptsächlich aber einen nicht: den Mann, deffen Seele seit seinen Kindertagen von dem großen Drama der Franklin- Expedition erfüllt gewesen

war.

Gerade wie einst die Bega" die ganze Bassage nach Osten ge­macht hat, so genügte auch die Kunde von jenem Streifen offenen Meeres gegen Weiten allein nicht; fie mußte vorher in ihrer ganzen Länge von ein und demselben Schiffstiel durchzogen werden. Und die kleine Gjöa" war das Schiff, dem diefes Los zuteil wurde. Das hat die ,, Gjöa" sich nicht träumen lassen, als sie auf der Rosendal- Werft zu Hardanger als Heringsjacht gebaut wurde. Ob­gleich dort in den Fjorden so mancherlei geträumt wird!

Und auch er hätte es sich nicht träumen lassen, der fünftige Schiffsführer, als die Berichte über John Franklin   zum erstenmal feine acht bis neunjährige Phantasie gefangen nahmen. Obgleich eine Senabenphantafie gar mancherlei träumt!

Der 30. Mai 1889 wurde wahrlich ein Merktag in der Phantasie Jedenfalls wurde er in der von vielen norwegischen Jungen! meinigen ein Merttag! Es war der Tag, wo Fridtjof Nanfen von seiner Grönlandreise zurückkehrte. An jenem sonnenhellen Tage fam der junge norwegische Stiläufer den Fjord von Christiania  heraufgezogen, die hohe, schlanke Gestalt umflossen von dem Glanze der Bewunderung aller Welt über die Tat, die er ausgeführt hatte, die tollkühne, die unmögliche Tat! Der Mai feierte fein schönstes Lenzfeſt im Fjord, die Stadt feierte mit, das Bolt feierte mit... Ich selbst ging an jenem Tag mit flopfendem Herzen zwischen Flaggen und Hurrarufen dahin. Alle meine jahrelangen Knabenträume waren zu stürmischem eben erwacht. Und zum erstenmal ging es wie ein flares, bebendes Flüſtern durch meine tiefsten Gedanken: Wenn du die Nordwest­Passage zustande bringen würdest!"

Bon jener Zeit an, wo die alten Phönizier beim Morgengrauen umferer Kultur fich an den Küsten des Mittelmeeres entlang gleich fam vorwärts tasteten, bis auf den heutigen Tag sind wißbegierige Männer über unbekannte Meere und durch dunkle Wälder immer weiter borgedrungen. Bisweilen langsam und mit einem hundert­jährigen Stillstand dazwischen, bisweilen aber mit Riesenschritten, wie damals, wo die Entdeckung Ameritas und die großen Welt­umschiffungen die Erdkugel selbst aus dem Nebel des Unbekannten bei meinen Studien zu bleiben. Und so blieb ich. und des Borurteils befreiten.

Dann kam das Jahr 1893. Und Nansen   zog aufs neue hinaus. Und mir war, als müßte ich mit! Aber ich war zu jung. Meine Mutter bat mich, daheim und

Dann starb meine Mutter. Eine Zeitlang fämpfte meine Liebe Sicherlich sind viele Entdeckungsreisende mur von der Sehnsucht zu ihr einen schweren Kampf, ob ich ihrem Wunsche treu bleiben nach den Reichtümern getrieben worden, die sie in unbekannten solle. Aber dann konnte ich nicht anders. Nichts konnte meinen Ländern und Meeren zu finden hofften, ja man fann von den Drang, dem Ziel meiner alten und einzigen Sehnsucht nachzujagen, meisten Entdeckungsreisen behaupten, daß sie ohne die Grundlage unterdrücken; ich warf mein Studium über Bord und beschloß, bon materiellen Zielen und Erwartungen gar nicht zustande ge- die notwendigen langen vorbereitenden Studien in Angriff zu nehmen, die für den Polarforscher durchaus unerläßlich find.

fommen wären.

Neber allen den Forschungen aber, die ihren Weg nach dem Im Jahre 1894 fuhr ich mit der alten Magdalene" als Leicht­ewigen Eise unter den Bolen nahmen, ruht von jeher nicht allein matrose von Lönsberg aus auf den Seehundsfang im Eismeer. der ihnen eigene hohe, reine Glanz von weißen Schneefeldern und Dies war meine erste Begegnung mit dem Eise und sie gefiel wunderbaren Himmelserscheinungen, sondern auch ein Glanz von mir! Die Zeit verging und meine Ausbildung machte Fortschritte. toahrem, ungetrübtem Jdealismus. Wenn man die ausschließlichen In den Jahren 1897 bis 1899 fuhr ich als Steuermann mit der Fischfangexpeditionen( denen übrigens die Polarforschung zu großem belgischen antarktischen Expedition- unter Adrien de Gerlaches Dante verpflichtet ist) ausschließt, darf man wohl ruhig annehmen, daß selbst der überspannteste Phantast den Weg nach dem Polareis niemals in der Hoffnung eingeschlagen hat, dort goldene Berge zu finden.

Jm Dienste der Wissenschaft find fie ausgeführt worden, die *) Roald Amundsen  , der Entdecker des Südpols, hat in der Ein­feitung zu feinem demnächst neuerscheinenden Werk Die Nordwest Baffage", deren Ueberwindung die erste glänzende Probe feiner Fähigkeiten war, selbst berichtet, wie ihm die Erforschung der Bole zum Lebensberuf und Lebensziel wurde. Durch das Entgegen­Tommen des Verlages von J. F. Lehmann in München sind wir in der Lage, dieses Bekenntnis unjereu Leiern vorzulegen.

Leirung nach den südlichen Eisregionen. Und während dieser Zeit reifte mein Plan: ich wollte den Traum meiner Kindheit von der Nordwest- Bassage mit dem wissenschaftlich an und für sich viel wichtigeren Ziel verbinden, die gegenwärtige Lage des magnetischeu Nordpols festzustellen.

Sogleich nach meiner Rückkehr vertraute ich meinen Blan meinem Freunde Ayel S. Steen an, dem zweiten Direktor am meteorologischen Jufiitut. Ich wußte ja selbst nicht, ob die Ziele, die ich mir gefteckt hatte, von genügender Bedeutung feien. Aber er überzeugte mich raich, daß dies der Fall war; und mit einem Empfehlungsbrief von Steen reiste ich nach Hamburg  , im meinen Plan dort der größten zeitgenössischen Autorität in bezug auf Erd­magnetismus vorzulegen, nämlich dem Geheimrat Professor