'SKttrt fonm trotzdem geMnnen," antwortete fi«t Ein weißer Blick er langte ihr sein, letztes Zwanzigfrank- fÄck hinüber. Ein Zdniedruck delohnte ihn, ein langer, heißer Mick umwickelte ihn zärtlich. Jetzt hatte er nur nach ein dünneS Zehnfranlstück ca der Tasche Und in seinem gesamrrn Barbesitz. Man fuhr eben in einen stockfinsteren Tunnel elni. Der Knebel- härtige steckte ein WachSstreichholzchen an. Auch flackerte hin und wieder der rote und grüne Schein der Signallichter von dem Neben- geleisen herüber. In dem tiefen Dunkel sah man fast nur die Hand des wacker tonieiternden Kartendrehers neben dem Streichholz ein matt beleuchtetes Stiück Gepäcknetz*= hie wölfischen Augen der Spieler den Zigarettemfunken. Fegine faßte mit der Linken die Hand Lorels, wie um ihre Aufregung zu zeigen. Dann setzte sie mit der Rechtem und verlor. Im selben Augenblick verlosch da» Streichholz, wohl von einem Lufigug. Jetzt sind alle drei Karten schwärz drei Louis her!" rief eine Stimme. Lorel drückte die warme, zuckende Hand in der Seinen. Ohne daß er recht wußte, wie es geschah, suhlte er seinen Mund auf zwei breiten, vorgeschobenen, warmatmigen Lippen, seine Brust auf der ihren. In dem Nebel von Begier, der ihm bei dieser lichtlosen Umarmung durchs Hirn schoß, meinte er Goldgeklingel zu hören zankende Stimmen-- Ein Bahnlicht blinzelte herein er sah eine Hand in Glacfs an den hohew steifen Kragen de» Braunhäutigen fahren,.«Ruhe!" rief jemand gebieterisch. Dann war der Tunnel zu Ende. Aber die warme, kleine Hand blieb fest in der Seinen. Und Fegine sah ihn mit einem feuchtem Blick an, als ob sie eine zweite Auflage des KufseS begehre. Sie forderte indessen etwas anderes » nämlich sein letztes Geldstück. Ich mußl" raunte sie ihm ganz leise zu. mit einem tief unglücklichen Ausdruck. Und da er sie ohne Verständnis ansah:Wenn ich verliere jheut abend 9 Uhr bei der Jeanne d'Arc -Swtue, Rue des Pyramides." Sie verlor denn auch richtig. Lorel kümmerte fich nicht mehr darum, er drückte ihre Hand immerfort; Knie urw Fuß ant- worteten. Westibahnhof! Gehen Sie jetzt nicht mit-» man kennb mich bleiben Sie noch eine Minute im Kupeel" Er gehorchte ihr. Die Herren stiMen hinter ihr aus, mit höflichsten Grüßen an die Adresse ihres geplünderten Opfers! Aber der Arbeiter blieb, steckte«in stinkendes Schwefe lhölzcheu an und begann auf dem Boden des Kupees herumzusuchen, stolpernd in seinem halben Rausch.Bielleicht haben sie so'nen Kanarienvogel durchslutschen lassen; dann gäb's aber'ne Woche Feieriäg nom d'un chien!" tgortsetzung folgt-Z Sin LalTaUe-Ronian. Das Leben großer Männer hat von jeher den Künstler wie den Routinier der Literatur zur Darstellung gereizt. Galt eS jenem, mit seinem eigenen LebenSgehalt für die Geschichte lebendig zu machen. mit der Fülle eigener Gedanken daS Schema der Ueberlieferung seelisch zu vertiefen, so ist eS das Ziel des anderen, einen bestimmten ausgesprochenen Gedanken zu propagieren, mit dem Namen des großen ManneS zu wirken, der über die Leistung seinen Glanz breitet, oder einfach die Lust an der Anekdote zu befriedigen, die den primi- tiven Leser immer beherrscht hat. So ist der biographische Roman ein weitausgebreitetes Genre geworden und für jede einzelne der oben bezeichneten Arten ließen sich unschwer Beispiele zur Charakteristik auswählen. Zu den Lieblingshelden solcher Dichtungen gehörte und wird für immer gehören: Ferdinand Lassalle . Sein Leben ist so reich an Gegensätzen. eS steigt in so jäher Kurve blendend empor, es erlischt so plötzlich und ohne jedeS vorhergehende Anzeichen, daß eS des üblichen Zusatzes romantischer Verknüpfungen kaum bedurste, um zum Stoss" zu werden. So verstrichen denn nach seinem Tode nur wenige Jahre, bis der Dichter jener Epoche des von seiner politischen Idee noch nicht' abgefallenen Bürgertums, der der Liberalismus noch mehr war, als ein ZeitungSNifchee, bis Friedrich Spielhagen in groß angelegten Romanen das merkwürdige Schicksal des Mannes und den politischen Prinzipienkampf, den er begonnen hatte, zu ge- stalten suchte. Seine Dichtungen(Die von Hohenstein",In Reih' und Glied") find selbstverständlich ganz aus der bürgerlichen Jdeo- logie heraus geschaffen und zu ihrer Verherrlichung. Lassalle ist hier der Einsame, von einem romantischen Ehrgeiz Besessene, der unter- liegt im aufreibenden Kampfe um ein ungeheuerliches Ziel, wo die geordnete Front der.Fortschrittlichen", im Streben nach dem Er- reichbaren, einem wahrscheinlichen Siege entgegengeht. Der roman- tisch« Held ist hier in einen bedeutenden Gegensatz gestellt zu dem romantischen König(Friedrich Wilhelm IV. ), der ein Faktor ,n seiner Rechmmg ist: die psychologische Charakteristik des Königs und die Charakteristik dieser Beziehung ist eine der feinsten, noch heute kaum veralteteu Partien des Werkes. Wir können hier nicht alle Wandlungen skizzieren, die Lassalle im Laufe eines halben Jahrhunderts in der Dichtung erfahren hat. Nur dies sei erwähnt, daß er schließlich, wie fast alle Berühmtheiten der Gegenwart, auch in die Niederungen des Kolportageromans herabsteigen mußte. Wohl zur Zeit der Aufhebung des Sozialisten» gesetzes denn vorher wäre ein solches Unternehmen doch zu ge- fährlich gewesen suchte ein findiger Verleger das Interesse der wachsenden Anhängerzahl der Sozialdemokratie durch einen umfang- reichen Sensationsroman über Laffalle zu gewinnen, der in den be- kannten dünnen Heften in endloser Folge erschien. Ein brennend roter Umschlag, grell illustriert, sollte packen, auf den ersten Blick. Es ist mir nicht bekannt, ob diese grob« Spekulation Erfolg hatte.*) Auch bei dem neuen Lassalle-Roman, dessen Erscheinen zu dieser kurzen Betrachtung Anlaß bot(Lassall r. Ein Leben für Freiheit und Liebe". Geschichtlicher Roman von Alfred Schirokauer .), ist die inspirierende Göttin offenbar der Verleger gewesen. Er tritt ans Lichr als Teil einer ganzen Bibliothek von Romanen aus dem Liebesleben berühmter Männer und Frauen. Und so mußte denn. nach der großen Katharina und Ludwig XIV. , nach Lady Hamilton und Lord Nelson , nach Grillparzer .weitere Romane in Vor- bereitung" mit der Notwendigkeit eines Naturgesetzes die Reihe auch an Laffalle kommen. Aus diese kluge Weise wird dem deutschen Bildungsphilister Gelegenheit gegeben, sein Bedürfnis an Erotik zu bestiedigen, während er seine beliebte Bildung auszubreiten vor» geben darf. Das kleine Laster macht seine Verbeugung vor der kleinen Tugend. Dichter Schirokauer hat die gestellte Aufgabe mit ziemlichem Geschmack und bewährter Technik gelöst. Er kann selbstverständlich die weiten Perspektiven nicht geben, die ein Spieibagen fand. Bei dem Aelteren spüren wir in jedem Moment den Rückhalt, den er an seiner Klasse hat, als deren Vorkämpfer er sich fühlt. DaS gibt seinem Pathos die eigene Resonanz. Der Jüngere steht nur für sich und seinen Verleger ein, und daS ist kein vollwichtiger Ersatz. Für ihn liegt selbstverständlich kein Grund zur romanhaften Verkleidung deS Helden vor, wie er für Spielhagen bestanden hatte. Er muß im Gegenteil alles daran setzen, mit den Hilfsmitteln der modernen Psychologie das Problem Laffalle zu zeigen, wie er ist. So sucht er vor allem den Eindruck einer dämonisch-nervösen Lebenskraft zu feben, die den großen Agitator beherrschte und faszinierte, was in einen Bannkreis trat: Gelehrte und Arbeiter, Denker und Männer der Praxis, und vor allem, vor allem natürlich Frauen, dießranäa darne" der Berliner liberalen Gesellschaft und die Aristokratin und das»süße Mädel", die keusche Haustochter und die.Löwm" Helene: denn auf diesen punctum puncti ist ja der Roman wie das ganze Verlagsunternehmen wesentlich bezogen. Man muß es dem Ver- fasser zugestehen, daß er diese? Thema mit Diskretion zn variieren verstanden hat. Auch ist eS ihm gelungen, die geistige lieber- legenheit Lassa lleS seiner Umgebung gegenüber wirksam zur Geltung zu bringen. Nur an zwei Männern scheitert diese Ueberlegenheit, an Marx und an Bismarck . Marx steht neben dem blendenden Laffalle als der strenge Denker, ganz von dem feurigen Fanatismus seiner fiegreichen Idee beherrscht. Bismarck aber ist der Tatmensch, der die Mittel der äußere» Welt klarer erkennt, als der von seinen glühenden Gedanken getriebene Lassalle. Aber beiden gegenüber steht seine Erscheinung durchaus in ihrem eigenen Stil, in selbständiger Größe da. Gegen den Schluß hin, der freilich in keiner Darstellung dieses Lebens von Peinlichkeit frei bleiben kann, zerflattert auch dieser Roman, und die letzte Episode ist nur aufgepfropft. Nur einem großen Künstler kann eS gelingen, das Tragische dieses Laufs rein aus dem Wesenskern deS zwiespältigen Menschen Lassalle hervor- gehen zu lassen. Das beste, was Schirokauer zu geben hatte, find die Szenen und Bilder aus dem alten, eben den Weg von der bescheidenen Mittelstadt und ihrer behaglichen Enge zur gewaltig um sich greisenden Größe der Weltstadt beginnenden Berlin . Diese Schilde- rungen von Straßen und Plätzen und von Kaffee- und Biergärten derguten Zeit" find wirklich nicht ohne Reiz. Und dann die Ge- sellschaften des geistigen Berlin , in denen die exquisiten kleinen Symposien Lassalles damals weit berühmt waren. Die Silhouetten eines Varnbagen und Boeckh, von Bülow, Begas und anderen tauchen rasch und deutlich in diesem Rahmen auf.... Der Stil dieses Romans ist ohne jede besondere Eigentümlichkeit, daS typische Romandeutsch nach der Tagesmode frisiert. Es wirkt immer etwas wunderlich, wenn au« diesen geschwellten Sätzen die scharfe und blanke Rede Lasialles sich emporhebt. Um so schlimmer ist es. wenn der Verfasser dem Redner seinen eigenen Spolierstil in den Mund legt.Laß mich Dein Sein«inschlürfen"!, ruft hier Laffalle einer geliebten Frau zu. Ja, hatte denn auch der große Rhetor, wie die Literaten von heute, an Stelle der Ohren nur Federn? Ein paar Worte zum Schluß über die Ausstattung des Buches, um die sich der Verlag ersichtlich bemüht hat. Außer einem seinen polychromen JugendblldniS Lassalles find etwa fünfzig Porträts, Falsimiles und Abbildungen nach zeitgenössischen Originalen bei- gegeben, die bei dem billigen Preise des Werkes<4 M. broschiert, 5 M. gebunden) seinen zweifelhaften Wert wesentlich erhöhen. Otto Wittner. *) Der Verfasser dieses Artikels wäre dem Leser zu Dank ver. pflichtet, der ihm ein Exemplar dieses alten KolportageromanS nach. weisen könnte.