- 944- daheim, wo er aus Verzweiflung über eine unglückselige Liebe zu einer Schweizerin, die ihn abweist, �ch   und feine wahnsinnig dahin­vegetierende Frau erschient. Es finden sich wahre Pracbtstücke einer dichterischen Schildermigskunst. wie beispielsweise das köstlich neckische Wmtermäcchen und anderes mehr in diesem Roman. Paul Jlg bewährt sich aber auch in den beiden als meisterlichen Erzähler. v. k. Die Sonnenwendpflanze als Lichtdiebin. Dah es auch im Pflanzenreiche raffinierte Ausbeuter gibt, und dast nicht minder als bei den Menschen dort Würger, Totschläger, Zechpreller, kurz alle Arten von Verbrechern existieren, das bat erst die botanische Wisienschaft der letzten Jahrzehnte entdeckt. Aber die Mitteilungen sind in dickbandigen Folianten so zerstreut, daß man ein wirkliches Bild der Tricks des Ausbeutertums im Pflanzenreich nicht bekommen kaim, wenigstens nicht als Laie. Do ist es nun ein wirkliches Verdienst, daß in den letzten Jahren der als tiefgründiger Botaniker ebenso wie als außerordentlich anregender populärer Schriftsteller bekannte Dr. Ad. Koelsch sozusagen ein volkstümliches Buch über die ungerechte Mammonswirlschast bei den.unschuldigen" Pflanzen, wie wir sie gewöhnlich nennen, geschaffen hat. Es ist unter dem Titel.Würger in, Pflanzenreich" in der Kosmos-Gesell« schaft erschienen und fübrt uns die ganze Verbrecherserie vor: arme Mundräuber, wie gerissene Erpresser, faule Schmarotzer, wie die lebensgefährlichen Wegelagerer. In unserer Zeil des nahenden Advents und der Weihnachten interessiert natürlich das geheimnisvolle Leben jener Pflanze am meisten, die sozusagen vom Tod der Bäume lebt und die als Symbol für die Weihnachtsfeier von England und Skandinavien  auch nach Deutschland   herüberkam, der M i st e l, und in den nächsten Wochen auf den Weihnachtsmärkten arbeitslosen Bauern und Arbeitern einen oft nicht unerheblichen Gewinn einbringt. Die Mistel ist eine Erpresserpflaitze, die sich bekanntlich aus- schließlich auf Obstbäumen, manchmal auch auf Pappeln, findet. Sie erscheint zuerst als kleiner kugeliger Strauch, der sich in der Attrinde eines Baumes feslgesaugt hm. Sie entzieht dem geprellten Wirte. meistens Apfel- und Birnbäumeu. eigentlich nichts als Wasser und Mineralsalze zur Ernährung. Das merkwürdigste aber an dieser einzigaNigen Diebin unter den Pflanzen ist, daß sie sich nicht wie andere Schmarotzer ihrer Art an den Wurzeln, d. h. direkt an der Nahrungsquelle ihres Opfers, festsaugt, sondern hoch oben auf den Aesten der Bäume. Und nun stellt sich heraus, daß die Mistel ähn- lich den Flugdrachen und Flugfröschen Javas, die aus der Enge des zugesponnenen Urwaldes sich hinauf in die Baumkronen retten, um leben zu können, die Misteln ihren Mundraub denn richtig ge- sehen ist es doch nichts schlimmeres aus Lebensnot und aus Licht- not begehen. Bon diesem Standpunkte aus betrachtet erklärt sich auch recht gut die mystische Einreihung der Mistel als Symbol für die Sonnen- wende. Sie ist die Pflanze, welche durch den Lichthunger um modern zu reden, das Fliegen gelernt hat. Wie sie an den Bäumen mit Hilfe des Windes und anderer Fakwren hinaufklettert, ist eine zu schwierige Frage, um hier im Detail behandelt zu werden. Einerlei, sie steigt im Gegensatz zu den lichtscheuen Anfängern des Schmarotzertums vom Boden ins Geäst der Bäume und schlägt ihre Zelte zwischen Himmel und Erde auf. Daß Lichtbedürftigkeit die Hauptursache ihres Verbrecherlebens ist, beweist die Tatsache, daß Mistelbüsche, die durch eine kräftige Entwickelung der Baumkronen ihres unfreiwillige» Wirtes m Schattenstand geraten, verkrüppeln und eingehen. Die Mythologie der Mistel behandelt der Verfasier des Büches, das nur 1 M. kostet, in einem besonderen Abschnitt.»Auf die Be- wohner der Länder nördlich des Mittelmeeres, so sogt Dr. Koelsch, in deren Gebieten Ueberpflanzen ja zu Seltenheiten gehören, hat die ungewöhnliche Lebensentfaltung und Lebens« weise des kleine» Strauches schon in Urzeiten einen tiefen Eindruck gemacht. Es berührte sie wohl seltsam, daß zur Zeit des allgemeinen Laubabwuries der straffe, runde Busch weiter grünte und daß er gerade um Weihnachten   herum, wenn die Schneeschicht dicht zu werden begann, an die Frucht dachte. Sie konnten das alles nicht recht fasien. Darum wurde die Mistel zwischen Nor  - wegen, in deffen südlichen Teilen sie(bei bg Grad) ihre Nord- grenze erreicht, und Sizilien, zwischen Spanien   und dem Kaukasus  , rn Russisch-Asien und Japan  , wo sie überall vorkommt, zum Gegenstand der Verehrung und Mythenbildung. Die schönste Sage, die das Recht, die Einzigartigkeit des Strauches be­tont. ist im Norden entstanden und findet sich in der Edda  . Danach sollte Freia   allen Pflanzen daS Versprechen abge- nonunen haben, dem Sonnengott Baidur keinen Schaden zu tun; kein Holzspeer konnte ihn infolgedeffen verletzen. Nur eine Pflanze, die Mistel in den Baumkronen droben, hatte Freia   über- sehen und nicht auf den Eid für Baldnr verpflichtet. Loki   erfuhr daS, schnitzte aus ihren Aesten einen Speer und gab ihn dem Winter- gott Hödur, dem blinden Bruder des Lichtgottes, mit dem Aufnag, nach jenem zu werfen. Der Wintergott warf und so kam der Licht- gott ums Leben.... Buch als Sannenwendpflanze spielte die Mistel im Kultus der Alten eine bedeutende Rolle, einiges davon bat sich ja erhalten bis auf den Heutigen Tag. Unter dem Mistelzweig wird in England(und auch bei uns zum Teil) Weihnachten gefeiert; mit dem Mistelstrauch am Stallpfosten wehrt der schwedische und finnische Bauer Seuchen, Feuerschaden und anderes Ungemach ab, mit dem Mistelholz versucht das Volk, genau wie die griechischen Kräuterdokwren, Falliucht und andere schwere Krankheit zu heilen. Ganz so lieb wie unseren Vorfahren ist uns die Mistel aber doch schwerlich mehr. Der Feldzug. den Land- und ForstwirtschastS- lebrer gegen sie unternehmen, weil sie durch ihren Wafferentzug die Aeste der Bäume zum Vertrocknen bringt und mit ihren Senkern daS Nutzholz durchlöchert, ist nicht erfolglos geblieben. Man findet das Gewerbe, das sie treibt, etwas anrüchig und wenn nicht die Bo- taniker beim Studium ihrer Lebensweise eine Fülle interesianter Einzelzüge entdeckt hätten, die den Schmarotzersttauch vom Stand- Punkt des Lebenskenners aus zu einem der anziehendsten Gewächse unserer Flora erhöbe, so glömme von dem Feuer, das unsere Vorfahren ihr angezündet haben, heute wohl kaum noch ein Fünkchen." Landgrebe. kleines feuilleton. Geographisches. Finnlands  Hebung". DaSLand der tausend Seen" ist unzweifelhaft das geologisch merkwürdigste Stück Europas  . Ueber den fortwährenden Umbildungsprozeß, der dem finnischen   Boden so- zusagen alljährlich eine neue Gestalt gibt, hat sich ein Gelehrter Finnlands   jüngst in beredten Worten geäußert:Finnland   hat sich aus der Ostsee   erhoben", schreibt er, und es erhebt sich noch immer aus ihr, vom Meere durchtränkt. Unter dem Granitgrunde des Landes und des Meeres arbeilet still aber unaufhörlich daS unter­irdische Feuer. Kein Vulkan, kein Geysir, nicht einmal eine warme Quelle, nur manchmal eine leichte Erderschüuerung verrät sein Dasein. Es vermag nicht die dicke Rinde zu sprengen, mit der die Polarkälte seinen Herd umgeben hat, eSvermag nur die darüber liegende Erdkruste zu kräuseln, ein Gebiet zu heben, ein anderes zu senken. Langsam, Jahrhundert auf Jahrhundert, hebt eS das Plateau, auf dem Finnland   und die gegenüberliegende Küste Schwedens   ruhen. Das ist eine Welt, die nicht mit dem Maß der Gegenwart zu messen ist, eine Woge der Urzeit, die majestätisch durch Jahrtausende dahinrollt. Die Erscheinung ist seit langer Zeit bekannt, aber seine Mesiungeu sind zu neu und zu unvollständig, als daß sie genau sein könnten. Aus hundertjährigen, in die Strand- klippen eingehaucnen Merkzeichen glaubt man berechnen zu können. daß die nördlichen Küsten des Bottnischen Meerbusens   sich um 1,20 bis 1,70 Meter in 100 Jahren heben, die des Finnischen Meerbusens aber nur um W Zentimeter. Die Hebung nimmt gegen Süden ab, hört an der schwedischen Küste auf dem Breilengrade von Stockholm  aus und geht südlicher, an den Küsten von Schoonen und Pommern  in eine langsame Senkung über. An vielen Stellen machen sich die Folgen dieser zum Teil noch rätselhaften Erscheinungen bemerkbar. Das Land hebt sich, die Ufer werden bloßgelegt; wo früher Schiffe segelten, schwimmt heute kaum ein Boot; wo der Fischer früher seine Netze warf, da weiden die Kühe auf der grünen Strandwiese. Klippen und Riffe entstehen, von denen früher keine Landkarte etwas wußte; die Riffe erweitern sich zu Eilanden tmd Inseln und diese wachsen endlich mit dem Fest­lande zusammen. Die Seestädte werden gezwungen, dem fliehenden Meere nachzuziehen.* Mit jedem Menschenalter zeigt sich ein neues bebaubares Gebiet, und jedes Jahrhundert scheust Finnland   ein neue? Fürstentum. Die Seen sind der Stolz der finnländischen Geographie, aber zugleich ihre Verzweiflung, da kein Lehrbuch, keine Karle sie zu zählen vermag. Beinahe jeder Talgrund in Finnland   war oder ist ein See. Das Wort des DichtersLand der tausend Seen" erreicht nicht den vierten, nicht den fünften Teil der wirklichen Anzahl. An Wasserreichtum kann Finnland   nur mit den Insel- und Deltaländern verglichen werden. RingS um Finnland  , in ihm, unter ihm wogt das Meer. Ein Teil der Gewäsfer ist mit der Oberfläche des Landes gMmken und hat jene Sümpfe und Moore gebildet, die den Ansiedler ständig bedrohten und ihn ständig anlocken heute find sie Frost- höhlen, nach zehn Jahren vielleicht fruchtbare Felder. Ein Fünftel des Landes ist noch heute Moor und Sumpf. Man hat berechnet, daß Finnland  , im Verhältnis zu seiner Größe, ein Drittel mehr Binnenwasser umfaßt als Schweden  , ll'/s mal mehr als Norwegen  und die Schweiz  , 8 mal mehr als das europäische Rußland, 10 mal mehr als Deutschland   und Schottland   und beinahe 40 mal mehr als Dänemark  . Oesterreich-Ungarn   und Frankreich  . Die Seen findFinnlands Sonnenseite", seine Fenster, fem pulsierendes Blut. Ohne die Seen wäre die? Land ein Stein« Haufen unter Schnee." Verantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.--- Druck u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.VerlagSanstelt Paul StngertCo., Berlin   LiV.