Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 208.

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Freitag den 25. Dktober.

( Nachdruck verboten.)

Pelle der Eroberer.

Bon M. Andersen Nerö. Ueberfekt von Mathilde Mann . Bater Stolpe war sehr hart; er gehörte nicht zu denen, die gleich angesprungen famen, sobald man nur pfiff! Aber ein paar Abende, nachdem der Kleine zur Welt gekommen war, lief ihn Belle beinahe um, er schlich in einiger Ent­fernung um das Haus herum. Nun ja, er ging da und wartete auf Mutter, um sie nach Hause zu begleiten, das ging doch wohl niemand etwas an? Er tat sehr abweisend, war aber verhältnismäßig leicht zu bewegen, näher zu treten; und es währte nicht lange, bis es Ellen gelungen war, ihn aufzu­tauen. Sie hatte ihre eigene Art und Weise wie immer.

Ich will Dir nur sagen, Vater, daß nicht ich zu Dir geschickt habe, sondern Pelle. Und wenn Du ihm nicht die Hand gibst und sagst, daß Du ihm Unrecht getan hast, so werden wir nie wieder gute Freunde!"

1912

,, Nein, wir hatten gedacht, die Arbeitslosen hier zu be­schäftigen, falls sie es übernehmen wollen und einen Mann haben, den man an die Spize feßen könnte," sagte Brun.­Aber das fönnen Sie vielleicht übernehmen?"

Sie können überzeugt sein, daß ich ins kann," erwiderte Stolpe mit Selbstgefühl. Sollte ich nicht der geeignete Mann sein, Häuser für die Arbeiter zu bauen?- Ich war schon Mitglied der Partei, als sie erst einen Mann zählte!"

Ja, Stolpe ist der Veteran der Bewegung," sagte Belle. " Tod und Teufel, es wäre doch wirklich ein pußiger Zu­fall, wenn ich die Arbeit bekäme!" fagte Stolpe, als Belle die beiden Alten an die Straßenbahn begleitete. Ich will einen Stamm Arbeiter auf die Beine stellen, wie fein Mensch was ähnliches gesehen hat, und was für Häuser wir aufführen wollen! Keine Spur von Pappmaschee soll dabei sein!"

22.

Noch immer konnte es geschehen, daß Pelle erwachte und sich in der Dunkelheit nicht zurechtzufinden vermochte. Eine ,, Sie ist, weiß Gott , dasselbe hartgesottene Frauen- erstickende Angst befiel ihn, er hatte geträumt, daß zimmer, das den Stier bei den Hörnern padt, das sie immer er im Gefängnis war, nd glaubte noch den Gestank gewesen ist," fagte Stolpe, ohne sie anzusehen. Na, man des Aborts und die Ausdünstung der rohen Mauern fann wohl ebenso gut hineinspringen wie friechen, und einge zu spüren. Erst nach und nach besann er sich, wo er war; die stehen, daß man sich schweinemäßig betragen hat. Wollen wir Atemzüge, die um ihn her arbeiteten, und das warme Mit­einen Strich durch die Sache machen, Schwiegersohn?" Er wirken in der Dunkelheit selbst führten ihn zurück in sein reichte Belle die Hand. Heim. Er richtete sich froh auf und strich ein Streichholz an, um einen Schimmer von Ellen und den Kleinen zu erhaschen. Sich wieder zum Schlafen niederzulegen, wagte er nicht, der Traum würde ihn gleich wieder in das Gefängnis zurück­führen. Geräuschlos kleidete er sich an und schlich hinaus, um einen Spaziergang zu machen und den Tag erwachen zu sehen.

Als erst die Versöhnung überstanden war, wurde Stolpe ganz aufgelegt. Ich hatt es mir wirklich nicht träumen Lassen, daß ich das Mädel fürs erste zu sehen kriegen würd', und am allerwenigsten im Kindbett!"

,, Sie ist ja immer sein Augapfel gewesen, und Vater hat die Geschichte oft leid getan. Aber er macht sich ja hart," sagte Frau Stolpe.

Unsinn, Mutter!" brummte Stolpe, Frauenzimmer müssen immer schwatzen!"

Die Zeit hatte sie beide mitgenommen. Es war viel Arbeitslosigkeit im Fach gewesen, und Stolpe war jetzt bei Jahren, es wurde ihm schwer, es mit den Jungen auf dem Gerüst aufzunehmen. Man sah es den Kleidern an, daß fie nicht mehr in guten Verhältnissen waren wie in alten Zeiten. Aber Stolpe war noch immer Vorsitzender des Fachvereins und ein angesehener Mann innerhalb der Bewegung.

Und nun, mein Junge," sagte er plöglich und legte die Hände auf Belles Schultern, mußt Du mich ein bißchen ver­traut damit machen, was Du diesmal vorhaft. Ich höre, Du fängst an, die Gemüter wieder aufzuwiegeln."

Belle machte ihm mit seinem großen Plan von den Ge­nossenschaftsbetrieben bekannt, der Alte kannte übrigens aller­lei dabon, es zeigte sich, daß er aus der Entfernung Pelles Lun und Treiben verfolgt hatte.

,, Es ist am Ende gar nicht so übel das da," sagte er,., am Ende fönnten wir ganz in aller Stille das Kapital aus der Welt herausbekommen, wenn wir alle zusammen darauf los­gingen. Aber die Bewegung mußt Du auf Deiner Seite haben, und dann muß ausgemacht werden, daß jeder, der feine Partei nicht stüßt, Streifbrecher ist."

Ich habe Anschluß bekommen, aber es geht ein wenig Tangsam," sagte Belle.

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Dann müssen wir ein bißchen hinterher sein. Belle, was ich sagen wollte, dieser Sonderling, Brun heißt er ja wohl, wohnt der nicht bei Euch?"

Er ist kein Sonderling," sagte Belle. Wir können ja hinaufgehen und ihn aufsuchen."

Brun und Stolpe famen gleich in ein Gespräch mit ein­ander; sie waren gleich alt und hatten, jeder auf seiner Seite, die ersten Tage der Bewegung miterlebt. Frau Stolpe tam mehrmals und mahnte ihren Mann, sie müßten nach Hause. Na, es ist nie gut, sich mit seiner eigenen Frau zu über werfen," sagte Stolpe endlich, aber ich komme wieder. J höre, Sie bauen hier draußen, da möchte ich doch gern mal sehen, wie unsere eigenen Säufer aussehen werden."

Wir haben noch nicht angefangen," entgegnete Belle. Aber komm Sonntag heraus, dann zeigen Brin und ich Dir das Ganze."

Ihr gebt die Arbeit wohl an die Meister?" fragte Stolpe.

Es war wunderlich mit dem Traum, denn er stellte alles auf den Kopf! Im Gefängnis hatte er immer geträumt, daß. er frei war und mitten im Glückslande lebte; billiger tat.er es dort nicht! Dort war der Tag bös und die Nacht gut, und hier draußen war es umgekehrt; es war, als wenn etwas in einem immer das Ganze mit dabei haben wollte. Ob das wohl die Seele ist?" dachte er, während er gen Osten wanderte, um dem ersten Tagesschimmer zu begegnen. Daheim auf dem Lande, in seiner Kindheit hatten die alten Leute geglaubt, die Träume seien die Seele, die fich losgelöst hatte und auf eigene Hand umherschweifte; einige hatten sie als weiße Maus dem Munde des Schlafenden entschlüpfen sehen, um neue Erleb­niffe für ihn einzufammeln. Und es war ja die Wahrheit! Durch den Traum hatte der arme Mann bisher seinen ganzen Anteil erhalten, der trug ihn hinaus aus dem Gefängnis. Vielleicht wurden die Rollen in der Finsternis der Nacht ver­fauscht? Vielleicht fam die Seele des Reichen während der Nacht und schlüpfte in den Körper des Armen, um Leiden für ihren Herrn einzusammeln?

Es lag Frühling in der Luft. Bisher war er eigentlich nur in Belles eigenem Blut vorhanden, eif gebundenes Sehnen, fich auszubreiten, alle Grenzen zu sprengen. Er ging, das Gesicht dem dämmernden Tag zugewandt, und hatte ein Gefühl von unüberwindlichen Kräften. Woher er dies Gefühl bekam, wußte er nicht; aber es war da. Er fühlte sich felbft als etwas Unermeßliches, das in einem kleinen Raum eingesperrt war, und die Welt sprengen mußte, wenn er los­gelaffen wurde. Er schritt hurtig dahin, über seinem Haupt ftieg die erste Lerche auf. Langsam befreite die Erde ihr Antlig von diesem wunderlichen Schleier von Ruhe und Rätsel­haftigkeit, den die Nacht webt.

Vielleicht fam dies Gefühl von Kraft daher, daß er den Geist in Besitz genommen hatte und selbst die Uebersicht über die Welt beherrschte? Die Welt war ohne Grenzen, aber das waren seine Fähigkeiten auch; es gab teine Straft mehr, die ihn aus seiner Bahn vertreiben konnte. In seinem eigenen Fußtritt hörte er die ganze Zukunft widerhallen, die Be­wegung würde bald ein Ende haben, wenn sie erst die Lat fache verdaut hatte, daß das Ganze mitgenommen werden mußte. Noch hielt es ein wenig ichwer, man wollte von der Seite die Bedingung für das Zusammenarbeiten stellen, daß Belles Ehre wieder hergestellt wurde. Belle lachte und hob sein Antlik der Morgenbrise entgegen, die gleich einem Stälteschauer den Sonnenaufgang vorauslief. Außerhalb