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" Ihr habt den Rest Eurer Steuern noch nicht bezahlt!" Das ganze Dorf erbebte.

Wenn es Gott gefällt", antwortete der Bürgermeister, so be­zahlen wir alle unsere Schulden bei der Ernte. Augenblicklich befizen wir nichts."

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Der Bürgermeister selbst führte sein Pferd umber, doch der fals daß sie ihnen nicht entsprechen könnten. In dem Moment Gendarm sagte noch nichts. In ängstlicher Erwartung umringten aber, wo der reiche Bummler mit geistigen und fittlichen Defekten ihn die Bauern. Es wurde Kaffee getrunken, und nur um etwas in Geloverlegenheiten tommt, weil er sein Vermögen bergeudet zu fagen, fragte der Gendarm den Bürgermeister: hat oder weil seine Angehörigen ihn im Stiche gelassen haben, ist die Gelegenheit für den ersten Konflikt mit dem Gesetz gegeben. Der Weg ehrlicher und sei es auch standesgemäßer"- Ar beit ist ihm wegen seiner frankhaften Anlagen verschlossen. Ec wird zum Falschspieler, zum großzügigen Bechprelle zum Wechsel fälscher. Wie häufig haben wir Gelegenheit, uns zu überzeugen, daß irgendein wohlgeborener Mann mit krankhafter geistiger Veranlagung schlecht und recht seiner gesellschaftlichen Pflicht als Nichtstuer gerecht wird, um urplötzlich sich in einem sensationellem Prozeß als Verbrecher zu entpuppen, den dann die sachverstän digen Aerzte den Anforderungen der Wissenschaft gemäß als nicht zurechnungsfähig erklären müssen.

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Dann sagte der Gendarm, er hätte noch im nächsten Dorfe zu tun, zog einen Brief aus der Tasche und gab ihn dem Bürger­meister. Dann stieg er aufs Pferd und ritt fort.

Da atmete das ganze Dorf auf.

Der Bürgermeister öffnete den Umschlag. Sie warteten auf den Imam , der den Brief lesen sollte. Endlich geschah es- Hassans Erbschaft tam aus dem Satanslande und die Behörde suchte seine Erben. Achtundsiebzig Biaster und ein Schaf!

Mit Tränen in den Augen kehrte Zehnebs Vater heim. Zeynebs Herz war bedrückt, als sie ihn nur sah, und sie fragte ihn. Er aber antwortete nicht, umarmte sie und die Tränen rollten ihm in den weißen Bart.

Noch immer sieht Zeyneb, die Braut, ihren Hassan vor Augen, wie er im Schatten eines dürren Strauches auf dem heißen Sande fitt und auf eine fröhliche Botschaft aus dem Heimatdörfchen wartet, und sieht ihn sterben, einsam und verzweifelt ( Deutsch von H. Hesse.)

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Der Verbrecher.

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Aber stellen wir uns vor, derselbe Mann wäre in ärmlichen Verhältnissen geboren. Schon mit seinem 14. Jahre muß er vbera dienen. Schon normalerweise wäre er damit in Abhängigkeit von den unsicheren äußeren Verhältnissen der Lohnarbeit gelangt. Seine Arbeit aber wird er nicht recht tun, und bald hat er Schiffa bruch erlitten. Er wandert von Werkstatt zu Werkstatt, weil ihn niemand haben will oder kann. Mit 18 bis 20 Jahren wird er zum Herumtreiber und schließlich zum wirklichen Vagabunden. Er kann gar nicht anders: das erwächst mit Notwendigkeit aus der Tatsache, daß er mit seiner frankhaften geistigen Anlage dem Leben nicht gewachsen ist.

Je schwieriger zurzeit der Daseinskampf ist, desto mehr Aus ficht ist vorhanden, daß ein Proletarier mit geistigen Defekten ime Kampfe ums Dasein erliegen wird. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen und Arbeitslosigkeit steigt die Zahl der Verbrechen an: es ist wieder eine neue Anzahl von Leuten mit angeborener geistiger Schwäche erlegen und hat den Weg des Gewohnheitsvers brechers betreten.

Der Laie bersteht unter Geisteskrankheit im allgemeinen einen Zustand, der bernünftiges" Denken ausschließt. Die einzelnen frankhaften Züge im Wesen eines Menschen, der ihm sonst gesund erscheint, weil er ganz vernünftig denkt, sieht er nicht als Zeichen Noch ein Moment gesellschaftlicher Natur kommt hinzu, das einer Geisteskrankheit an. Bestenfalls sind es in den Augen der den reichen geistigen Schwächling vor dem Weg des Verbrechens Laien Schrullen", die Folgen schlechter Erziehung" oder bewahrt. Das ist die Erziehung. Namentlich, wie das bei reichen schlechter Gesellschaft", die einen sonst normalen Menschen zum Leuten ja der Fall ist, wenn der geistige Defekt frühzeitig erkannt Sonderling, der in seinen Wünschen und Neigungen ob gut wird und die Erziehung demgemäß eingerichtet werden kann. oder böse von den übrigen Leuten abweicht, machen, oder ihn Man richtet dem Betreffenden einen speziellen Unterricht ein, auf die abschüssige Bahn gesetzwidriger Handlungen führen. hält ihn von allerlei äußeren Gefahren, wie unpassende Gesell­Es ist bekannt, daß vor mehreren Jahrzehnten der italienische schaft, Ueberanstrengung im Spiel usw., zurüd. Ganz anders Gelehrte Lombroso die Theorie aufgestellt hat, daß wir in den bei armen Leuten, wo häufig das mangelnde Verständnis der meisten Verbrechern kranke Leute vor uns haben, daß es einen Eltern die Situation des geistig zurückgebliebenen Kindes zu einer besonderen Verbrechertypus gebe. Lombroso glaubte, bie förper- Tortur für dasselbe gestaltet. lichen Zeichen, die dem Verbrecher schlechtweg eigen sind, genau erkannt zu haben. Die meisten Gelehrten lehnen heute die Theorie Lombrosos über den Verbrechertypus" ab. Aber die eingehenden Spezialuntersuchungen der Jrrenärzte in den ver­schiedenen Ländern haben gezeigt, daß, wenn es einen bestimmten Verbrechertypus auch nicht gibt, doch ein großer Teil der Ver­brecher als geisteskranke Leute anzusehen sind. Nicht verrüdt", wie der Laie jeden Geisteskranken auffassen möchte! Aber mit frankhaften Zügen behaftet, deren Bedeutung als Zeichen eines franten Geistes und deren Beziehungen zum Verbrechen den forschenden Blicken des Arztes nicht entgehen.

Zunächst ist hier die große Armee der Bettler, der Arbeits­scheuen und Landstreicher zu nennen. Von ihnen sollen 75 Pro­gent angeborene geistige Defekte zeigen. Ihre Arbeitsscheu ist eigentlich eine Arbeitsunfähigkeit, fie haben einen Wandertrieb, der sie von Ort zu Ort treibt, in moralischen Dingen find fic böllig gleichgültig, der größte Teil von ihnen sind Trinker. Alle diese Dinge erwachsen bei ihnen auf der Grundlage ihrer ange borenen geistigen Schwäche. Auch ein großer Teil der Zuhälter und der allerlei dunkle Geschäfte betreibenden Gristenzen gehört in diese Gruppe der Ausgestoßenen der Gesellschaft hinein. Bietet sich die Gelegenheit, so wird der Bettler, der Arbeits­scheue, der Vagabund zum Verbrecher. Er begeht einen eine fachen Diebstahl, vollbringt einen Einbruch, macht sich eines Sitte lichkeitsverbrechens schuldig. Sein ganzes Leben ist eine Kette fürzerer oder längerer Freiheitsstrafen, unterbrochen durch Land­streicherei und Aufenthalt in Asylen für Obdachlose.

Diese Gewohnheitsverbrecher stammen fast durchweg aus den ärmeren Klassen der Gesellschaft. Sie sind Kinder von Bettlern oder Landstreichern und uneheliche Kinder. Mit der Feststellung dieser Tatsache kommen wir zu einem anderen wichtigen Moment, das mit herangezogen werden muß, wenn wir das Verbrechertum begreifen wollen. Das sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Verbrecher machen.

Damit, daß einer angeborene geistige Defekte hat, ist er noch durchaus nicht zum Verbrecher bestimmt. Seine Unfähigkeit, sich im bielgestaltigen Leben zu orientieren, die sittlichen Anforde­rungen, die das Zusammenleben der Menschen erheischt, zu be­greifen und ihnen gerecht zu werden, die Unfähigkeit, seine Inter­essen auf irgend einem Bunkte sei es Arbeit und Schaffen, oder Weib und Familie, von höheren Genüssen gar nicht zu sprechen zu fonzentrieren, das alles macht ihn noch nicht zum Verbrecher. Wir treffen in den sehr wohlhabenden Schichten sehr häufig Leute mit ausgesprochenen geistigen Defetten an, ohne daß sie Verbrecher wären. Sie sind häufig sogar sehr gern ge­sehene Glieder der goldenen Jugend" die Anforderungen, die ein Saufgelage an einen stellt, sind wirklich nicht allzu groß,

Neben den Verbrechern, die geistige Schwäche aufweisen, kommen noch Geisteskranke im üblichen Sinne des Wortes als Verbrecher in Betracht. Epileptiker, Idioten und Patienten mit fogenanntem jugendlichen Frresein" füllen in großer Anzahl die Reihen der Verbrecher. Auch sie werden aber nicht allein wegen ihrer Krankheit Verbrecher, sondern wegen der sozialen Verhält niffe, die es mit verschulden, daß Kranken der Kampf ums Da sein aufgebürdet wird.

Alle diese kranken Verbrecher kommen zur Strafe" ins Ges fägnis. Nach einiger Zeit werden sie entlassen. Natürlich ist mit der Strafe" nichts erreicht sie verfallen mit Notwendigkeit ihrem früheren Lebenswandel. Aber gereift und mit neuer Gra fahrung ausgerüstet. Der dauernde gemeinschaftliche Aufenthalt. im Gefängnis gibt ihnen häufig reichliche Gelegenheit, das Ver­brechen kennen zu lernen. Mancher Plan zu neuen Verbrechen wird in der Haft geschmiedet, mancher Bund für Unternehmungen größeren Stils im Gefängnis geschlossen.

Da wird man sich natürlich fragen, wie denn anders? Es ist doch klar, daß man Leute, die mit Notwendigkeit Gewohn heitsverbrecher sind, nicht frei herumlaufen lassen kann. Aber auch das Gefängnis schützt die Gesellschaft vor dem Verbrecher nur dann, wenn der Verbrecher dauernd in Haft bea lassen wird. Das ist nur in einer Minderzahl der Fälle der Fall. Gerade der Gewohnheitsverbrecher, der gewöhnlich nur weniger schwere Verbrechen verübt, kommt in mehr oder weniger kurzdauernde Haft.

Eine moderne Strafrechtslehre muß die Unsinnigkeit des Gea fängniswesens einsehen und neue Wege für die Bekämpfung des Verbrechertums aufweisen. Diese Wege sind angezeigt durch die Bedingungen, aus denen das Verbrechen erwächst: durch die krant hafte Anlage des Verbrechers und durch die gesellschaftlichen Zu­stände, den Daseinskampf, die den krankhaft veranlagten zum Verbrecher machen. Ein modernes Strafrecht muß den Verbrecher ins Strankenhaus steden, nicht ins Gefängnis. Der Verbreajer muß ins Asyl kommen, wo nicht Gefängniswärter, sondern das ärztliche Personal über ihn wacht. Genau so wie das heute bei ausgesprochenen Geisteskranken, die gemeingefährlich sind, im Irrenhause der Fall ist. Im Krankenhause oder Asyl soll der Verbrecher zu nüßlicher Arbeit angehalten werden, nicht aber nach Art des Zuchthauses, sondern in weitgehender Anpassung an die Wünsche des einzelnen. Dieser Grundsatz ist in den Frren­häusern, den Anstalten für Epileptiker und in andern Versor­gungsanstalten überall durchgeführt. Er macht gar keine Schwie­rigkeiten. Aus dem Verbrecherasyl soll dann niemand entlassen werden fönnen, bis sich die leitenden Personen überzeugt haben, daß er nunmehr wirklich gebessert, dem Daseinstami fe gewachsen und damit für die Gesellschaft unschädlich geworden ist.