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feinem Gehöft führte der Wanerweg vorbei, auf dem zuzeiten um die Dichtung von der Lethargie zu frischpulsterendem Leben zu berwunschene Geister spukten. Wahrscheinlich hatte sich der erwecken, leugnet er durchaus. Nach seiner Meinung hätten die Butternickel in der Scheune gefangen. Modernen" nur leeres Stroh auf ihren Tennen gedroschen.

lg ist ein in fich gekehrter Träumer, dem es am wohlsten ist Das stimmt freilich nicht und bedarf feiner Gegenbeweife. Aber

Der Margolfspeter ließ den Jöckelsheinrich rufen. Dieser schloß sich in die Scheune ein und unternahm es, die wan- awischen den Grenzpfählen seiner schweizerischen Heimat, wohin fich dernde Seele zu bannen.

Dreimal fam er auf den Hof. Danach trat er zu dem Bauer und sprach: Alleweil hat er Ruh'!"

Das is mir lieb," sagte der Peter, von einem unbehag. lichen Gefühl befreit.

Er sezte seinem Gast Wurstebrot und Apfelwein vor. Der Jöckelsheinrich ließ sich's schmecken und tat auch dem Getränk Ehre an.

Was hör ich dann?" richtete er an den Peter das Wort. Die Marie is von Büdingen   mit dem Weilandt aufgeboten. Die wird et Schulfrau in der Stadt."

Der Bauer zog die Stirn in düstre Falten. " Ich weiß es, aber' s kümmert mich nig. Die Marie is net mehr da für mich!"

Der Jöckelsheinrich machte ein verschmißtes Gesicht. ,, Babberlababb! Wann der Storch erst geklappert hat, dernachert wollen wir wieder emal devon schwäßen."

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Der Peter ging über den Einwurf hinweg und sagte: Du kennst doch mein Vetter in Almenrod  . He guckt mit seinen Luchsaugen hierher. He möcht mir sein' Philipp schicken, den Einfaltspinsel! Ich will ihn aber net."

Du wärst ja dumm wie ein Stoppelfalb," sprach der Födelsheinrich, wann Du Dir eine Laus in den Belz setzen tätst. Du stehst in Deiner Kräftigkeit. Du tuft Dein Werks allein."

Unwillkürlich rechte der Peter die Arme. Meinem Vater selig sein Spruch war: Wer net arbeit', soll auch net essen! Dadran halt ich mich!".

Bei dämmerndem Abend brach der Jöckelsheinrich auf. Der Margolfspeter gab ihm bis zum Ritter" das Geleite und kehrte dann in fein Gehöft zurück. Dort ging er noch einmal in den Stall und begab sich darauf zur Ruhe.

Am anderen Morgen mit dem Glockenschlag vier war er schon wieder in voller Tätigkeit. Er fütterte das Vieh, spannte die Ochsen vor den Pflug und fuhr auf den hohen Rain, Im Often war der Himmel wie in Purpur getaucht. Ein wundersames Wolfengebilde, an den Rändern rot angeglüht, zog dem Tagesgestirn vorauf. Dann schwebte die Lichtkönigin empor, vom Jubelgesang der Lerchen begrüßt. Noch fehlten der Landschaft die bunten Farben. Doch trugen die Bäume schon braune Anospen, und die Triften prangten in hellem Grün. Ein paar Wochen weiter, und der Lenz fam mit Macht.

Auf seiner Gewann am hohen Rain führte der Peter Margolf den Pflug. Er hatte das Land schon merklich ver­beffert, doch der Boden blieb steinig für alle Zeit.

Die Ochfen, die lange im Stall gestanden und sich störrisch am Joch gezeigt hatten, waren nun willig beim Werk.

Der Bauer, den Blick auf das blinkende Eisen gerichtet, zog Furche um Furche in gerader Flucht.

Aus den aufgeworfenen Schollen stieg ein feiner Rauch in die Höhe: es war der lebendige Odem, die unversiegbare Kraft der treuen, mütterlichen Erde.

nur ein schwaches Echo von den leidenschaftlichen Kämpfen auf der großen Völkerbühne verirrt( wenn nicht das Gegenteil wahr wäre, wie ein Blick auf das traftvoll empordrängende sozialistische Pro­letariat doch zeigen sollte). Hiervon verrät das Gedichtbuch aller­dings nichts. Jlg gibt sich als Epigone. Dennoch hat er trotz dieser fleinbürgerlichen Befangenheit eigene Töne in einer wohltuend ab­geklärten Form. Das reizende Gedicht Am Brunnen" fönnte wohl ein Volkslied sein; andere, wie Totentanz  "," Die Brücke ins Jen ſeits", Das Kreuz im Walde", Arnold Winkelried  ", find als träftige Balladen anzusprechen; noch andere, wie Moses' Tod", Heines Denkmal"," Die stille Stunde"( dem Andenken Schopen­bauers), An Friedrich Nietzsche  ", sind voll gesättigter Gedanken­schönheit.

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Baul Ilg ist also ein wirklicher Poet. Auch in seinen Roman schöpfungen; und dadurch erhalten diese eben gleich von vornherein ihren fünstlerischen Typus. Aber sie haben noch ein anderes, rein literarisches Merkmal. Sie wären ohne die jüngstdeutsche Richtung, mit der Ilg, der Lyriker, feine Gemeinschaft haben will und deren Verdienstlichkeit er mehr hartnäckig als einfichtig­gerecht bestreitet, gar nicht denkbar. Jene verlästerten Modernen" haben das allerjüngste Geschlecht gelehrt, das Daiein bei der Wurzel zu packen, die Dinge zu sehen, wie sie sind, statt Phantasieritten ein Bild der Wirklichkeit zu geben. Paul Jlg als Romandichter ist also ein ganz anderer, denn als Lyriker. Nicht, daß er nun die Heimat aus dem Gedächtnis verlöre, um auf ihm fremden Gebieten herum zupirschen; sondern er holt sich gerade von dorther feine Kraft und seine Stoffe; nur das Gefäß, in das er sie gießt, die Durchleuchtung, die äußerliche Struktur, die geistige Vertiefung, die er ihnen gibt:- das ist großdeutsch- modern im besten Sinne des Worts. Bis jetzt tennen wir drei Romane von Jlg. Sie spielen alle auf schweize­rischem Boden; das ist selbstverständlich und gehört zu ihren Vor­zügen. Eigentlich geben sie Entwickelungsprozesse dieser heutigen Jugend in vorzüglich plastischer und zugleich höchst farbiger Ge­schweizern schwingen unsichtbare Fäden. Es ist darin ein aus der staltung. Zwischen dem Autor und diesen verschiedenen Jung­Enge streben, ein brausendes Hindrängen zu Luft und Licht, freilich auch die fiebrische Gier nach Lebensgenüffen, äußeren Ehren und Reichtum. Solche Initinkte vertragen teine Sentimentalität, teine welt­schmerzliche Anwandlung. Sie betätigen sich bis zur Brutalität, die fein anderes rivalisierendes Wesen neben sich duldet. Freilich, oft wenn solche Naturen das Ziel ihrer Wünsche erreicht haben, pflegt fich bei ihnen unbefriedigung und Efel einzustellen und dann weil alle edleren Triebe immer erstickt wurden- tommt das fürchterliche Ende. In Ilgs Erstlingsroman Lebensdrang Held doch Herr über sich selbst; das beffere Teil in ihm, seine Zu­versicht, nunmehr erst alles zu leisten, was in feinen noch nicht ganz untergrabenen fittlichen wie geistigen Kräften steht, reißt ihn nach oben. In dem dritten Roman Die Brüder Moor  " geht Christian Knecht, der Sohn einer armen Nähterin dank seiner wider­standsfähigen moralischen Gesundheit aus dem Pfühl der Lüste und Leidenschaften als Sieger zu nüglicher Arbeit hervor, hingegen endigt Theodor Zellweger, der außerebeliche Sohn des reichen Fabrikanten und Kantonsrats schließlich durch Selbstmord. Ihm, dem das Leben eine glänzende Zukunft verheißt, hat das Wohlleben jedweden sittlichen Halt genommen. Die Stiefmutter, zu der er in brünstiger Liebesleiden­fchaft entbrannte und die ihm nur die Geliebte dünkte, durfte seine nach Rettung ausgestreckten, entweihten Hände nie mehr ergreifen. So sucht er seine leibliche Mutter auf, die irgendwo als Frau eines Gastwirts lebte. Aber auch sie beschwört ihn, das Haus zu verlassen, um nur feine Schande über sich, über den unwissenden Mann und die rechtmäßigen Kinder zu bringen. Niedergeschmettert wankt er fort in den Tod. Nicht oft ist eine zur Mannbarkeit erwachte Gymnasiastenjugend in all ihrem Ueberschwang, doch auch in ihrer gährenden alle Dämme der Vernunft und Moral niederreißenden

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wird der

Gedichte und Romane von Paul Ilg.   Leidenschaft so plastisch, so wahrheitsmutig und schrecklich ergreifend

Verlag G. K. Sarafin- Leipzig.

Der lebendige Anteil der Schweiz   an der Bereicherung deutscher Literatur ist in stetigem Steigen begriffen. Neben Heinrich Leuthold  , Gottfried Keller  , Konrad Ferdinand Meyer   und Karl Spitteler   als den namhaftesten Veteranen einer älteren Generation sind zahlreiche jüngere und jüngste Talente hervorgetreten, unter denen einige volle Aufmerksamkeit verdienen. Paul Jlg, den Lesern des Vorwärts" nicht unbekannt, gehört zu ihnen. Wohl scheint es, als sei er mehr Amboß   als Hammer gewesen, als habe ihm erst spät ein freund licheres Schicksal steinige und dornige Wege geebnet. Aber ein starter Wille führte ihn vorwärts und empor aus Finsternissen.

geschildert worden, wie in diesem Kantonschülerroman!

Der Landstörker" ist von besonderer Art. Vielleicht haben wir's da mit einer Lebens- und Seelenbeichte, nur auf zwei Menschen übertragen, zu tun. Die Schicksale eines jungen schwei­zerischen Dichters, sein Herkommen vom ärmlichen, halb verluderten Tobelvolt, oben im Dorf Haldenstein  , seine unseligen Liebesver­strickungen, sein bis zur Brutalität gesteigertes Anfämpfen gegen jede ihm aufgezwungene Fessel, schließlich der Untergang des zum Glück nicht bestimmten Mannes werden da mit einer mitreißenden derb­realistischen Gewalt und Bracht aufgerollt. Kein Buch Jlgs mutet schweizerischer an, als wie dieser Künstler- und Menschenroman; feines ist psychologisch tiefergrabend, leidenschaftlicher und troß einer Da Ein Band Gedichte" gab zunächst Kunde von ihm. Es find breitgeflochtenen Gedanken- und Gemütswelt dramatischer. Bruchstücke einer trübieligen Jugend, Bekenntnisse eines mächtig schauen wir in das Getriebe einer ziemlich deutlich erkennbaren Ringenden, der in Leben und Weltanschauung sein Eigener ist. Berliner   Zeitungsfabrit, gewinnen Einblick in die so bildungsarme Zwar bewegt er sich nicht auf neuen Bahnen weder fosmopolitis wie bildungsfeindliche Sphäre der geburtsadligen Gesellschaft von icher oder sozialer Gedankenprägung, noch moderner Bildlichkeit des heute, begleiten den halb erdgebundenen, halb abenteuerlich krampf­Ausdrucks oder stürmischer Leidenschaft. Alten bewährten Jdealen" haft einen festen Halt suchenden Helden in die schweizerische Heimat, treulich anhängend, steht Jlg beispielsweise der jüngstdeutschen die mit ihren Kleinbürgern und Dörflern greifbar an uns vorüber­Literaturbewegung ablehnend gegenüber. Daß fie tommen mußte, zieht, begegnen ihm dann in Italien  , in München   und niec