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nimmt er allem, was er örf, daß Candide   ein junger Metaphysiker wohl noch auf viele Jahre hinaus allen Anforderungen genügen ist, völlig unerfahren in den Dingen der Welt, und er begnadigt würde, ist jedoch nur möglich, wenn die Bahn elektrisch betrieben ihn mit einer Mide, die man in allen Blättern und allen Jahr- wird und selbsttätige Signaleinrichtungen erhält. hunderten lobpreisen wird.

Ein wadexer Feldscherer heilte Candide   in drei Wochen mit Emollientiis, wie fie Diostorides vorschreibt. Er hatte schon ein wenig Haut auf dem Leibe und konnte marschieren, als der Bul­garenkönig dem Könige der Abaren eine Schlacht lieferte.

So schön, so leicht beweglich, so glänzend, so wohl geordnet hatte man noch nie zwei Armeen gesehen, wie diese! Die Trom­peten, Pfeifen, Hoboen, Trommeln und die Kanonen gaben ein solch harmonischs Konzert, wie es selbst in der Hölle noch nie ge­geben worden ist.

Zuerst rissen auf jeder Seite die Kanonen so ungefähr sechs­tausend Mann weg; dann befreite das Gewehrfeuer die beste aller Welten von ungefähr neun- bis zehntausend Schuften, die ihre Oberfläche verpesteten. Das Bajonett war auch der zureichende Grund für den Tod von einigen tausend Menschen. Das Ganze konnte sich wohl auf dreißigtausend Seelen belaufen.

Candide  , als Philosoph etwas bänglich, verbarg sich während dieses heroischen Gemezels so gut als er fonnte.

Während die beiden Könige, jeder in seinem Lager, endlich das Herr Gott  , dich loben wir!" anstimmen ließen, faßte er den Ent­schluß, anderswo über Wirkungen und Ursachen nachzugrübeln. Ueber Haufen von Toten und Sterbenden stieg er weg und erreichte zunächst ein Nachbardorf; es lag eingeäschert, ein Abarendorf, das die Bulgaren  , dem Völkerrechte zufolge, verbrannt hatten; hier sahen Greise, von Kugeln durchbohrt, ihre hingewürgten Frauen Sterben, die noch ihre Kinder an blutenden Brüsten hielten, dort gaben Jungfrauen ihren Geist auf, nachdem sie vorher die Natur bedürfnisse einiger Kriegshelden befriedigt hatten; andere, halb verbrannt, schrien, man sollte sie endlich völlig töten. Die Erde war weithin mit Gehirnen bedeckt und daneben lagen Arme und abgeschnittene Beine.

Candide   floh eiligst in ein anderes Dorf; es gehörte den Bul­ garen  , und die abarischen Heroen hatten es ebenso behandelt. Candide  , immer über zuckende Gliedmaßen hinschreitend oder mitten durch Ruinen, sah sich endlich außerhalb des Kriegstheaters, ein wenig Mundvorrat trug er in seinem Quersack bei sich und vergaß niemals Fräulein Kunigunde..

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So endet das erste Erlebnis Candides, seine Dienstzeit in der breußischen Armee, deren Werber ihn eingefangen hatten. Denn die" Bulgaren  " damals ein vager und phantastischer Begriff find niemals anders als die Preußen, und der Bulgarenkönig" ist jener Friedrich, den man wegen seiner kleinen Statur ironisch den Großen" zu nennen pflegt. Unter den Abaren" kann man sich die Desterreicher oder auch irgendeine andere Kulturnation borstellen, sie gaben der preußischen Soldateska man muß immer an die Zusammensetzung dieser Söldnerheere denken nichts nach. Wenige Jahre vorher hatte Voltarie den Berliner  Staub von den Füßen geschüttelt, und seinem Groll gegen den alten Fris machte er nicht am schlechtesten in der angeführten Stelle des Candide  " Luft. Wenn heute von Kriegsenthusiasten die fiegreichen Bulgaren   den preußischen Truppen gleichgestellt werden, so hat Voltaire vor anderthalb Jahrhunderten den Vergleich um­gekehrt und in keiner schmeichelhaften Absicht angewandt. Wer mag da wohl am meisten recht haben? Sicher ist jedenfalls, daß die schlimmsten Greuel, die den Bulgaren   jest nachgesagt werden, die Heldentaten der friderizianischen Horden nicht überbieten. Und ebenso sicher ist, daß trotz aller Humanität" die Summe des Elends und der Leiden bei heutigen Kriegen eher größer als ge­ringer geworden ist,

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Vierzig Züge in der Stunde!

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Denn allein der elektrische Betrieb ermöglicht zwei Dinge, die zur raschen Abwickelung des Verkehrs unbedingt notwendig sind: rasches Einlaufen der Züge in die Bahnhöfe und rasche Ausfahrt des 3uges vom Haltepunkt. Die Dampflokomotive, deren Triebwerk sehr viel hin- und hergehende Teile hat, bedarf stets einer längeren Beit, bis sie ihre Höchstgeschwindigkeit erreicht hat. Die notwendige allmähliche Beschleunigung der hin- und hergehenden Getriebeteile dauert so lange, daß bei dem kurzen Abstand der Stationen, wie fie bei allen Stadtbahnen, und also auch bei der Berliner  , vorhanden sind, die Höchstgeschwindigkeit überhaupt nicht erreicht wird. Die Fahrt der Berliner   Stadtbahnzüge seht sich heute eigentlich nur aus Anfahren und Bremsen zusammen. Zur Entfaltung einer richtigen Fahrtgeschwindigkeit kommt es überhaupt nicht. diesem Grunde ist die Einlaufsgeschwindigkeit der Züge gering, und das Hinausfahren aus den Stationen dauert gleichfalls viel zu lange, um eine sehr rasche Zugfolge zu ermöglichen.

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Ganz anders verhält sich der Elektromotor. Er besitzt auss schließlich rotierende Teile, die sehr rasch zu beschleunigen sind. Auf diese Weise können die elektrischen Züge auch bei kurzem Sta tionsabstand große Fahrtgeschwindigkeiten erreichen und deshalb schnell in die Stationen einlaufen. Wenn man sehr fräftige Brem­sen anwendet und dafür sorgt, daß alle Achsen der Wagen gebremst werden können, so ist die Einfahrt in kürzester Zeit zu bewerk­stelligen. Beim Ausfahren ist der Motor rasch auf hohe Touren zahlen zu bringen, so daß auch hierzu sehr geringe Zeiten not­wendig sind. Freilich muß, um ein wirklich wirksames Ergebnis zu erzielen, noch eine sehr rasche Abfertigung der Züge auf den Bahnhöfen hinzukommen. Die Studienkommission hat durch eigene Beobachtungen, nicht durch theoretische Berechnungen aus den Fahr­plänen, ermittelt, daß der Aufenthalt eines Zuges auf einer Sta­tion der am meisten befahrenen Strecke in London   im Durchschnitt 16,4 Sekunden beträgt. Dieses interessante Ergebnis wird erreicht, obgleich die Londoner   Schnellbahnwagen nur je drei Türen, je eine an jedem Wagenende und eine in der Mitte, besitzen. In Berlin  würde man die heutigen Wagen, die eine Tür für jedes Abteik besitzen, beibehalten, was die Abfertigungsgeschwindigkeit nur be­schleunigen kann.

Ein für die schnelle Zugabfertigung wichtiges Hilfsmittel sind die in London   angewendeten Bugankündiger, die ein treffliches Orientierungsmittel für das Publikum bilden. Auf einer großen über dem Bahnsteig hängenden Tafel, auf der alle vorkommenden Bugziele angegeben sind, erscheinen elektrisch beleuchtete Ziffern 1", 2" und" 3", um dem Publikum anzuzeigen, welche Ziele der nächste, der zweite und der dritinächste Zug haben. Der Stellwerksbeamte auf der Station, wo verschiedene Außenlinien sich zur Stammstrecke bereinigen, bedient einen Sender mit einem Zifferblatt, auf dem die verschiedenen Zugziele angegeben find. Bei der Abfahrt eines Zuges dreht er den Zeiger des Senders auf die Stelle, die dem Ziel des Zuges entspricht. Dann schließt er mit einem Hebel Stromkreise und bewirkt dadurch, daß je ein Empfängerapparat auf allen Stationen bis zum Stellwert auf dem Endbahnhof, wo sich die Linien wieder teilen, die Vormeldung des richtigen Zuges aufnimmt und gewissermaßen aufspeichert. Von dem Empfänger­apparat jeder Station werden die Zeichen an den Zugankündiger auf dem Bahnsteig weitergegeben. Durch jeden Zug, der eine Station verläßt, werden alsdann automatisch die Ziffern auf der Anzeigetafel dieser Station im richtigen Sinne verändert, d. H.: die 1" verschwindet, die" 2" wird in" 1" und die" 3" in" 2" vers wandelt, und es erscheint eine neue" 3".

Bei der in London   eingerichteten selbsttätigen Bedienung der Signale wird jeder nicht unbedingt notwendige Zeitaufwand auf das sorgfältigste vermieden. Nur die Signale der Stellwerke, an welchen Weichen liegen, werden von einem Wärter bedient. Signale dagegen, die nicht mit Weichen in Abhängigkeit stehen, sondern In furzer Zeit schon werden im Plenum des Abgeordneten- lediglich einen Streckenabschnitt begrenzen, werden selbsttätig durch Hauses die Beratungen über Bewilligung der Mittel zur Einrich- den Zug gestellt. Die Zeit, die der Wärter eines nicht selbsttätigen tung des elektrischen Betriebes auf den Berliner   Stadt, Ring- und Blockwerks gebraucht, um den Entschluß zu fassen, den Block nach Worortbahnen beginnen. Die angeforderte Summe beträgt 123 Mil- Durchfahrt eines Buges zu bedienen, und diesen Entschluß aus­lionen. Augenblicklich tagt bereits die vorberatende Kommission, zuführen, muß zu acht bis zehn Sekunden angenommen werden, und dieser ist vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten eine Dent- die beim sebsttätigen Block erspart werden, so daß allein durch die schrift zugegangen, die die Vorteile des elektrischen Betriebes er- Selbsttätigkeit des Blockwerks die Zugfolge um diesen Zeitraum läutert und sehr viel äußerst interessantes Material über die heute gekürzt werden kann. Die Signale sind mit einer Fahrsperre aus­möglichen höchsten Steigerungen des Verkehrs auf Stadtschnell- gerüstet, die beim Ueberfahren des Haltefignals den Zug durch Ana bahnen enthält. stellen der Lutfdruckbremse zum Stehen bringt.

Da ist ganz besonders bemerkenswert der Abschnitt, der die Findet ein Fahrer ein selbsttätiges Signal auf Halt, so hält er. Erfahrungen der von der königlichen Eisenbahndirektion Berlin   nach Ist das Signal nach Ablauf einer Minute noch nicht auf" freie London   zum Studium der dortigen Schnellbahnen entsandten Stu- Fahrt" gegangen, so setzt der Fahrer die Fahrsperren- Bremsein­dienkommission enthält. Diese Ausführungen sind von prinzipieller richtung seines Motorwagens außer Tätigkeit und fährt, nachdem Bedeutung; denn sie stellen dar, mit welcher Höchstgeschwindigkeit er den Zugführer mit in sein Führerabteil aufgenommen hat, lang­bei dem heutigen Stande der Technik und bei Benutzung vollendet sam weiter, und zwar so, daß er seinen Zug jederzeit in der Gewalk ausgebildeter Anlagen überhaupt eine Personenbeförderung möglich hat. Er darf erst dann wieder seine volle Geschwindigkeit annehmen, hst. Die Herren haben, mit der Stoppuhr in der Hand, ihre Beob- wenn er die nächsten zwei Signale auf freie Fahrt stehend vor= achtungen auf der am meisten befahrenen Londoner   Schnellbahn- gefunden und passiert hat. Strecke, der Metropolitan- und Distriktbahn, gemacht und sind dabei Auf der Distriktbahn sind nach Aufzeichnungen der Gesellschaft zu folgenden Ergebnissen gekommen: im Juli 1912 auf 2 331 200 Signalstellungen 14 Fehler und im Es ist möglich, bei einer Bahnanlage, wie die Berliner   Stadt- August 1912 auf 1 695 402 Signalstellungen 10 Fehler vorgekommen. Bahn es ist, in der Stunde vierzig Züge in jeder Richtung laufen Bei solchen Störungen werden betriebsgefährliche Falschstellungere gu lassen. Das wäre also ein Anderthalbminuten- Verkehr. Diese nicht hervorgebracht, sondern es geht der Signalflügel auf Halt" fehr rasche Zugfolge, die selbst in den Stunden des höchsten Verkehrs statt auf freie Fahrt", so daß die Züge aufgehalten werden,