Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 224.

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Sonnabend den 16. November.

( Nachdrud berboten.)

Die Oberwälder.

Vor Alfred Bock  .

Der Kaspar Benner hatte die Geschichte mit dem Knecht erfunden. Daheim saßen ihm zwei heiratsfähige Töchter, die auf Männer lauerten. Niemand sollte erfahren, daß er in feinen Verhältnissen zurückgegangen war. Das Darlehn ge­brauchte er, fällige Zinsen zu decken.

Nun beeilte er sich, die Bürgen zu holen und machte dem Kappes am Hirscheck Plaz. Der brachte in einer Geldkage tausend Mark, die er als Spareinlage niederlegen wollte. Der Krämerskarl veranlaßte ihn, Mitglied zu werden, weil das Kapital sich dann besser verinteressiere. Ein Dritter, der hereingestolpert fam, hatte ein Grundstück gesteigert, doch war er nicht imstande, die eingegangenen Zahlungsbedingungen zu erfüllen. Was ihm an Geld fehlte, erbot sich der Karl vor­zuschießen, dafern ihm der Kaufschilling überlassen werde. Daß das Gelände zu teuer gekauft, eines Tags auch im Wert gesunken sein könne, zog er nicht in Betracht.

Neben den Antragstellern standen an Bahl die Einleger nicht zurück. Große und kleine Bauern gaben einander die Türe in die Hand.

In würdevoller Haltung, mit einem Blick, der jeden zu durchdringen schien, übte der Krämerskarl sein Rechneramt aus. He hatt von jeher ein' lernischen Stopf," sagte der Kappes zur Pörtegritt, allemeil angelt he Dukaten!" Die Alte überzählte, was fie im Laden vereinnahmt hatte, und wußte danach nicht, ob sie auf dem Kopf oder auf den Füßen stand. Siebenundfünfzig Mark! Ei die Kränk! Das war in Jahr und Tag nicht dagewesen. Wenn das Geschäft so weiter blühte, wurde der Karl ein steinreicher

Mann.

Kurz vor Kassenschluß begehrte der Lipps Menz den Rechner zu sprechen. Er betrieb neben seinem Gütchen Schneiderei. Das Unglück hatte sich bei ihm eingenistet. Bon vieren seiner Kinder waren drei an der Bräune gestorben. Während die Kleinen daniederlagen, war das Geld zu allen Türen hinausgegangen. Nun hatte der Lipps eine Schuld von neunzig Mark zu entrichten und stand vor der Not­wendigkeit, seine letzte Kuh zu verkaufen, wenn ihm niemand aus der Verlegenheit half. Wegen eines Bürgen hatte er sich vergeblich bemüht.

" Ich fenn's," sagte der Krämerskarl teilnahmsvoll. Wann eins unten liegt, tappelt alles auf ihm herum. Sei stät, du kriegst von mir die neunzig Mark. Schick deine Frau. Sie mag den Schuldschein unterschreiben."

Daß er sich mit diesem Verfahren gegen die Sagungen der Genossenschaft verstieß, wußte er wohl. Schlimmsten­falls," dachte er, stopf ich das Roch mit meinem Garn."

1912

gemacht hatte, ging ihm wider den Strich. Die Kasse mußte einen Zug ins Große bekommen. Auf sein Betreiben waren die Statuten dahin geändert worden, daß nicht nur Ortsan­gehörige, sondern alle vertrauenswürdigen Personen die Mit­gliedschaft erwerben konnten, die zehn Kilometer im Umkreis wohnten. Die Kasse sollte ein Sammelbecken werden. Nur mit großen Mitteln fonnte man ein großes Kapital ge winnen. Ein wohliges Gefühl durchströmte ihn. Endlich stand er da, wo er hingehörte. Nicht daß der Platz ihn ehrte, er ehrte den Plat. Die Zeit her hatte er den Prozern, den Strohköpfen den Lakai machen müssen. Jetzt war er der erste Mann an der Sprize.-

In den folgenden Wochen war der Budrang zur Kasse nicht so stark, wie der Krämerstarl in seiner Einbildung sich vorgestellt hatte. Gut Ding wollte Weile haben. Ein paar Hypotheken gelangten zur Ablösung, die mit ihren hohen Der Schreiner  Zinsen kleine Besizer bebürdet hatten. Stumpf wurde von seinem Manichäer, einem Holzhändler in Gorndorf  , befreit. Auch vom Löb Heymann aus Dir­der Genossenschaft denke, sagte er: Neue Besen kehren gut. Lamanen fielen drei alte Kunden ab. Befragt, was er von ann ihr erst mit der Nas' in Dreck gefallen seid, dernachert wollen wir uns emal wieder sprechen."

Der Krämerskarl brannte vor Ungeduld, den Geschäfts­umsatz vergrößert zu sehen. War er früher wenig oder gar nicht aus seiner Klause gekommen, besuchte er jetzt die um­liegenden Ortschaften, für die Ausbreitung der Kasse zu wirken. Ward ihm entgegengehalten, man habe von diesem und jenem Bankkrach gehört, und passiere etwas, müßten alle den Riemen ziehen, sprach er mit dem Brustton der Ueber­zeugung:" Wir arbeiten mit Besonnenheit. Unser Grund­saß ist: besser vorgesehen als nachberent. Wir stehen so fest wie die Londoner Bank.' s gibt Leut', die alles durch die Angstbrille sehen. Die können einem leid tun. Die werden nicht fett." Sein sicheres Auftreten machte auf die Bauern Eindruck. Selten, daß er heimkehrte, ohne den einen oder andern der Kasse gewonnen zu haben.

Auf einem seiner Werbegänge, nahe bei Herbstein  , lernte der Krämerskart den Bauunternehmer Bisping kennen. Das war ein Herr in den besten Jahren mit einem Biedermanns­gesicht, das ein blonder, leicht angegrauter Vollbart um­rahmte. Er erzählte, er sei Westfale, habe in Dortmund   ein Geschäft gehabt und wohne gegenwärtig in Lauterbach. Seine Frau, eine Rentmeisterstochter aus Hirzenhain, sei Fränklich und habe die Luft im Kohlenbecken nicht vertragen können. Ihr zuliebe bringe er jeßt seine Tage in unfrei­willigem Nichtstun hin, doch hoffe er, daß sich ihm über kurz oder lang eine Gelegenheit biete, seine Arbeitskraft wieder nugbar zu machen.

Wie geht's dann Ihrer Frau mit der Gesundheit hier oben?" fragte der Krämerskarl.

Sie schilt auf die Arzneien, die ihr die Doktoren ver ordnet haben," antwortete der Bauunternehmer. Ich meine, das ist ein gutes Beichen."

Der Krämerskarl lachte.

Nach der Nachtsuppe zündete er seine Pfeife an und setzte sich auf die Bank vor dem Haus, noch ein wenig die frische Luft zu genießen. Mit dem Ergebnis des ersten Kassentags konnte er zufrieden sein. Der Lehrer war ein guter Prophet. Der Geschäftsverkehr, wie er sich heute abgespielt hatte, ließ Die Arzneien helfen immer. Wenn nicht dem Kranken, erkennen, daß das Kavital der Großen in Umlauf kam und so doch dem Apotheker. Daß aber die Luft bei uns was aus­den Kleinen fördersam wurde. Die Zahl der Mitglieder war machen tut, das ist gewiß.' s mag ein Jahrer drei, vier her auf siebenundachtzig gestiegen. Ein schöner Erfolg! Und sein, da kam in Herbstein   dem Oberförster Lang sein wem gebührte der Donk dafür? Wenn man ehrlich sein Schwiegervater an. Der hatt mit dem Herz zu schaffen. Und wollte, nur dem Lehrer. Der hatte die Sache beim richtigen war so herunter, daß er keinen Schritt vor die Tür seßen Ende angefaßt. Daß er jetzt, wo der Sieg seine Mühe krönte, fonnt. Er stand schon in den Sechzig. Gucken Sie sich den sich jeglicher Teilnahme an der Rasse enthielt, gereichte ihm Mann alleweil emal an. Der ist so gefund wie ein Kürbis. zur doppelten Ehre. Er hatte es offen ausgesprochen: Mir und ficht ihn kein Wind und kein Wetter mehr an. geht die Geschäftserfahrung ab. Der berufene Mann, nimmt's mit dem Jüngsten auf. Gute Luft ist das halbe Krämerstarl, find Sie!" Der Karl hob den Kopf empor, und Leben!"

Und

feine Augen leuchteten. Für alle Fälle war er der berufene Unter lebhaftem Gespräch erreichten die Wanderer Herb­Mann! Und es sollte ihm feiner ins Handwerk pfuschen. stein. Im Gasthaus zum Oberwald fehrten sie ein. Bei Eins war ihm heut zur Gewißheit geworden: die Läpper- einer Flasche Wein, die er spendierte, erfuhr der Bauunter­schulden blieben nicht aus. Damit mußte wohl jede Genoffen- nehmer, daß sein Weggenoffe sieben Jahre in Dortmund   eine schaft rechnen. Uebrigens fab er sich seine Leute gründlich Stelle innegehabt hatte, Verhältnisse halber in sein Heimat­an. Unsichere Kantonisten würden vor ihm keine Gnade dorf zurückgekehrt war und dort das Amt des Rendanten der finden. Wer unverschuldet im Elend war, dem durfte die Spar- und Darlehnskasse bekleidete. Rasse ihren Beistand nicht versagen. Etwas Gutes tat man gern. Aber die Kleinigkeitskrämerei, die sich heute schon bceit

,, Sieben Jahre hat Sie die rote Erde getragen?" rief Bisping überrascht. Da sind wir ja halbe Landsleute!"