Ellen hatte so ihre eigenen Pläne mit dem alten Saal und zwei kleinen Anrichtezimmern, die sich daran ichlossen: sie hatte das Waschen satt, es warf einen elenden Verdienst ab, viel Arbeit und geringes Ansehen. Jetzt wollte sie ein Artistenlogis einrichten; da war mehr els«ine in der Straße, die anständig davon lebte, daß sie an Artisten vermietete. Hätte ich nur ein paar hundert Kronen gehabt, um in Gang zu kommen, dann sollte die Sache schon gehen." sagte sie. Und dann hättest Du mehr Zeit und Ruhe für Deine Bücher." fügte sie einschmeichelnd hinzu. Pelle riet davon ab. Die guten Artisten kehrten in den Artistenhotels ein. und die Leute, auf die man rechnen konnte, hatten nicht viel zum Bezahlen. Er hatte allerlei Beobach- tungen von seinem Kellerfenster aus gemacht und Schuhe für einige von ihnen geflickt, es war ein ziemlich sohlenloses Volk. Dann schwieg sie davon, oberer konnte merken, daß sie nicht überzeugt war. Sie ließ nur die Sache fallen, weil er dagegen war und e r doch das Geld beschaffen sollte. Dieser Gedanke war ihm peinlich, er war vorsichtig ge- worden, als es sich darum handelte, über andere zu de- stimmen. Das Geld mußte beschafft werden können, wenn nicht auf andere Weise, so doch, indem man Pfand auf Mobiliar und Werkzeug nahm. Ging die Sache schief, so war es der sichere Ruin. Aber Ellen dachte vielleicht, daß er als tote Hand über ihrer Zukunft ruhte. (Fortsetzung folgt.) ZZlachdiLS veri>oien.j 61 Vcinc. Von Franz Held. Eine plötzliche Bewegung lief durch das Publikum. Man stand auf und gesnkulierte hinter einem hohen alten Mann von leicht vornüber gebeugter Haltung, der vorbeiging. Er war isoliert, aber em Schwärm respektvoller Neugieriger folgte ihm in einiger Ent- fernung. Und doch war der Alte keineswegs respektabel gekleidet. Er trug die Hände in die zerschlissenen Taschenlitzen eines langen bräunlichen Mantels eingeirempt, der offenbar nicht für seinen Leib geschneidert war. Alle seine Sachen, selbst bis auf den Schlips, schienen beim Trödler erstanden. Unter dem beulenvollen Hut war das Kinn von harten Falten wie von Eisenreifen umschnürt, der Hinterkopf glatt geschoren, wie bei einem Sträfling. Und wirklich lam der Mann schnurstracks aus dem Zuchthaus. Er war heute erst entlassen worden. Sie dürfen den Rennplatz nicht betreten!" hatte ihn vor eini- gen Stunden der ihm folgende Schutzmann angeschnauzt, als er auf das Eingangsrad zuschritt. Denn er stand noch für zwei Jahre unter Polizeiaussicht. Ter Alte drückte ihm 20 Frank in die Hand und löste für sie beide Billetts zur Wiese. Er ging dorthin und nicht auf die Tribüne, weil er dort seine Absichten besser zu er- reichen hoffte. Ihr Arbeitsbuch ist allerdings in Ordnung das Geld hat seine richtige Herkunft soll ich Ihnen vielleicht einen Operngucker besorgen?" sagte der Schutzmann. Massereau war kein gewöhnlicher Lump. Im Gegenteil. Ehemals genoß er das höchste soziale Ansehen. Damals war er fGrotzindustrieller, sein Vermögen zählte nach Millionen. Einem Freund, dem er unbeschränktes Vertrauen schenkte, hatte er große Kapitalien in die Hand gegeben für humanitäre Zwecke: Kinder-Asyle, Arbeiterkolonien ä la Owen und der Freund war mit dem Gelde durchgegangen, nachdem er zuvor Massereau's einzige Tochter verführt hatte. Der Betrogene ließ einen hohen Preis für Ermittelung seines Aufenthalts ausschreiben. Als er ihn wirklich abgefaßt hatte, übergab er ihn nicht den Gerichten. Denn denen gegenüber hätte er schwer etwas beweisen können, da zwischen ihm und dem Betrüger keinerlei schriftliche Uebereinkunft getroffen worden war. Aber er übte Privatjusiiz. In seiner Familie waren schon mehrere Fälle von Wahnsinn vorgekommen und er selbst fühlte sich seit dem Bubenstück hochgradig ausgeregt. Er ließ den Aufgespürten durch einen Dritten, der eine Unterredung mit ihm nachsuchte, chloroformieren, dann prägte er ihm mit einem glühend erhitzten Zwanzigfrankftück, das er an einem Pctschaststiel befestigt hatte, ein Brandmal auf die Stirne. Der also Gekennzeichnete lag monatelang schwer krank, denn die Brandwunde hatte geeitert und die Kopfrose nach sich gezogen. Die Justiz brauchte der geschickte Betrüger nicht zu fürchten er klagte gegen Massereau wegen Mordversuchs, und dieser wurde zu »fünf Fahren Zuchthaus verurteilt, da die Irrenärzte ihn für gesund erklärten. Im Zuchthaufe hatte er Wolle kratzen messen und sich etwa 600 Frank erarbeitet. Er war übrigens noch immer Millionär. Seine Schwester hatte das meiste von seinen Unternehmungen ge- rettet und weitergeführt. Sein erster Gang war heute zum Telegraphenburcau gewesen. gp perlangte von dieser in Ahon wohnenden Schwester telegraphische Anweisung von 100 OVO Frank auf die Baogue de Franc«, Diy konnten aber erst morgen da sein. Gehen Sie doch nicht hinter mir her, wie ein Bedienterl'' wandte er sich an seinen treuen Begleiter in der Kapuze.Meinen Sie, ich schämte mich vor dem Pack, Sie unter den Arm zu greifen?" Für neue 20 Frank ließ sich der Schutzmann diese Zutraulichkeit gefallen. Massereau fetzte 4<X) Frank auf«inen aussichtslosen, enormi hoch kokierten Gaul(50 für 1). Der aussichtslose Gaul gewann glänzend, weil seine Konkurrenten zu Fall kamen. So, jetzt Hab' ich etwa 20 000 Frank zur Hand und kann für heute genügend operieren" murmelte der Alte.Gehen wir zu- nächst ans Büfett und sehen uns die Fratzen ein wenig an, welche am gierigsten aussieht!" Er selbst trank keinen Tropfen, aber den Cipal(Abkürzung von Earde Municipal) ersäufte er fast mit Cliquot. Er teilte auch an seine ganze Nachbarschaft unterschiedslos aus, so daß er bald dicht umdrängt war. Ihr alle seid miserable ohnmächtige Kreaturen obgleich ihr mich einzusperren die Macht hattet!" sprach es deutlich aus der ver, ächtlichen Falte an seinem linken Nasenflügel. Als er abfuhr, wollte eine Menge Menschen in sein Koupee steigen, um ihn anzapfen zu können. Jedem zahlte er jede ge- forderte Summe unter der Bedingung, daß der Betreffende einen anderen Wagen suche. Er wollte allein fein. Ich kann Euch nicht riechen!" schrie er zum Fenster hinaus. Es verklang im Pusten der abfahrenden Maschine er horchte auf das Pochen der Räder und stampfte dazu mit dem Fuß auf, als oh er etwas zertreten wolle. Der Abend dämmerte schon stark, als Lorel mit seiner Dame in ein Koupe des folgenden Zuges stieg. Sie saßen sich am Fenster gegenüber. Die Gesichter der anderen Mitfahrenden(das Koupe war vollständig besetzt, und zwar nur von Herren) konnten sie nicht deutlich unterscheiden,. Lorel sah nur neben sich«inen roten, Knebel- bart und sich gegenüber, neben der Dame,«in paar Pfissige, unruhige Augen unter einem geschniegelten Zylinder. In einer Ecke am andern Fenster lag ein schmieriger Arbeiter gerekelt, der von seiner Fabrik heimkehrte. Lorel, ganz in die Augen seines Gegenübers versunken, wurde vlötzlich durch ein Goldgeklingel aufgestört. Er sah die Kohlenaugen oes pfiffigen Herrn in dessen nußbraunem, öligen Gesicht ausgeregt glänzen. Auf den Knien des Pfiffikus lag«in Zeitungsblatt aus- gebreitet und aus dem Papier drei Karten mit der Rückseite nach oben. Dann begannen die Karten zu tanzen unter den behenden Fingern des Herrn mit dem Nußteint. Plötzlich schob einer der andern unter irgend eine Karte ein Zwanzigsrankstück, ohne ein Wort der Aufforderung seitens des Virtuosen und ohne ein Wort von Gewinnstipulierung seitens des Spielers. Nach diesem laut- losen Borgang hörte der Braunhäutige blitzschnell auf mit Karten- wenden drehte die Karte um, unter welche der andere sein Goldstück geschoben hatte und zahlte ihm dann zwei Louis zurück. Das ging so eine Weile fort. Auch die anderen Herren beteiligten sich jetzt an dem Spiel. Und erstaunlicherweife ge- wannen sie alle fast immer. Der Kartcnwender zahlte ihnen ge- waltige Summen aus, hunderte von Frank, wie Lorel sich sagte. Daß nach jedesmaliger Gewinnbegleichung ein eigentümlicher Post- kettcndienst der Hände hinter den Rücken sich entfaltete, da* übersah Lorel in seiner fiebernden Aufregung. Bot sich ihm doch hier eine Möglichkeit, das verlorene Geld zurückzugewinnen! Was find die Bedingungen des Spiels?" fragte er mit er, stickter Stimme seinen bocksbärtigen Nebenmann. Drei Karten sind da." antwortete dieser schnell, mit großer Zuvorkommenheit, fast als ob er längst auf diese Frage gewartet hätte,zwei rote und eine schwarze. Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Geldstück unter die schwarze Karte zu schieben, so bekommen Sie das Doppelte wieder." Während dieser Erklärung drehte derCroupier" seine drei Blättchen fieberhaft weiter, wie ein Automat. Seine Finger mar- schirrten mit den Verrenkungen eines Klavierkünstlers, die Karten hüpften wie elektrisiert. Er besorgte das, indem er ostentativ nicht auf die Karten sah. Vielmehr blickte er dabei Loret steif ins Gesicht. Der folgte seiner stummen Einladung, wie ein Kaninchen unter dem Blicke der Schlange die Besinnung verliert. Er schob einen Louis unter das Blatt das er dann mit krampf- hast vorgestrecktem Zeigefinger auf dem Knie des Croupiers fest- hielt. Der Croupier drehte um kein Zweifel, dasselbe Blatt aber verflucht! es, war roll Sein Louis verschwand in der Tasche de<? Braumhäuptigen. Der Vorgang hatte stch wortlos abgespielt. Lorel warf sich in seine Ecke zurück. Geistesabwesend sah er die Fabrikschlöte draußen vorbeiziehen. Die Gebäulichkeitew. Alleen, Erdwälle drehten sich wie konzentrische Viertelskreise steckte er in einem Roulett«? War der ganze rotierende Erdball nichts anderes? Die Gesellschaft spielte rastlos, weiter und gewann wieder fabcl- haste Summen. Lorel fühlte einen Druck des runden Knies ihm gegenüber:Ich kann's nicht länger still mit ansehen leihen mir 20 Frank! Ich gebe Sie Ihnen noch diesen Abend wieder wir treffen uns!" Spielen Sie nicht!" sagte er zu Madcmoisclle Feginc,die Chance ist zwei gegev einS",.