- 704— Kleines Feuilleton. Theater. Eine internationale Statistik der Theatersubventionen. Die Theatersaison hat in aller Welt ihren Anfang genommen uno gewaltige Summen werden wieder für diese Welt des schönen Scheines aufgeopfert. Daß die Theater nicht stets ein gutes Geschäft sind, geht schon aus den bedeutenden Zu- itoendungen hervor, die Herrscher und Behörden für sie aufbringen. Eine Zusammenstellung dieser Subventionen in den wichtigsten Kulturländern findet sich im„Guide musical". Am besten sind in dieser Hinsicht die deutschen Theater daran, und unter diesen steht wieder Köln an erster Stelle, dessen beide Theater im Jahre 1919 einen Zuschuß von nicht weniger als 693 909 M. erhalten haben. Dann folgen: Düsseldorf 019 000, M., Mannheim 500 500 M., Leip- zig 357 350 M.. Freiburg i. Br. 318 000 M.. Straßburg 289 645 M.. Chemnitz 283 219 M.. Frankfurt 272 500 M.. Mainz 207 000 M.. Elberfeld 137 750 M., Essen 130 000 M. In all diesen Städten erhalten die Theater zwar keine feste Subvention, aber der Stadt- säckel kommt für das Defizit auf und zahlt also in Wirklichkeit ldiesen Zuschuß. Unter den Herrschern dotiert der Kaiser von Oesterreich am freigebigsten die Theater. Die Wiener Oper erhält 600 000 Kronen feste Subvention; aber das Defizit ist ebenfalls noch beträchtlich, so daß die Zuwendungen unter Weingartners Leitung sich auf eine Million Kronen beliefen. Das Burgtheater erhält 400 000 Kr. jährlich, außerdem zahlt Kaiser Franz Josef aus seiner Privatschatulle noch Unterstützungen dem tschechischen und dem deutschen Theater in Prag und den beiden Staatsbühnen in Budapest . Der deutsche Kaiser gibt für die Berliner Oper 900 000 Mark und für das Schauspielhaus 400 000 M. Die Subvention des Prinregenten von Bayern für die beiden königlichen Theater in München beträgt 600 000 M. Die Dresdener Oper erhält 400 000 M. von der Zivilliste des Königs von Sachsen . 200 000 M. gibt der Großherzog von Hessen für das Darmstäoter Hofthcater -aus. Der Zuschuß, den der König von Dänemark den königlichen Kühnen gewährt, beläuft sich auf jährlich 400 000 Kr. Von der französischen Regierung erhalt die Pariser Große Oper 800 000 Fr. jährlidje Unterstützung, die Opera-Comique 300 000 Fr., die Co- mödic-Franoaise 240 000 Fr., das Odeon-Theater außer dem freien Hause 100 000 Fr. Die Stadt Paris gewährt dem Theatrc- Lyrique umsonst den Saal des Galte-Theaters, dessen Miete sonst 100 000 Fr. beträgt, und gewährt dem Trianon-Lyrique einen Zu- schuß. Die Stadt Lyon zahlt für sechsmonatige Spielzeit dem Direktor ihres Theaters 300 000 Fr. Unterstützung und trägt einen lbeträchtlichen Prozentsatz zur Anschaffung des Materials bei. In Marseille beträgt die Subvention 350 000, in Bordeaux 285 000 Fr. In Italien haben die Theater der großen Städte Subventionen Dom Magistrat, und außerdem tragen die Verleger zu den Kosten der Einstudierung eines neuen Werkes bei, mit dem bann die Truppen, wenn es ein Zugstück ist, durch mehrere Städte ziehen. Als vor einigen Jahren die Mailänder Scala durch den Mißer- folg einiger Novitäten in ihrer Existenz bedroht war, taten sich einige reiche Kunstfreude zusammen und stellten dem Direktor die nötigen Summen zur Weiterführung des altberuhmten Theaters zur Verfügung. In Rußland werden die Kosten für die kaiser - llichen Theater von Petersburg und Moskau vom Hofmarschallamt aus bestritten, der Hof unterhält auch Konservatorien für Musik, Deklamation und Tanz in beiden Städten, um einen tüchtigen Machwuchs heranzuziehen. Die Eleven werden völlig auf Kosten des Staates ausgebildet, müssen aber dann in den Verband der Theater eintreten und können nach zwanzig Jahren mit lebens- länglicher Pension ihre Entlassung erhalten. Nicht sehr günstig liegen die Theaterverhältnisse in Belgien . Das Theötre de la Monnaie in Brüssel erhält vom Hof eine Subvention von 100 000 Frank und 150 000 Fr. von der Stadt Brüssel, die aber dafür Eigentümerin des gesamten Fundus ist. Der Direktor muß sich Derpflichten, ein Orchester von wenigstens 80 Musikern und einen Chor von wenigstens 80 Sängern zu halten. Das Theatre du Parc erhält von diesem Jahre an von dem Staat eine Subvention von 25 000 Fr. mit der Verpflichtung, belgische Werke aufzuführen. In Antwerpen zahlt die Stadt der Oper 60 000 Fr., ebensoviel den beiden nicht königlichen Instituten, der vlämischcn Oper und dem Dläniischen Schauspiel!, aus. So erweist sich also das Theater über- all als ein ziemlich kostspieliger Luxus. Luftschiffahrt. lldber seinen am letzten Freitag vollführten kühnen Höhenflug ücröffcntlicht Roland Garros in mehreren Pariser Blättern fesselnde Schilderungen der abenteuerlichen Fahrt:„Seit acht Tagen war ich bereit, von neuem einen Angriff auf den Rekord gu unternehmen. Der Apparat, den Bleriot nach meinen Angaben konstruiert hatte, war in allen Teilen sorgfältig geprüft; aber der Himmel hing schwer voll Wolken. Endlich zeigen sich ein -paar blaue Stellen. Das Wetter scheint immer noch wenig günstig, eisige Kälte, entfesselter Wind, noch immer zu viel Wolken. mm so schlimmer! Aber wir machen den Versuch. Die Fahrt beginnt mit Benzin für zwei Stunden, mit einem Sauerstoff- Apparat und einem Kostüm, das eines Polarforschers würdig wäre. Es ist i Uhr 45 Minuten. Die Wolken erreiche ich i» etwa 1000 Meter Höhe nach 4 Minuten, und ich durchfliege sie durch ein blaues Loch. Alles ging gut ohne diese schrecklichen Wolken, die mir schon das Meer verbergen. Ich kann nur in Unter- brechungen links von mir Durchblicke auf die Erde erhalten. Ein besonders hergerichteter Barometer ist vor meinen Augen ange- bracht, so daß ich die Regelmäßigkeit des Aufstiegs genau beob- achten kann. Ich steige sehr schnell; noch fliege ich keine 10 Mi» nuten und bin schon 2000 Meter hoch. Dann 3000! Ich bemerke jetzt links von mir durch eine Wolkenöffnung die Küste; aber ich habe den Eindruck, daß ich statt mich ihr zu nähern, mich rück- wärts entferne. Und doch macht meine Maschine 115 Kilometer in der Stunde... 4000! Kein Zweifel mehr: ich werde von dem Wind entführt, der also mehr als 115 Kilometer in der Stunde machen muß. Man könnte indessen glauben, in völliger Windstille zu sein, so regelmäßig ist er. Unter mir erblicke ich von Zeit zu Zeit wie durch eine Luke ein Stück der normannischen Ebene, dank den Löchern, die ich in den Flügeln meiner Maschine habe anbringen lassen. Der Motor wird schwächer: jetzt kommen Ver- sagcr! Ich suche eine neue Dosierung des Benzins, die sie unter- drückt. Trotz der dicken Kleidung packt mich die Kälte. Um mich aufrecht zu'halten, greife ich zu der Sauerstofflasche neben mir und atme nun beständig durch ein Kautschukrohr; dabei zähle ich die Schläge des Motors, deren Zahl normal bleibt. Der Aufstieg wird mühsam. 4600! Ich habe meinen früheren Rekord wieder. Die Maschine beginnt auf der Luft, die nicht mehr trägt, zu treiben. Die Barometernadel läuft wagerecht über das Papier: ich steige nicht mehr! Der Kampf gegen Äe Versager des Motors wird schwieriger. Ich hoffe noch 5- oder 600 Meter höher zu kommen, aber ich sehe, daß mein Saucrstoffvorrat vorzeitig zu Ende geht. Nach kurzer Zeit sehe ich die Barometernadel wieder steigen. Jetzt sind es 4800, die Höhe des Mont Blanc . Ich habe nur noch einen Schluck Sauerstoff, und mein Motor setzt immer- fort aus, so daß die Nadel sogar einmal fällt. Aber ich bin wie hypnotisiert von der 5000-Meterlinie, die nur noch 2 Millimeter entfernt ist von der registrierenden Feder. Nichts wird mich dazu bringen, abzusteigen, ehe eine Panne eintritt oder das Ziel er- reicht ist. Ich suche einen günstigeren Luftstrom und nehme alle meine Hilfsmittel des alten Akrobaten zusammen. Endlich steigt die Linie wieder schwach an, und ich gewinne noch 150 bis 200 Meter. Die Atmung ist jetzt sehr mühsam. Aber da sind die 5000! Ich habe sie! Ich will sie überschreiten. Ein Unheil kündender Stoß mit einem lauten Geräusch! Mein Motor scliüttelt buchstäblich die Maschine. Mit einer fast augenblick- lichen Bewegung, die schneller ist als jeglicher Gedanke, habe ich die Zündung abgestellt und gehe zum Gleitfluge üher. Jede Schraubendrehung bringt eine heftige Erschütterung der ganzen Maschine hervor, und ich versuche den Abstieg so langsam wie möglich zu machen, um meine dadurch schon sehr mitgenommenen Flügel zu schonen. Augenscheinlich ist ein wichtiges Stück, wahr- scheinlich eine Kurbelstange im Motor gebrochen. Aber die Er- schütterungcn werden geringer und endlich steht die Schraube still. Ein mehr oder weniger scharfes Pfeifen, je nach der Schnelligkeit des?lbstiegs, begleitet den Flug. 4500 Meter trennen mich noch von der Erde, aber ich habe die deutliche Empfindung, daß ich der Gefahr entronnen bin. Bei 1500 Meter durchschneide ich die Wolken, und zu meiner Freude liegen unter mir prächtige Weide- Plätze;� ich hätte keinen schöneren Landungsplatz finden können. Es wäre ein Spiel ohne daS schreckliche Sausen, das ich seit fünf Minuten in den Ohren höre. Ich stehe gerade gegen den Wind und komme fast auf der Stelle herab. Noch einige Sc« künden der Spannung, dann lande ich sanft auf einer prächtigen Wiese. Kaum eine Viertelstunde war seit dem Unfall verflossen. der jähe Gleitflug hatte mich ganz taub gemacht. Aber ich hatte meinen Rekord!" Ans der Vorzeit. Vorgeschichtliche Rätsel. In dem französtfchcn Departement Scinc-et-Oise sind vor geraumer Zeit eigentümlich eingemeißelte Figuren an Felswänden gefunden worden, über deren Entstellung und Bedeutung sich die Forscher ihre Köpfe zer- brachen haben. Das letzte L>eft der Bulletins der Anthropolo- gischen Gesellschaft Frankreichs bringt wieder mehrere Aufsätze über diese Frage. Die sonderbaren Zeichen haben ungefähr die Form von Kreuzen mit kleinen kreisförmigen Aufsätzen an den Enden der Arme. Uebcr die vorgeschichtliche Zeit ihrer Entstehung scheint man sich jetzt geeinigt zu haben. Dr. Courth erklärt sie im übrigen für prähistorische Wagen und bringt sie zusammen mit einer primitiven Form des Pfluges, der noch heute in einer Gegend Südfrankreichs gebräuchlich ist. Professor Baudouia versetzt sie in die jüngere Steinzeit und deutet sie einfach als eine etwas abgeänderte Form des Hakenkreuzes oder der Swastika, und diese Erklärung ist ohne Zweifel weit wahrscheinlicher, da das Haken- kreuz in späterer vorgeschichtlicher Zeit eine große Verbreitung als Symbol besessen hat. Außerdem ist noch eine dritte Vermutung geäußert worden, nach der jene rohen Skulpturen als Darstellungen vorgeschichtlicher Hütten betrachtet werden sollen. Merantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.— Druck u. Verlag: VorwärtSBuchdruckereiu.Perlagsanstall Paul SingerziCo., Berlin 8XV.
Ausgabe
29 (11.9.1912) 176
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