NU sang' ich wieder damit an ich will Nlch nein, ich will nich ich will nich. So nu wird wieder genäht noch ein Taschentuch ganz vorsichtig. Die Maschine näht ganz gut wenn man nur vorsichtig ist. Nein, ich will nicht mehrl" Und sie warf die Arbeit hin. lehnte sich in den Stuhl zurück und weinte. Mutter Kristiansen wandte das vergrämte Gesicht mit all den Dränenwegen auf den Wangen um und sah sie einen Augenblick an dann kehrte sie ihr wieder den Rücken zu. Noch weitere acht Tage hatte Albertine im Hause ge- sessen uNd genäht. Sie hatte Besuch von Jossa gehabt, die sie durchaus mit hinaus haben wollte sie müsse mit ihr hinaus, sie wollten hingehen und die Musik hören, und sie wollten sich schön amüsieren! Sie hatte geantwortet, ihr Mantel sei beim Färber. Aber der Winternebel stand nicht mehr so unerschütterlich fest da draußen, und in dem Grau wurden einige hellere Stellen sichtbar. Die Tür tat sich langsam auf. und Eduard kam langsam und still herein, nahm Hut und Rock ab, legte beides auf das Bett, ging an die Kommode und nahm denTag" heraus und setzte sich auf den Stuhl neben dem Ofen, wo Mutter Kristiansen stand. Albertine nähte an einer neuen Taille für ihre Alte. Ob Jossa wohl heute kam? Das war doch immer eine kleine Abwechselung sie erzählte soviel Amüsantes aus dSr Stadt wenn sie doch nur käme! Jossa , die könnt' erzählen, sie lief ja den ganzen Tag auf der Straße. Uebrigens glaubte sie nicht, daß Jossa was Schlechtes tat nur dies ewige Gerenne in der Karl-Johann-Straße. Und sie selbst? Nein, sie war ja nie auch nur halb soviel in der Karl-Johann» Straße gewesen wie Jossa . Und dann ging Jossa da des Abends, und das war ein großer Unterschied. Jossa tat sicher nichts Schlechtes die ärmste Jossa war im Grunde klug aber fein war Jossa nicht. Sie konnte nicht begreifen, daß Jossa mit den Stirnlocken gehen mochte, denn ihr Haar war so häßlich, und die Nase sah da- durch noch herausfordcrndsr aus als sonst. Wenn doch Jossa heut' kommen wollte. Wie wohl das Wetter sein mochte? Es war ihr. als wenn es ein wenig Heller wurde. Sie sah hinaus. Ja, grau war es noch aber es war viel Heller hinter dem Fabrikschornstein dort gegenüber, als es seit langer Zeit gewesen war. Jetzt kriegen wir gutes Wetter. Eduard!" Eduard sah auf und hustete und antwortete mit schwacher Stimme: Ja wirklich ich glaub' auch, daß es nu besser w?rd." Albertine sah ihn an. Wenn er jetzt im Frühling stürbe, dann müßte sie den ganzen Sommer in Schwarz gehen, und wo sollt' sie das hernehmen? Am Ende müßt' sie den ganzen Sommer zu Hause sitzen weil sie keine Trauerkleider hatte. Schwarz würde ihr gewiß gut stehen aber am Ende hatten sie nicht soviel Geld, daß sie sich schwarze Kleider kaufen konnten. Aber sie mußten Trauerkleider haben, sie wie auch die Alte, das war klar: fein würde es wohl freilich nicht. Ja, das Geld, das Geld! Ja, es mußte schließlich gehen, wenn man nur allen Ernstes wollte und so recht fleißig war. wirklich fleißig, dann mußte man doch so- viel Geld verdienen können! Da war diese Madam Sand- berg, die hatte als einfache Näherin angefangen, so wie sie selbst, und jetzt hatte sie eine große Schneiderstube und eine feine Wohnung und eine ganze Pelzgarnitur, und im Somnier wohnte sie auf dem Lande und das alles, weil sie tüchtig und ordentlich gewesen war. Ach ja sie sollte doch wohl auch Geld verdienen können. Es kam nur darauf an, daß man ordentlich und genau war. Es war gut für sie, daß sie Oline als abschreckendes Beispiel vor Augen hatte. (Fortsetzung folgt.) (Nachinnr eetBoten.) 24] Die Oberwälder. Von Alfred Bock . (Schluß.) Gritt, Du versprichst mir's in die Hand hinein. Du gibst ihr die vierhundert Mark. Ich kann sonst nicht ruhig sterben!" Sei stät." sagte die Pörtegritt mit nassen Augen.Ich tu das Geld fort. Und geb's Deiner Frau. Auf Ehr und Gewissen!" J Nun war et zufrieden. Heber sein Gesicht breitete sich ein Lächeln. Er bat die Gritt, ihn ein wenig höher zu betten. Das. tat fie. Gleich darauf schlief er ein. Drunten ging die Ladenglocke. Die Pörtegritt hatte ein paar Künden zu bedienen. Als sie wieder heraufkam. ward fie von jähem Schreck ergriffen. Des Schlummernden Lippen hatten sich bläulich gefärbt, sein Unterkiefer war herabgesunken. Sie beugte sich über ihn. Sein Herz hatte zu schlagen aufgehört. Gewaltsam drängte sie ihre Tränen zurück. Wer beim Anblick eines Verstorbenen weinte, mußte ihm in die Grube folgen. Sie brachte die Uhr zum Stehen, die zu Häupten des Ab» geschiedenen hing, und öffnete das Kammerfenster. Dann suchte sie den Nachbar Völbel auf und verkündete ihm den Tod ihres Herrn. Zwei Tage später wurde der Krämerskarl begraben. Das ganze Dorf geleitete ihn zur letzten Ruhe. Bei seiner Predigt ging der Pfarrer von den Worten des Aposkels aus:Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du anderer, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor Christi Richterstuhl dargestellt werden." Der da seinen Lebenslauf vollendet hatte, war ein Mensch mit seinen Schwächen und Fehlern, aber auch ein Mensch voll Herzenseinfalt und Güte. Wer sein Wesen von Grund aus verstand, mußte ihn lieb- gewinnen. In seiner Seele hatte kein Argwohn Platz. Mit den Augen eines Kindes schaute er in die Welt hinein. Daß er jeglichen nach seinem Schuh maß, war zuletzt sein Ver- derben geworden. Auch die Toten redeten ihre Stirache. Von dem hingeschiedenen Bruder ging zu den Lebenden der Ruf, an seinen Fehlern sollten sie die eigenen Schwächen erkennen, auf daß sein Irren für sie eine Quelle des Segens wurde. Also wollte es der Mahner, der Warner droben im Himmel. Der Pfarrer geriet in heiligen Eifer. Seine Worte klangen wie Donnerschläge. Die um ihn herumstanden, konnten e8 spüren, sein geistliches Schwert war schärfer geschliffen denn je. Der Walkmüller und Dippel, der Bäcker, gingen mtf- einander vom Friedhof heim. Sie unterhielten sich über den Krämerskarl. Daß he zu leichtgläubig war. hat ihm den Hals ge» krochen," meinte der Walkmüller. Ich sein emal ein' Abend bei ihm gewest," erzählte der Bäcker.Da tat he schwätzen,'s war großartig. Ich dacht bei mir, der hat die Gescheitheit mit Löffeln gegessen. Man kann sagen, he hatt von allem ein' Begriff. So Leut' machen emal ein' dummen Streich, sie zipfeln's aber auf eine andere Art wieder heraus,'s is net ausgeschlossen, daß he die Kass' doch noch in Zug gebracht hätt." Ich glaub's net," sagte der Walkmüller und nahm eine Nase voll Schnupftabak.Daß he dem Bisping in die Klup» Pen kommen is, dessentwegen will ich ihn gar net verkreischen. Der war mit allen Hund' gehetzt. He hat sich aber mit den Lappaniern eingelassen. Die haben's ihm abgelaust. He war überhaupt von je zu viel für die Lumpenbagasch'. Das gehört sich für ein' Geschäftsmann net. Dem muß das Hemd näher sein wie der Rock. Nee. nee. So Ouerschelköpf passen net in die Welt!" 13. Der Rühlsadam hatte zwei Ketten wilder Gänse gesehen. die. aus warmen Ländern kommend, an die nordischen Küsten zogen. Für den rüstigen Alten war das ein sicheres Früh- lingszeichen. Dessenungeachtet behielt der Nordost das Re» giment, und' die Nachtfröste wollten nicht weichen. Während drunten die Wetterauer ihre Aussaat längst beendet hatten, konnten die Bauern im hohen Vogelsberg erst anfangs April mit der Feldarbeit beginnen. Gleich seinen Kollegen vom Vorstand und Aufsichtsrat hatte der Peter Margolf seine besten Aecker verkaufen müssen, die leidige Hypothek zu decken. Sein Viehstand war ihm er» halten geblieben. An Stelle der Marie hatte er die Schmalbachschristine als Magd gedungen. Die war eines Abends zitternd wie Espenlaub zu ihm gekommen. Sie hatte in der Scheune den alten Peiniger ihrer Familie, den Butternickel, gesehen. Eine weiße Strumpfkappe auf dem Kopf, war der Verblichene j hin und her gegangen und hatte jämmerlich geseufzt. Der Schmalbachschristine war vor lauter Gruseln windelweh ge- worden, wie Blei hatte es ihr auf den Gliedern gelegen. Auch dem Margolfspeter war nicht geheuer zumute. Nahe bei