Die Offiziere verbeugten sich steif, die Ordonnanzen standenstramm. Nur oer Araber kroch in seinem Winkel zusammen, alsob er sich verstecken wollte. Als er das Vergebliche seines Ver-suches einsah, kehrte er den Rücken nach dem Zemmer hinaus.Die beiden Türken machten in der Tür Halt. Der Kavalleristforderte sie auf, naher zu treten, aber der Dicke lehnte es ab.„Danke... nein... wie Sie hören, rede ich Ihre schöneMuttersprache," sagte er in mangelhaftem Italienisch. Darauffetzte er auf türkisch hinzu, ohne gleichwohl den Kameraden an-zusehen!„Halten Sie die Augen offen! Zählen Sie die Schiffeauf der Reede! Was es sonst noch gibt... prägen Sie sichs gutein!" Das Lächeln wich keine Sekunde von seinen Lippen, und imselben Atemzug wandte er sich darauf erklärend zu dem Ritt-meister:„Fcrmel Bei beherrscht keine andere Sprache als unsere.Ich sagte ihm, einen höflicheren Wegweiser als Skd hätte uns derZufall niemals schenken können." Diesmal bediente er sich desfranzösischen Idioms, das er vollständig beherrschte.„Oh, Major Assan..." Der Kavallerist lächelte geschmeichelt.„Dauert es lange, bis der General...?"„Kann ich mir nicht denken. Um was handelt es sich?" EinJnfanteriehauptmann, der die Frage gehört, trat heran undschüttelte dem Rittmeister die Hand.„Die Verwundeten im Terrain südlich von Ain-Zara," klärteihn dieser auf.„Soo!" Der Jnfanteriehauptmann zuckte die Schultern.„Sechs Stunden Stillstand, was?" Und als Major Assan ein Janickte, fügte er hinzu:„Ich bilde mir«in, dasi die Antwort Neinlauten wird. Das Vorrücken soll fortgesetzt werden und..."Er hielt plötzlich inne, biß sich auf die Lippen und ging ärgerlichbeiseite.Der Kavallerist schüttelte betrübt den Kopf, ein Offizier inder Nähe hustete nachdrücklich.Pietro begriff. Gegen seinen Willen hatte der Infanteristetwas gesagt, was der Feind nicht hören durfte. Seine Lands-leute versuchten das Versehen durch unbefangenes Aussehen zuvertuschen, und scheinbar glückte es ihnen. Major Assons Gesichtblieb unveränderlich einfältig und liebenswüroig. Aber sein Be-gleiter, der Hauptmann, konnte Pietros forschendem Blick nichtrasch genug sein frohes Erstaunen verhehlen..(Fortsetzung folgt)]Die Kultur des Zeichnend*Vom 12. bis 17. August tagt in Dresden der 4. InternationaleKongreß für Zeichnen, ftunstunterricht und angewandte Kunst. ImMittelpunkte der Beratungen wird die Reform des Zeichenunter-richts stehen. Bedeutende Fachmänner des In- und Auslandeswerden hierzu das Wort ergreifen. Seit dem 1. InternationalenKongreß zur Förderung des Zeichenunterrichts, der während derMeltausstellung im Jahre 19lK> in Paris abgehalten wurde, habendie Anschauungen auf diesem Gebiete eine umwälzende Erweiterungerfahren. Auf jenem ersten Kongreß wurde die Gründung einerinternationalen Vereinigung von Zeichenlehrern beschlossen, dieunter Mithilfe von Behörden, Berufsvereinen und Einzelmitglie-dern die Beschlüsse des Pariser Kongresses und der folgenden durch-führen sollte. Auf dem zweiten Kongreß in Bern 1304 wurde dieseVereinigung ins Leben gerufen. Ihren Namen erhielt sie auf demdritten Kongreß in London, bei welchem sich 1813 Teilnehmer aus38 verschiedenen Ländern zu gemeinsamer Beratung zusammen-fanden.Dieser vierte Kongreß will— wie der Vorbericht sagt—, wie{eine Vorgänger, den Zeichen- und Kunstunterricht auf eine immerestere Grundlage stellen, er will den hohen Wert des Zeichnensfür die allgemeine Bildung wie für den Beruf zeigen und so dasAnsehen des Faches urtf» der Fachgenossen fördern. Diesem Zweckesollen Vorträge und Diskussionen, vor allem aber einige internatio-nale Zeichenausstellung, verbunden mit einer Lehrmittelausstellung,dienen, die bis 25. August im städtischen Ausstellungspalast geöffnetsein wird. Nach dem vorliegenden Programm werden auf demKongreß die neueren Gesichtspunkte: allgemeine pädagogische undtechnische Fragen des Zeichenunterrichts eingehend erörtert wer-den. Ziel und Streben ist: Das Zeichnen zu einem lebendigenBildungs- und Ausdrucksmittel zu gestalten.Die Bedeutung des Zeichnens für die volle Durchbildung desMenschen wurde bisher stark unterschätzt. Im Vordergrund desUnterrichts stand das abstrakte begriffliche Denken. Die Folge wareine einseitige Ausbildung des spekulativen Denkens, das oft denZusammenhang mit den Dingen der Wirklichkeit verlor. Los-gelöst von den Dingen, geriet der Geist leicht zu Verknüpfungenund Schlüssen, die dann im wirklichen Leben.»cht standhielten.Wer aber trotzdem bei der Wirklichkeit blieb, der zergliederte wohlmit scharfem kritischem Verstände die einzelnen Dinge und löstesie so in ein Nichts auf. Aber er sah nicht die Form, das charakte-ristische Eigenleben jedes Dinges.„Er hat die Teile in seinerHand, es fehlt leider nur das geistige Band", höhnt treffend Me-phisto in Goethes„Faust" über diese einseitige Methode der Be-trachtungswcise. Eine ganze Welt voll Leben und Schönheit gehtsolchen Menschen verloren. Demgegenüber bedeutet die Pflege desZeichnens eine Förderung des anschaulichen Denkens. Wer sichgewöhnt, die Erscheinung der Dinge sich ins Gedächtnis zu rufen,wird leichter vor falschen Kombinationen bewahrt bleiben. Erwird nicht so oft die Wahrheit des Schillerschen Wortes schmerzlichempfinden müssen:„Leicht beieinander wohnen die Gedanken, dochhart im Räume stoßen sich die Sachen." Zugleich wird seine Vor»stellungswelt reicher und lebendiger.Es ist deshalb eine bedeutsame kulturelle Förderung des Men-schengeschlechts, wenn heute weitblickende Pädagogen auf diesemGebiete das Zeichnen zu einem Ausdrucksmittel wie Schrift undSprache zu machen suchen. Was oft der Sprache unmöglich istoder nur mit ungeheurem Aufwand von Worten gesagt werdenkann, tritt in cineni Bilde sofort lebendig vor die Seele. DaSSehen wird geschult und wird zu einem„Schauen". Die Naturder Dinge erschließt sich dem Beschauer und erleichtert ihm so dasVerständnis der Umwelt. Dies möge genügen, um den Wert desZeichnens als allgemeines Bildungsmittel zu zeigen.Daß die frühe Pflege des Zeichnens für die spätere künstle-rische Betätigung von der größten Bedeutung ist, ist wohl selbst»verständlich. Aber hier kommt es nun ganz besonders aus dieArt des Zeichenunterrichts an. Auch da will der Kongreß neueWeg finden. Das geistlose Nachkopieren von Vorlagen und Gips-abgüssen, wie es besonders zur Zeit der nationalen Begeisterungfür deutsche Renaissance in den siebziger und achtziger Jahren desvorigen Jahrhunderts in den Schulen üblich war, ist ja immer nochnicht ausgerottet, aber doch wenigstens in den fortgeschrittenerenSchulen überwunden. An dessen Stelle setzte der Naturalismusdas Zeichnen nach der Natur. Aber auch dies war in der Regelein Kopieren. Man ahmte getreulich die zufälligen Naturformennach, ohne das Wesentliche und Einheitliche in der Form zu er-fassen. Man vergaß, diese Naturformen individuell zu verarbeitenund neu zu gestalten. Die Folge war eine vollkommene Charakter-und Stillosigkeit der künstlerischen Produkte. Da lernte man vonChinesen und Japanern, die Kunst des Gedächtniszeichnens. DieKunstwerke jener Völker vereinigten in sich den Völkerndes Orients, besonders von den Natursinn und Stilfeinheitin verblüffender Harmonie. Wie kam das? Erst in neuererZeit kam man dahinter. Der Chinese und Japaner zeichnete inder Hauptsache die Natur nach dem Gedächtnis. So sah er imMogient des Schaffens die Natur nicht mit dem physischen Auge,sondern mit dem geistigen. Das Bild, das er.in der Natur aufgenommen, hatte unterdessen den Stempel des Charakters undWesens des Schauenden angenommen. Das Gedächtnis hatte nurdas dem Geiste des Künstlers Wesentliche von der Naturform über-mittelt, und so entstand nun e?n ganz Neues: ein Stück Natur.durch den Kulturgeist eines empfindenden Menschen gesehen.Wird die künstlerische Erziehung des Volkes heute diesen Weggehen können? Wenn man die Erfolge, die bereits auf diesemWege gemacht wurden, anerkennt, kann man die Frage getrost mitJa beantworten. Es ist notwendig, daß man zu den elementarstenGrundgesetzen künstlerischen Schaffens zurückkehrt und auf ihnenalle weitere EntWickelung fundamentiert. Aber dazu ist eine völ-lige Umgestaltung deS Zeichenunterrichts Vonnöten, und als weitereVoraussetzung eine entsprechende Ausbildung der Zeichenlehrer.Diese Fragen werden denn auch bei der Diskussion auf dem Kon-gretz eine große Rolle spielen. In dem Borbericht zum Kongreßwird darauf hingewiesen, daß es notwendig sei, die geeignetenpädagogischen Kräfte aus allen Schichten der Bevölkerung herauszuholen. Es gelte alle Kräfte heranzuziehen und in den Dienstder Gesamtheit zu stellen. Das wird unter den heutigen sozialenVerhältnissen wohl ein schöner Gedanke bleiben. Aber zumindestmuß man fordern, daß nur Leute mit ernster pädagogischer Be-fähigung zu Zeichenlehrern ausgebildet werden, damit nicht dieJugend Lehrern in die Hände fällt, die das Unterrichten lediglich alsein Geschäft betrachten. Der Zeichenunterricht hat dazu in Zu-kunft eine zu hohe Aufgabe zu erfüllen. Architekt B e y r e r-München sagt in seinem Vortrag über Handfertigkeitsunterricht:„Wir wollen nicht einzelne Talente zu Kunstlern, sondern vorerstein ganzes Volk zum besseren Geschmack erziehen und dürfen des-halb unsere Ziele noch nicht nach zu hohen künstlerischen Gesichts-punkten stecken, sondern müssen jenen natürlichen Weg ein-schlagen, der von unten nach oben führt, und den die Kunst selbstund die Künstler gegangen sind." Dazu fordert Professor RudolfB o e ck- Wien, daß der breiten Oeffentlichkeit, als der Kunstkonsu-mentenschaft, Gelegenheit gegeben werde, sich im Zeichnen, Malen.Modellieren und im Graphischen weiterzubilden.„Das könne ambesten in offenen, möglichst billig oder ganz frei zugänglichenZeichensälen für alle männlichen und weiblichen Personen über14 Jahre geschehen." In Paris und auch im übrigen Frankreichstehe diese Einrichtung schon seit langem in Blüte.Neben diesen Anregungen wird auf dem Kongreß noch eineMenge anderer Fragen aufgerollt werden, die mit der Reorgani-sation und allgemeinen Einführung des Zeichenunterrichts inengem Zusammenhang stehen. Aber eine Frage scheint man aufdem Kongreß— wenigstens der Tagesordnung nach— nicht mitbesonderem Hervorheben erörtern zu wollen: Wie ist es möglich,die breite Masse des Volkes, die im Dienste des Kapitalismus ihreKräfte aufreibt, zur Teilnahme an diesen Bestrebungen nach künst»lerischer Durchdringung ihres Lebens heranzuziehen? Die Kon»greßdebattcn werden ja zeigen, ob man das ganze soziale Feldins Auge fassen wird. Sicherlich hat auch die Arbeiterschaft Au»