. durch Leiden seinen widerspenstigen Sinn zu läutern, denn zuletzt winke ihm die große und herrliche Gnade. Aus dieser festen Heber- zeugung schöpfte er Trost. Und schließlich war ihm ja auch die See geblieben. Die Liebe zum Meer verließ ihn niemals. Stürmte eS. daß die anderen Inselbewohner Schutz suchten oder sich in ihren Häusern Verkrochen, humpelte Joel Nord hinab zu seiner wackeligen Brücke und nahm Platz in seinem grün angestrichenen Boot. Saß er am Steuerruder und die Wellen schäumten um den Stewen, vergaß er alles andere und genoß das Dasein. Deshalb war auch der Winter mit seiner gezwungenen Gefangenschaft die schwerste Zeit für ihn. Pfiff aber draußen auf dem Meer der Wind ihm um die Ohren und peitschte ihm die Wellen ins Antlitz, regten sich neue Gedanken in seinem Innern. Mährend er einsam über die Fjorde dahin- flog, predigte er mit erhobene Stimme und legte vor den eilenden Winden und schäumenden Wogen Zeugnis von seinem Glauben ab. Und stets fühlte er sich nach solcher Fahrt wunderbar gestärkt. Vierzig Jahre schwanden unter schwerer Arbeit und regelmäßig wiederkehrenden Krankheitsanfällen. Joel Nord und sein Weib waren alt geworden. Aber draußen am Meer, wo ein ganzes Jahr- hundert an der Menschen Tun und Lassen nichts zu ändern vermag, blieb sich alles gleich. Ein neues Geschlecht war herangewachsen und hatte das Erbteil der Väter angetreten, und wanderte in den Fußstapfen der Toten, dachte ihre Gedanken und wußte nicht ein- mal, daß es andere Wege gab. Unter den Gläubigen genoß Joel das Ansehen eines Patri- orchcn. Selten geschah es. daß er das Wort ergriff, dahingegen be- sorgte er die praktischen Angelegenheiten der Gemeinde. Dabei setzte er stets seinen Willen durch, und die Alten folgten ihm, denn sie dachten daran, was er ihnen einst gewesen war. Aber unter den Jüngeren stieß er auf mißbilligenden Widerspruch. Der Kauf- mann Bolen, der von seinem Vater das Geschäft nebst dem Amte eines Schöffen geerbt hatte, war der Anführer der Gegner. Er Ivollte frische Kräfte hinzuziehen und sprach von der Notwendigkeit, sich mit Politik und den kommunalen Angelegenheiten zu beschäfti- gen. Dergleichen Neuerungen waren Joel ein Greuel und er eiferte heftig dagegen. Bolen schwatzte von Steuern, Wegeverbesserung und Reichstagswahlen und gewann viele Anhänger, während Joel seine Borschläge nur mit verächtlichem Schnauben beantwortete, und die Aelteren, namentlich die Frauen, ihm beipflichtend, sich um ihn scharten. So waren die Gläubigen in zwei, einander bekämpfende Par- teien geteilt. Zu offenem Bruch wagte indessen Bolen es nicht zu bringen, er unterwarf fich bis auf weiteres und wartete. Wohl merkte Joel Nord, daß man sich über sein hartnäckiges Nein ärgert«, was für ihn nur ein Grund mehr war, desto fester zu bleiben. Gottes reines unverfälschtes Wort und nichts anderes," war sein Ultimatum. Der Schöffe hatte jedoch einen besonderen Grund. Joel mit un- freundlichen Augen zu betrachten. Er war nämlich entfernt mit dessen Frau verwandt und nach deren Tode wäre ihm ein Anteil am Gehöft zugefallen, falls sie nicht eine zweite Ehe einge- gangen wäre. sZortseyung folgt.) Sin poiitifcker Elbenreum. Im Jnielverlag zu Leipzig   hat H. H.   H o u b e n, der verdienst« volle Biograph Gutzkows und der jungdeulichen Literoturbewegung, den.Lebensroman des Mit von Dörring" nach dessen vierbändigen Memoiren-. Frogmenle" bearbeitet herausgegeben. Der .Lebensroman" in seiner jetzigen Gestalt erweist sich als eine einzig- dastehnde Bereicherung der deutschen Memoirenliieratur. Die.Her- kunst des Ferdinand Johannes Wit, gebannt von Dörring, ist ge- heimnisvoll wie fein Leben. So viel weiß man, daß seine Mutter die Frau eines Pferdehändlers Mit in Altona   gewesen ist, die noch ihrer Trennung von diesem einen dänischen Olfizier namenS von Dörring heiratete. Daß aber nicht dieser Wit, sondern der nachmalige französische Justizminister de Serre, der bis 1810 als Präsident des französischen   Appellationsgerichls in Hamburg   lebte, Ferdinand Johanne« Vater war. wird uns durch Varnbagen von Ense   berichtet. Damit hat es wohl auch seine Richtigkeit: denn anders würde die offenbar herzliche Zuneigung und das Interesse de GerreS für den jungen deutschen Abenteurer keine Erklärung finden. Erst siebzehn Jahre alt bezog Wit- Dörring die Universitär Jena  . Das studentische Wartburgfcst. das am 18. Oktober 1817 zur Er- innerung an die Reformation und zugleich an die Schlacht bei Leipzig  staltfand, sollte für die allgemeine deutsche Burschenschail, die damals gegründet wurde und die Farben schwarz-rot-gold als das Syinbol deutscher Volkseinheit erkor, verhängnisvoll werde». Die an sich harmlose Tatsache, daß bei einer zum Gedächtnis der Völkerschlacht angezündeten Siegesfeier verschiedene mißliebige politische Schriften des Luftspieldichters Kotzebue   und- des crzreaktionären preußischen Ministers v. Kamptz u. o. verbrannt wurden, veranlaßte die Regie- runge« sämtlicher s3-t) deutschen   Bundesstaaten, alle Landeshochschulen fortan unter polizeiliche Aufsicht zu stellen und die Teilnahme an der Burschenschaft   zu verbieten. Von jetzt an kamen in die heimlich weiter bestehen bleibende Burschenschaft freiheitliche Tendenzen hinein, die nach und nach auf republikanische Staatsformen abzielten. Am zumal fand diese geheime politische Jugendbewegung großen Angang; und ihre Verbreiwng auch im Innern Preußens zu be- treiben, war deren Oberhaupt Karl Follenius 1818 nach Jena   gc- kommen. Der Bund dieser.Unbedingten", wie fie sich nannten, be- zweckte die republikanische Staatsform, also Beseitigung der Man- archie, wenn nötig, durch Mord. An die Ermordung Kotzebues   durch Karl Sand   knüpften sich dann bekanntlich die im Sommer 1819 gegen die»demagogischen Umtriebe" gefaßten Karlsbader Beschlüsse. Die Unbedingten, vor allen die Brüder FolleniuS, Wilhelm Snell u. a. flüchteten ins Ausland. Diese kurze Darlegung mußte vorausgeschickt werden, um den Lesern die Beziehungen des jungen Wit-Dörring zu den Geheim­bündlern klar zu machen. Wit war, mit Sand, ein ganz Un- bedingter. 1818 war er bereits nach Paris   gegongen, um für studentische Flüchtlinge Pässe nach Frankreich   zu erwirken. Zurück- gekehrt, wurde er 1819 von Jena   relegiert, weil er eingestandener- maßen einen Triumphbogen eingerissen hafte, den der Wirt des Burgkellcrs zu Ehren der verwitweten Kaiserin von Rußland er» richtet hatte. Tatsächlich war dieser Dummejungenstreich von zwei anderen Kommilitonen verübt worden. Wit wollle aber, wie er schreibt, verhüten, daß dieserhalben die ganze Burschenschast an- geklagt würde, daher benannte er sich selbst als Uebeltäter. Aus ähnlichen edlen Beweggründen soll er gehandelt haben, indem er sich auch zur Autorschaft des von Karl FolleniuS verfaßten Bundes- liedeS.Dreißig oder Dreiunddreißig" auch noch lange Jahre nach- her bekannte. Jenes Folleniussche Gedicht lautete: Menschenmenge, große Menschenwüste, Die umsonst der Geistesfrühling grüßte, Reiße, krache endlich, altes Eis! Stürz' in starken, stolzen Meeresstrudeln, Dich auf Knecht und Zwingherrn, die dich hrdestt, Sei ein Volk, ein Freistaati werde heiß! Bleibt im Freiheitskampf das Herz dir frostig, In der Scheide wird dein Schwert dann rostig, Männerwill«, aller Schwerter Schwert; Wird es gar im Fürstenkampf geschwungen, Bald ist es zerschroten, bald zersprungen: Rur im Volkskampf blitzt«S unversehrt. Turmhoch, auf des Bürgers und deS Bauern Nocken, mögt ihr eure Zwingburg mauern, Fürstenmanrer, drei und dreimal �zehn I Babels Herrentum und faule Weichheit Bricbt mit Blitz und Donner Freiheit  . Gleichheit, Gotlheit aus der Menschheit Matterwehn. In beiden Fällen handelt Wit jedoch aus großprahlerifcher Eitelkeit, mit der seine Charakterlosigkeit, wie sich bald zeigen sollte, Hand in Hand ging. Da nun seines Bleibens nicht mehr in Deutsch  - land war, flück-tete er noch England. Und von jetzt an beginnt sein politisches Abenteuerleben, wobei fich denn seine Jannsnatur in voller Deutlichkeit enthüllte. Einigermaßen läßt fich diese Anlage aus seiner Jugendlichkeit erklären. Kaum ein neunzehnjähriger Bursche, wird er dank gewichtiger Empfehlungen in den SalonS der höchsten Geburts- und GeisteSaristokratie gleich von Anfang an siir voll genommen, demgemäß mit Auszeichnung behandelt und jedes Vertrauens gewürdigt. Ein gerstreicher Blender bewegt er sich sehr sicher in jener exklusiven Gesellschaft. Hinzukam, daß er durch mrlimonarchische, revolutionäre Aufsätze über die damalige politische Lage Deutschlands  , die er imMornmg Chronicle" der- öffentlrchte, im Handumdrehen zum Ansehen eines bedeutenden Schriftstellers gelangte, was ihm allerdings eher schädlich als nützlich" wurde. Jene Artikel verfehlten nicht, bei den deutschen Regierungen großes Anstehen zu machen und der preußische Gesandte erhob Be- schwerdc, der die Londoner   Geheimpolizei insoweit Gehör schenkte, als fie den keckenRevolutionär" bewachen ließ. Rasch kam dieser selbst auch dahin. Schlauheit mit Vorsicht zu verbinden. In den Zirkeln der Liberalen und besonders der fremdländischen Republikaner  propagierte er den Umsturz; in den Salons englischer HochtorieS undMinisterieller" spielte er den Etockaristoftatcn. Ja, er betrieb dies Täuickmiigsmaiivver soweit, daß er.natürlich anonym und im größten Geheimnisie" im ministeriellenCourier" gegen seine eigenen zuvor imMorning Chroirrcle" publizierten revolutionären Artikel ickiarf zu Felde zog. Das hmderle ihn aber nicht, von Paris   aus zugleich auch inCottas Allgemeiner Zeitung" um vierteljährlich 1000 Fr.'monarchische Gesinnung zu heucheln und nebenher sowohl mir der,ärgsten Ultras"(FolleniuS u. a.i, den französischen   Ministeriellen und den Jakobinern in ständiger Fühlung zu verbleiben teils aus Furcht vor seinen burschenschaftlicbcn Freunden, teils aus Eitelkeit. DaS er- weist er einerseits durch seine Bemühungen um die Gründung einesliberalen Aristokratenbundes", andererseits dadurck-, daß er, während er mit den Unbedingten ein Herz und eine Seele zu sein vorgibt, gerade deren geheime Konspirationen und umstürzlerische Anschläge ihren ärgsten Feinden verrät. Mehr als einmal macht er, angeblich anS Besorgnis für das allgemeine Wohl der Völker und Regierungen den gemeinen Denunzianten, Nichtsdestoweniger muß