er selbst sorgen. Tos Land, das br bestellt hatte, war in anderen Händen, er besaß dort kein Recht mehr. Aber er hatte doch gepflanzt, er mußte doch wissen, wie es gewachsen war und wie es gepflegt wurde. Tas große Vorrücken war in das Politische hinübergc- sHvenkt. Die Bewegung hatte vorläufig die Ansprüche der Armen auf Brot fallen lassen, hatte fie geopfert, wie man Ballast opfert, um leichter aufsteigen zu können. Man wollte die Institutionen selbst erobern und dann natürlich zum Ausgangspunkt zurückkehren und das Ganze wieder um- wenden. Es mochte ja ganz bequem sein, die abzuladen, die am beschwerlichsten für das Vorrücken waren, aber ließ sich der Sieg auf dieser Grundlage erringen? Um fie drehte sich ja doch alles! Pelle hatte gründlich gelernt, daß. wer anderen eine Grube gräbt, selbst hineinfällt. Er hatte kein Zutrauen zu dem, was über den Zaun zu gelangen suchte, wo er am niedrigsten war. Die neue Taktik stammte von dem siegreichen Ausfall des großen lstmupfes: er hatte ja selbst die Massen im Triumph gegen die Hauptstadt geführt. Udn falls er nicht eingesteckt worden wäre, säße er Wohl jetzt als eine� der parlamen- tarischen Vertreter der Arbeiter und als symbolisiertes Vor- wärtsrücken in der Bürgerschaft. Ade nun stand er also außer- halb der ganzen Belvegung und mußte seine Stellung zu dem Bestehenden wählen: er hatte der Welt der Ausgestoßenen angehört und der Unvcrsöhnlichkeit gerade in die Augen ge- sehen, er war nicht sicher, daß die Erhebung des armen Mannes in der Verlängerung der bestehenden Gesellschafts- moral lag. Er selber lvar ja noch immer ein Geächteter und brachste es wohl auch nicht zu etwas anderem. Es war schwer, sich unter dem Türrahmen zu ducken, durch den man einmal hinausgeschmissen war. und es war wohl auch fchwer, hinein- zuschliipsen. Er beabsichtigte nicht, irgend etwas zu tun, um wieder in die Rechen der geachteten Männer aufgenommen zu werden, er war stark genug, um sich jetzt auf sich selbst zu stützen. (Fortsetzung folgt.) cNiuiSrmt XrBottn.) 2i Veine. Bon Franz Held. Als er schließlich einmal ganz trostlos auf der Außenbank eines Tramway-Wartehäuschens saß, kam fein akter Kamerad Mignon auf ihn losstolziert, in großkariertem Anzug und hellem Filzhut. Der gabelte ihn auf und führte ihn, da es Frühstückszeit war. in ein Restaurant, wo er ihm Kredit auszuwirken versprach. In diesem Restaurant aßen fast alle Gäste auf Kredit. Tie Goldfische in dem Glasbeckcn, das zwischen verstaubten Blatt- gewachsen auf dem mit Käseschüsseln bepflanzten Anrichtetisch stand, waren das einzige metallisch Flimmernde, was man seit Menschen- gedenken dort gesehen hatte. Deshalb die Speisen natürlich schlecht und teuer. Für hundert Durchbrenner muhte dem Wirt ein ein- zigcr naiver Zahler aufkommen. Das Publikum sah sehr ungleich aus. Während die einen schreiend elegante Garderobe trugen, gingen die anderen fast in Gumpen. Alle ohne Unterschied aber hatten beim Mittagessen ein gleiches kleines Blatt in den Händen, auf steifes Papier gedruckt. Das mußte ein deliziöseres Menu sein, als das ewigeHammel- fleisch mit Bohnen" der Speisekarte denn es machte die Augen funkeln und die Hände vor Begier zittern! Was stand darauf? Nur abgerissene Worte gingen von Mund zu Mund: Placiert nicht placiert Guter Wink Drei für Eins.-- Da kam einer gegen Abend von der Straße hercingctrottelt, regenträufend. aber mit strahlendem Gesicht. .Na. Emil, wie stehen die Aktien?!" L'Eperon Erster! 5H für 3! Kellner, Kognak her? Eine Runde!" Dem gütigen Gastgeber, dem das Glück so unverschämt ge- lächelt hatte, wurde dann sofort von sämtlichen Anwesenden nickst minder unverschämt angepumpt. Man lebte nämlich fast iu Güter- grmeinschaft. Es war eine Stammkneipe von Wettrennenspielern, unterster Sorte. Die steifen Jeitungsblätter:Paris CmirfeS",..Le Jockey". oder die offizielle Karte eines Rennens. .Soll ich Dir A Frank leihen, alter Knabe?" sagte Mignon. als er triumphstrahlend heimkehrte, zu dem niedergeschlagenen Lorel. .Du mußt morgen mit hinaus und auch einmal Dein Glück ver- suchen. Bei Deinem erbärmlichen Handel kannst Du ja lebendig pertrocknen. Sieh nur mal wie wir's machen!" Er ließ eine Katvakadc von Goldstücken über den schmutzigen Züsch laufen eine dort ansässige Ameijengcfcllschaft fühlte sich fft ihren Grundrechten gekränkt. »Ich danke sehr!" erwiderte Lorel.»Ich hätte selbst schon ein wenig Geld." In der Tat hatte n. etwas über 10 Frank zurück­gelegt. da er im Restaurant nur hallrnonatlich zu bezahlen brauchte» Das gehört nun allerdings nicht mir, sondern dem Wirt Possen!" lachte Mignon. Und auch ich will und mag nicht spielen Her­tz i« n c n will ich mein Geld." Sei kein Narr! Spielen die großen Bankiers vielleicht nicht?, Morgen wird Tu mitgeschleppt unbarmherzig. Schau mal die da drüben, die jetzt an dem Zsitungspavillon vorbeikommt(sie saßen vor dem Restaurant im Freien), die mit dem roten Schleier. wie scharf die herschaut wart' die muß ich was fragen!" Und er lief unt seiner vollen Tasche auf die andere Straßenseite. Am nächsten Tage war sein Gewinn fast ganz zum Teufel. Cr gab sich deshalb doppelte Mühe, den Lorel vom Mittageyen fort nach Auteuil zu dirigieren. Er dachte ihn nämlich um die erwähnten 10 Frank anzupumpen, wenn er selbst die 15 Frank» die ihm noch blieben, verspielt haben sollte. Ein schweizer, Bäcker- geselle seines Zeichens, blondhaariger Kraustopf, regelmäßige Züge mit einem ewigen, langweiligen Lächeln» unterstützte ihn bei seinen Bcrsührungskünstcn. Nachdem der Roquefortkäsc gegessen war, legte Mignon zärtlich den Arm um die Schulter seines Freundes Lorel der Schweizer : faßte ihn unter den linken Arm uni> da er den rechten noch in der Binde trug, also sich nicht wehren tonnte, führten sie ihren Gefangenen nach dem Platz St. Sulpice. Tort setzten fie ihn ans die Imperiale beS nach Auteuil be­stimmten Omnibusses. Durch endtose Ouartierc ging's-- an der Militärschule vorbei jetzt tauchte die Kuppel des Jnvalidendoms am Ende einer langen Seitenstraße auf, dann rasselte der Kasten über eine Seinebrücke. Jetzt stand er still vor dem Bahnhof von Automl. Auf dem Platz liefen die ZcitungS- und Kartcnvcrkänfer wie besessen hin und her. Die einzig offizielle Karte 25 Centimes!" Kaufen wir eine! Drinnen kostet sie 50!" sagte der allezeit zu Ausgaben geneigte Mignon. Bor dem Bahnviadukt drängte und stieß man sich. Das Geschäft geht gut!" meinte ein Gamm. Denn nicht nur der Omnibus war wie gespickt mit Menschen beladen gewefen. Auch«in Zug lief foeben ein, es wimmelte sthworz aus den drei hohen, roten Backstcinwölbungcn des Bahnhofeinganges, hier und da eine hellfarbige Tantenrobe dazwischengcsprengt, wie ein Sonnen- fleck anzusehen auf dem düsteren Einerlei dieses Wasserfalles von Körpern. Es war 2 Uhr. Roch eine Viertelstunde und derPreis des Tors Maillot" würde losgehen. Auf dem Fahrdamm rollten die atemlosen Fiaker und huschten die Hcrrschaftsequipagcn, darunter hochelegante Maik-coachs mit vier Prachthengstcn, Jockevs auf den beiden linksseitigen Pferden, zwei Fußbediente mit strammer Hal­tung hinter den Insassinnen stehend. Das waren in der Mode de- findtiche Kototten, die in Buketts und Spitzenwolken fast versanken. Dort ein eleganter junger Herr, der fein leichtes Gefährt mit Silberbeschlag und roten, spinncbeinfpeichigen Riesenrädern selbst zügelt. währettd der Tiener in senfgclber Livree mit verschränkten Armen wie eine Statue neben ihm thront. Zwischen den hastenden Fußgängern wandeln gravitätische Schutzleute. Tic Bettler am Wege geven sich wenig Mühe mit ihrem sonst üblichen Rosenkranz- leiern, Augen- und Datimenverdrehcn denn jetzt hat ja doch keiner für sie Zeit. Ebenso ist das Amt der Blumenmädchen vor- läufig so ziemlich cin� Sinekure. Bei der Ankunft am Rennplatz saugen zwei Eingänge die Wallfahrt am. Einer für die Wagen und die Tribüncndcsucher, der andere für die Fußgänger, die auf der Wiese vorlieb nehmen. Aus dieser Seite beträgt das Entree 20 Frank., aus der Wiese nur einen einzigen. Famos, daß es hier so wenig kostet!" sagt Mignon zu Lorel. In St. Ouett und auch sonst meistens mutz man 3 Frank blechen, um hereinzukommen." . Loiel zahlte seinen Frank mit Acrgcr. Er denkt, wie sauer es ihm geworden, dies Geldstück Sou für Sou zu verdienen. Aber das hastende Treiben hat ihn fieberhaft aufgeregt. TaS Rad für den Durchlaß dreht sich. Er steht auf der Wiese, sieht ein kolossales Feld, mit wimmelnden Menschen bedeckt, von märzlichcm. noch unbelaubtem Wald umrahmt. Sein Auge kann keinen Halt finden: gestikulierende Gruppen alles flach, nirgends etwas Hervorragendes.- Tann fixiert sich sein Blick allmählich auf einen Pavillon, kreisrund, mit schwarzbraunem Stroh gedeckt. Dessen Zentrum enthält daZ Büfett, das Dach wird von freistehenden Holzbalken getragen. In der von diesen Balken markierten Rotunde, um sie herum und noch weit ins Feld hinein flutet ein dichtes Gedräng wütend aufgeregter Menschen. Einzelne Köpfe mit schreiend auf- gerissenen Mäulern ragen über die anderen heraus. Tas sind die Lootmaker." erklärt ihm Mignon. Lorel muß bei Betrachtung des Feldes an einen Jahrmarkt seines Tortes denken. Tie Bookmaker stehen wie Charlatane auf Stühlen, Bänken, Tischen. Oder wenigsteus einer aus jeder Firma; es ist nämlich fast immer ein Paar zusammen. Via!a Cote!" ruft er, indem er die Tafel schwenkt, die er an einer langen Stange in die Höhe streckt.Treffen Sie Ihre Wahl, meine Herren! Es gibt noch davon!"