CIOSO

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meinen Platz. Und find mein Brot. Aber ich hab meine Vischer gesprochen- ist nicht haltbar, aber immer verrät es Glaß­Feinde, droben und drunten.' s sollte nur einmal lautbar brenners hohes Biel. werden, daß Du hier nachts bei mir warst, das Maulrücken würde kein Ende nehmen. Ich bitt Dich, geh!"

Ich hab mich mit meinem Vater verworfen," brachte sie mit zitternder Stimme heraus. He hat mich von Haus und Hof gejagt. Das all wegen Dir!"

" Und wenn!" sagte er hart. Hier kannst Du nicht bleiben. Ich will dem Skandal keine neue Nahrung geben. Geh, Marie, geh!"

Sie fühlte, wie ihr Herzschlag stockte. Um ihrer Ver­lobschaft willen hatte der Bater sie verflammt und verstoßen. Ihr Bräutigam, bei dem sie Zuflucht suchte, trieb sie mit barschen Worten fort. Das war mehr, als Fleisch und Blut ertragen konnten. Weilandt sprach nur von sich, immer nur von sich. War sie denn nichts, rein nichts neben ihm? Sie hatte doch auch etwas zu verlieren, hatte doch auch ihr Ehr­gefühl. Freilich, in ihrer Arglosigkeit hatte sie gar nicht so weit gedacht. Sie wäre die ganze Nacht bei ihm geblieben. Und wenn sie mit Fingern auf sie gewiesen hätten und ge­schmüßelt hätten: Die hat die Nacht beim Lehrer fampiert!" Sie hätt's auf sich genommen. Für ihn hätte sie alles, alles getan. Ich geh!" sprach sie mit zuckenden Lippen. Und band ihr Kopftuch um und ging. Draußen war, nachdem es tagüber fast windstill gewesen, mit einem Male der Südost aufgesprungen und schnaubte sie Sie achtete dessen nicht, schritt an der Kirche vorüber, die Eichgasse hinunter. Ihr war, als bräch ihr das Herz entzwei. Die Gerechtigkeit konnte den Weg nicht mehr finden, die Liebe lag auf der Totenbahre. Wie war denn all ihr Leben gewesen? Doch nur ein Leben mit ihm, vor dem alles für sie in nichts versank. Es war immer dasselbe und war immer neu. Jeder Tag war doppelt gezählt. Frühmorgens, wenn sie ihr Werk begann, wanderten ihre Gedanken zu ihm und waren bei ihm den ganzen Tag. Abend für Abend, eh fie zur Ruhe ging, holte sie aus ihrem Schrein das Lieder­buch, das sie von ihm bewahrte. Selbigmal, da er es ihr schenkte, waren sie noch nicht einig gewesen. Er hatte ein Lied angestrichen. Nur mit einem winzigen Strichelchen. Aber sie merkte es gleich. Das Lied hieß:

Wenn von Papier der Himmel wär' Und jeder Stern ein Schreiber,

Seine Volkstypen zeichnet Glasbrenner; mit liebevoll eingehen dem Humor; bei dem Abbild der äußeren Wirklichkeit aber bleibt er nicht stehen: ihre Rede spinnt sich zur Satire aus, und beides ergibt im Zusammenwirken eine Fülle geistiger Anregung, deren Kraft sich nicht beim ersten Anhören erschöpft. Leben scheint sich oft in Leben zu schieben; es ist, als arbeite er mit dem dreiteiligen Spiegel, der seinen Gegenstand von allen Seiten zugleich schauen läßt. Was die Typen, die er zeigt, treiben, wie sie denken, alles wird im selben Augenblickt sichtbar, und wenn sie sich politisch unter­halten, schließt sich hinter dem unmittelbar nahen Bilde die ge­schichtliche Welt bedeutungsvoll belebt und beleuchtet auf. Darin offenbart sich Glazbrenners urechter Humor und dessen künstlerische Kraft. Die Politik hat seinen Wiz zu den stärksten Leistungen empor geführt und viel, viel von dem vor Jahrzehnten Geschriebenen ist noch heute erdfrisch, weil der Mensch, der betrachtende sowohl als der geschaute, als ein Stüd blutlebendiger Natur darin pulsiert. Jch ahme das Leben nach," erklärte Glaßbrenner, und er wollte damit sagen, daß seine Kunst, Menschentypen zu zeichnen, in feines Meisters Lehre gelernt, sondern sein selbstgeschaffenes Eigentum ſei. Mit dem Eckensteher Nante begann die Reihe der typischen sollte dastehen als der greifbare Proletarier, der, auf Gelegenheits­Gestalten, die er aus der Zeitwirklichkeit herausholte. Sein Nante arbeit wartend, an den Berliner Straßenecken zu finden war, " Sonnenbrater" genannt oder auch Schildkröte", wegen der polizei­lich befohlenen Listennummer am Arm; er sollte ein Bild des echten Eckenstehers sein, wie er leibt und lebt, wie er denkt und spricht, wie er ißt und trinkt, ein Prototyp diefer Leute und der untersten Volksklasse Berlins überhaupt". Dem Nante folgte der Gudfastner, auch der ein Proletarier, und wie diese formte er in fleinen, besikfesten Bürgerstandes Berlins , gering an Wiffen, aber den dreißiger Jahren auch den Rentier Buffey, den Typus des bildungseifrig und von gesunden Instinkten und mit dem Herzen auf dem rechten Fleck: immer wieder betont Glaßbrenner, hierauf tomme es an. In dem Heft von der Berliner Volksjury rühmt er den Bürger, der nicht richtig spricht, aber mehr Recht sprechen wird, als der richtig sprechende Rechtsprecher". Und sein Rentier Buffeh tut sich rechts und links um, in bürgerlichen so gut wie in re­aktionären Zusammenkünften, wo debattierend Meinungen ver­scheuen Barudgesellschaft". Das wichtigste an diesen Gestalten, treten werden, und steht vor allem seinen Mann in einer licht­bie zwei Jahrzehnte lang in Glaßbrenners Schriften eine bedeut­jame Rolle spielen, ist die Eigenschaft, daß sie sich jeder Situation gewachsen zeigen.

Und jeder Schreiber hätt' tausend Händ', Sie schrieben nicht unsere Lieb' zu End'. Das gefiel ihr gar gut. Sie fang es im Bett liegend noch vor sich hin. Und schlief darüber ein. Einmal an Bauli- Be­fehrungstag hatte sie sich, wie die Mädchen taten, mit aufwachsen ist,... ist es nicht nur ratsam, sondern notwendig, das gelöstem Haar verkehrt ins Bett gelegt und hatte den Spruch hergesagt:

Der mir auf dieser Erden Zum Mann soll geben werden, Bater laß den einen

Mir im Traum erscheinen!

Und Weilandt war ihr im Traum erschienen.

Daß Glaßbrenner sich um diese Gestalten mit der Aufmerk samkeit eines Volksforschers, dem jede kleinste Anekdote wertvoll erscheinen muß, mühte, dazu trieb ihn ein sehr beachtenswerter fulturpolitischer Grund. Er schrieb 1838 in der Einleitung zu seiner Schrift über den echten Edensteher Nante: Gerade in der jeßigen Zeit, wo die ganze Literatur, selbst die poetische, den Zweden und Verhältnissen zufolge politisch und diplomatisch durch­Volt, den natürlichen Menschen, mit seinen natürlichen Neigungen und Fähigkeiten zu zeichnen, damit wir teine Kultur­puppen werden, sondern Menschen bleiben." Das Evangelium Rousseaus atmet in diesem Saße: die Natur wird gegen die Kultur gestellt.

Wenn Glaßbrenners Berliner Hefte auch nicht von Anfang an augenfällig hohe Kulturtendenz hervorkehren, so entwideln sie sich

Sie hatte den Glauben. Der war felsenfest. Und sie doch schnell der ihnen zugewiesenen Aufgabe gemäß. Die bloße war wie im Himmel.

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( Fortießung folgt.)

Adolf Glaẞbrenner

und der Berliner Volkswitz.

Cft ist es nur ein drollig verdrehtes Wort, das launig gesagte Gegenteil von dem, was gemeint war, der Burzelbaum eines Wort­spiels, das Zerrbild eines Wortes oder Bildes, das den Leser zum Lachen bringt, alsbald aber einen Kern verspürbar macht, der das Lachen in eine nachdenkliche, verständnisinnig schmunzelnde Stim­mung ausmünden läßt. Schnell ist man auf den Verstedstil ein gestellt. Mit einer gewissen Vorliebe läßt Glaßbrenner Beschwipste reden. Das tat auch Nestroy. Mit deren verwirrtem Kauderwelsch ließ sich Staatsgefährliches so schön in der nötigen Entfernung vom Rotstift der Zensur ans Publikum heranbringen, das auf jede leise Andeutung eingestellt war. Die verbohrte Reaktion glaubte ja auch das endrücken zu können, was von den Hirnen längst als selbst­verständlich aufgesogen war. Glaßbrenner ist in jener zeitbedingten Kunst beschlagener und früher wach gewesen als Nestroy, der die Metternichschen Spürhunde nje alle Literaten unmittelbar auf den. Fersen hatte und in den dreisiger Jahren so ganz in bloßer Unter­haltung der Wiener aufging, daß Glaßbrenner von ihm in seinem Wiener Buche sagte, er sei nur ein Pöbeldichter, aber kein Volks­dichter. Dies Urteil- ähnlich und schärfer noch von Fr. Th.

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Aufreihung von Wizen und Anekdoten aus dem Volksleben macht einer Fassung Platz, die so nur gewonnen werden konnte, weil dichterische Kraft den aufgesammelten Stoff zusammenschloß. An jene ersten Hefte von Berlin wie es ist und- trinkt" hat Eckstein gedacht, als er in seinen Beiträgen zur Geschichte des Feuilletons" schrieb: Die drolligen Einfälle und Wizspiele haben übrigens selbst in der plattesten Form bei Glaßbrenner ihre volle Berechti gung, da er sie zur naturwahren Zeichnung seiner Charaktere braucht. Die niederen Volksklassen der preußischen Metropole find ja unerschöpflich in solchen mehr oder minder geistreichen Ca­priccios; nirgends ist die Zahl der geflügelten Worte so groß wie in der Sprache der Berliner Droschfenkutscher und Hökerweiber, und dieses ganze Feuerwerk der Laune und Schlagfertigkeit ist eine Fundgrube für die Epigonen geworden." Das heißt: sie haben ihn jahrzehntelang für die Wieden von Zeitungen und Zeitschriften immer aufs neue ausgeschöpft, und viele von seinen Scherzen laufen noch heute im Volksmunde um, manche stehende Gestalt heutiger Wigblätter geht auf seine Typen zurück, freilich ohne ein Erinnern, daß Glaßbrenner sie in jenen entlegenen Schriften zuerst formte. Am Kopfe des Kladderadatsch" liest man:" Dieses Blatt erscheint täglich mit Ausnahme der Wochentage"; daß Glaßbrenner mit diesem Scherze 1832 seinen Berliner Don Quixote" ankündigte, das wissen wohl nur wenige. Wenn nicht die Entstehung des Wortes Kladderadatsch so gut verbürgt wäre, fönnte man wohl darauf verfallen, auch für diesen klassischen Titel eine Vorarbeit Glazbrenners in Ansatz zu bringen. In der Szene Auf der Eis­bahn- im ersten Heft Buntes Berlin " von 1837 ruft Krempe, als ein Beamter purzelt: Pladeradatsch! Doch David Kalischs schlagfertiger Witz verdient schon das Vertrauer, daß er das Titel

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