schmerzten, sobald er sich rührte. Wie lange er so nmhcrgetrieben hatte, ein Spiel der Wellen und Winde, wußte er nicht, frug auch nicht danach. Eine merkwürdige Stumpfheit überfiel ihn. Eine Weile vergaß er das Gefährliche seiner Lage, um gleich darauf desto klarer einzusehen, daß er seinem Untergang entgegensteuere. Dann vermochte er nicht die Todesgedanken zu bannen. ..Ja," murmelte er,„einsam, hilflos auf offener See."— Gleich darauf machte sich seine Wikingernatur geltend. Er liebte das Meer. Er befestigte die Segelleine am Knopf und fühlte sich erleichtert, sie nicht mehr halten zu müssen. Kani nun ein ordent- licher Windstoß und warf das Boot um... Er dachte daran, wie es sein würde, dem zuvorzukommen und sich gleich über Bord zu werfen... Als er jedoch die Füße rühren wollte, waren sie steif. Da verfiel er abermals in Stumpfsinn und vergaß, wo er sich befand. Ter Wind hatte sich ein wenig gelegt, aber das Boot glitt be- ständig weiter. Joel glaubte geschlafen zu haben, obwohl er wußte, daß es nicht der Fall war. Die Nacht war pechschwarz. Er kam aus der Finsternis und fuhr in die Finsternis, nichts war zu unter- scheiden. Ob die Fahrt nach Süden oder Osten ging, ahnte er nicht, auch fragte er nicht danach. Er dachte einen Augenblick daran, was die Leute sagen würden, wenn das Boot mit einer Leiche irgendwo an einen Strand triebe, aber... weshalb aber? Seine Ge- danken kamen langsam und ohne Zusammenhang, wenn sie nicht mitten drin abrissen. Die Kälte war es wohl, die ihn hinderte, ordentlich zu denken. Sie stach ihm in die Haut, biß sich darin fest, drang durch die Muskeln und fraß sich durch die Knochen ins Mark hinein. LFortsetzung folgt.I fleilcb und 6rnäbrung. Es gibt ein Ernährungsproblem, das immer wieder aufs Tapet kommt, sobald das Fleisch wieder einmal teurer geworden ist: dieses Problem ist der Vegetarismus. Und da spielt gerade e i n Argument stets eine große Rolle, dem der Vegetarier nur schwer bcikommen kann: dieses schwerwiegende Argument gegen die Vege- tarier ist die verhältnismäßig geringe Länge des menschlichen Ver- dauungsohrs, die darauf hinweist, daß der Mensch sich nicht aus- schließlich von Pflanzen ernähren kann. Da wollen wir nun heute sehen, wie es um diese Dinge steht.... Wer einmal in der Küche zugeschaut hat, weiß, daß die Ge- därme in der Leibeshöhle in vielen Windungen liegen wie ein auf- . geknäulter langer Schlauch. Es ist eben die Länge des Darm- schlauches viel größer als die Körperlänge der Tiere und, um Platz in der Lcibeshöhle zu finden, muh der Darmschlauch aufgeknäult werden. Der Tarmschlauch des Menschen ist siebenmal so lang als der Körper des Menschen vom Nacken bis zum After gerechnet. Beim Hund und bei der Katze ist der Tarmschlauch fünf- und viermal so lang wie der Körper. Dagegen beträgt die Länge des Tarmschlauches beim Pferde und beim Schaf das Zwölf- bis Sechs- undzwanzigfache der Körperlänge. Nun wissen wir, daß die Ernährungsweise dieser Tiere ganz verschieden ist. Hund und Katze sind vornehmlich Fleischfresser. Pferd und Schaf sind Pflanzenfresser. Und in der Mitte zwischen den Fleisch- und Pflanzenfressern steht der Mensch, der sich von Pflanzen und Fleisch zugleich ernährt. Da liegt es nahe, zu ver- muten, daß die Länge des Darmschlauches mit der Art der Er- nährung im Zusammenhange steht: die Pflanzenfresser, wie Pferd und Schaf, brauchen einen längeren Darm, weil die pflanzliche Nahrung schwerer verdaulich ist als Fleisch, zu dessen Verdauung ein kürzerer Darm genügt, wie ihn Hund und Katze besitzen, und der Mensch, der in bezug auf die Art seiner Ernährung in der Mitte zwischen Pflanzenfressern und Fleischfressern steht, braucht einen Darmschlauch, der etwas länger sein muß als der eines bloßen Fleischfressers und kürzer als der eines bloßen Pflanzen- fressers. Ist nun dieser naheliegende Schluß richtig? Gibt pflanzliche Nahrung wirklich mehr zu schaffen, wenn sie verdaut werden soll, als Fleisch, so daß es zu ihrer Verdauung eines längeren Darmes bedarf? Das ist tatsächlich so. Das hat der russische Physiologe Pawlow gezeigt, der durch seine und seiner Schüler Untersuchungen im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte die ganze Verdauungslehre revolutioniert hat. Pawlow hat es durch eine fein ausgedachte Methodik erreicht, daß er die Arbeit des Magens(und ebenso der anderen Darmteile) genau feststellen konnte. Pawlow fand nun, daß bei der Verdauung von Brot, das ein pflanzliches Nahrungsmittel ist, fünfmal so viel verdauende Stoffe(„Fermente") vom Magen geliefert werden wie bei der Verdauung von Fleisch. Schon diese Tatsache allein zeigt uns mit größter Sicherheit, daß die Verdauung von pflanzlichen Nahrungsmitteln die Anlage eines größeren Veüauungsapparates erfordert, wie wir ihn in dem längeren Darm der Pflanzenfresser haben. Denn es ist doch klar, daß, je mehr verdauende Stoffe der Darmschlauch zu liefern hat, desto größer die Fläche des Darmes sein muß: die verdauenden Stoffe oder die Verdauungssäfte werden ja von den in den Man- düngen des Darmes gelegenen Trüsenzellen ausgeschieden, und je mehr Saft ausgeschieden werden soll, desto größer muß die Anzahl der Trüsenzellen und damit die Darmfläche sei». Diese Vergrötze- rung der Darmfläche wird nun durch die größere Länge des Darm- schlauches beim Pflanzenfresser erreicht. Von größtem Interesse in der hier behandelten Frage sind die Untersuchungen, die vor etwa acht Jahren ein böhmisch-österreichi- scher Forscher, B a b ä k, angestellt hat. Babsk stellte sich die Frage, ob es wohl gelänge, durch verschiedene Ernährung von jungen Kaulquappen Tiere mit verschieden langem Darme aufzuziehen. Er fütterte eine Reihe von Kaulquappen mehrere Monate hindurch niit Fleisch, die andere Reihe mit allerlei pflanzlicher Nahrung. Als er dann die Tierchen tötete und die Länge ihres Darmes maß, fand er, daß der Tarmschlauch der mit Fleisch aufgezogenen Kaul» quappen im Mittel 4,4 mal so lang wer wie der Körper der Tiere, während der Darmschlauch der mit pflanzlicher Nahrung auf- gezogenen Tiere eine Länge hatte, die im Mittel siebenmal so groß war wie die Äörpcrlänge der Tiere. Wir sehen, wie ganz gewaltig die Längenentwickelung des Darmes von der Art der Nahrung ab- hängig ist. Beim wachsenden Tiere, das in seiner EntWickelung auch den äußeren Einflüssen folgt und von ihnen bestimmt wird, ruft die vermehrte Tätigkeit des Tarmschlauches, wie sie bei rein pflanzlicher Nahrung notwendig wird, eine stärkere Entwickclung des Tarmschlauches hervor; dieser wird länger, wie ein häufig ge- übter Muskel dicker wird. Natürlich lassen sich solche Versuche, durch die Art der Nahrung die Tarmlänge bei wachsenden Tieren zu beeinflussen, nicht bei allen Tieren durchführen. Für solche Versuche eignen sich eben namentlich Frösche und ihnen Verwandte. Da kommt mir nun ein Vegetarier mit einem neuen Arzu- mcnt: es gibt Menschen, die allein von pflanzlicher Nahrung leben. Allerdings." Und nicht nur vereinzelte Leute, die als Ausnahme zu gelten haben, sondern ganze Volksgruppen, namentlich ein gut Teil der ländlichen Bevölkerung. Und auch der Arbeiter in der Stadt ist nur zu oft in der Woche Vegetarier, bis er am Sonntag seinen mageren Braten auf den Tisch bekommt. Aber daß die Leute allein von pflanzlicher Nahrung leben, ist noch kein Beweis, daß es so recht geschieht. Da müssen wir uns erst überzeugen, ob sie bei dieser Ernährung auch gut gedeihen und ob sie mit dieser Nahrung so recht zufrieden sind. Das ist nun keineswegs der Fall. Daß der Gesundheitszustand und speziell der Ernährungszustand der ärmeren Bevölkerung in der Stadt schlecht ist, das weiß jedermann. Und die roten Backen auf dem Lande hat auch nicht der Knecht oder der um seine Existenz schwer ringende Kleinbauer, sondern der reiche Großbauer, der für guten Schweine- braten Sinn und Geld übrig hat. Vor drei Jahren faßten zwei italienische Gelehrte Alb er- toni und Rossi den Entschluß, diese Verhältnisse wissenschaftlich zu untersuchen. Sie stellten sich die Frage, ob die Ernährung besser würde, wenn Leute, die sonst allein von pflanzlicher Nahrung leben, noch etwas Fleisch hinzubekämen. Es war eine Frage, direkt aus dem Leben herausgegriffen. Albertoni und Rossi wählten für ihre Ernährungsversuche Leute aus einer ländlichen Bevölkerung, die seit alten Zeiten ausschließlich von pflanzlicher Nahrung lebt. Eine solche Bevölkerung, die in erbärmlichen ökonomischen Verhält- nissen lebt, findet sich im Süden Italiens , in den Abruzzen. Ihre Nahrung besteht aus Maismehl, Gemüse, Olivenöl. Sie genießen keine Milch, Käse oder Eier. Fleisch kommt bei dieser Bevölkerung nur drei- bis viermal jährlich auf den Tisch. Albertoni und Rossi richteten bei ihren Untersuchungen ihr Augenmerk auf das Ei- weiß, das, wie allgemein bekannt, nicht nur einen wichtigen, sondern einen unbedingt notwendigen Nahrungsstoff darstellt, da alles Leben unseres Körpers Verbrennung von Eiweiß ist und das verbrannte Eiweiß durch frisches, das mit der Nahrung zugeführt wird, ersetzt werden muß. Sobald dem Körper nicht genug Eiweiß zugeführt wird, hungert er. Eiweiß kann durch einen anderen Nahrungsstoff, wie Stärke oder Fett, nicht ersetzt werden. Das Eiweiß ist in allen Nahrungsmitteln enthalten, in den Pflanzen wie im Fleisch; im Fleisch ist aber verhältnismäßig viel mehr Ei- weiß als in den Pflanzen enthalten. Albertoni und Rossi bestimmten nun während einer längeren Zeit die Eiweißmenge, die in der rein pflanzlichen Nahrung der Leute enthalten war. Da zeigte es sich zunächst, daß die Eiweiß- menge, die die Leute mit ihrer rein pflanzlichen Nahrung zugeführt bekommen, für eine normale Ernährung gar nicht ausreichend ist. So sind für eine normale Ernährung eines erwachsenen Mannes nach der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnis täglich e-twa 41b bis 120 Gramm Eiweiß nötig. Die armen Bauern bekamen aber täglich bloß zirka 76 Gramm für die Männer und zirka 56 Gram::, für die Frauen. Die beiden Forscher ermittelten weiterhin auch d� Eiwcißmengen, die mit dem Kote ausgeschieden wurden, um in Erfahrung zu bringen, wieviel von dem genossenen Eiweiß der Nahrung unbenutzt verloren geht.. Diese Eiweißmengen waren bei den Bauern sehr groß: sie betrugen bei den Männern 26 Gramm und bei den Frauen 17 Gramm. Es war damit erwiesen, daß von der rein pflanzlichen Nahrung ein sehr großer Teil unverdaut den Körper wieder verläßt: denn auf diese Weise gingen ja von dem Eiweiß der pflanzlichen Nahrung ein Viertel bis gar ein Drittel des aufgenommenen Eiweißes verloren. Dagegen wissen lin?, daß bei der Verdauung» von Fleisch oder Milch nur 3 bis höchstens 10 Proz.des aufgenommenen Eiweißes unverdaut bleiben und dem Körper nicht zunutze kommen.
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29 (24.10.1912) 207
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