Pferde, Hunde, Menschen friechen wie ermattete Insekten über die glühenden Steine bes Sitaßenpflasters.
Die weißen und grauen Flächen der Häuser mit ihren Millionen Glasaugen sind gewaltige Reflektoren, die die Sonnenwärme in mächtigem Gestrahle zurüdgeben.
Auf ihren himmelnahen Dächern lechzen die roten Ziegelzungen nach einem Tropfen Feuchte.
Auf dem Dache eines fünfftödigen Hauses feucht der Arbeiter von vorhin unter einer Last von Dachziegeln, die er aus einer Bodenluke zu dem steil aufragenden Dachfirst schleppen muß. Das ist jedesmal ein mühseliger und gefährlicher Gang.
Die schwindelnde Tiefe und der brennend heiße, glatte Weg über das Dach hinauf!
Aber die Not, die er zu Hause weiß, und die Sorge, die im Herzen fitzt, find furchtbare Lehrmeister.
Schon neun- und zehnmal hat er den Weg hinter sich und ruht fich oben beim Rauchfang eine Weile aus.
Er denkt dabei immer des Geldes, das er heute am Abend nach Hause bringen wird.
Er hört schon den Jubel der Kinder.
Und sieht aus den Augen seines Weibes den Kummer fliehen! Darüber vergißt er fast seinen Hunger, der ihn mit talten Händen ergriffen hat!
Wenn er so hindämmert, wedt ihn immer der Vorarbeiter, der die Biegel in die offene Stelle des Daches einfügt.
So! hör'n S'! Pass'n S' auf, daß Ihna dö Sunn nöt abi wirft! Do hat's heut' wieder gnädi."
Und wieder steigt er auf und ab.
Immer stärker bedrängt der Hunger seinen Leib; drückt ihm mit der einen Hand den Magen zusammen und hämmert mit der Faust der anderen Hand auf sein Gehirn los.
O! das tut berteufelt weh!"
Wieder ruht er ein wenig aus.
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neue Kirche gingen aus den Trümmern der alten hervor. Gewaltig waren auch sonst die Biderspruche, in denen sich jene gärende Beit bewegte. Während auf der einen Seite Kopernikus, Kepler , Galilei , Giordano Bruno , Bacon rnd andere mehr den Geist der neuen Wissenschaft verkündeten und dem menschlichen Denken, das bordem in Fesseln der kirchlichen Tradition lag, neue Wege der Forschung wiesen, foderten in ganz Europa die Flammen der Scheiterhaufen empor und Hunderttausende von unschuldigen Opfern wurden hingemordet, weil sie durch vermeintliche Zauberfünfte den Gott der Liebe sollten beleidigt haben. Das Kapitel über Herenwahn und Herenprozesse ist eines der denkwürdigsten, zugleich aber der graufigsten nicht nur jener Zeitperiode, sondern auch der ganzen Weltgeschichte. Es ist so, als ob alles Finstere und Bestialisch- rohe, das sich im Laufe der Menschheitsgeschichte fonserviert und angesammelt hatte, hier einen verzweifelten Kampf um die Existenz gegen den neuen Geist, gegen die heranbrechende neue Ordnung der Dinge führte.
Der Glaube an Zauberki und Zauberer wurde nicht im Mittelalter geboren. Noch viel weniger bildet er das charakte ristische Merkmal des Christentums. Man trifft ihn in mehr oder minder scharfer Ausbildung bei den meisten primitiven Völkerschaften an; besonders üppig entfaltet er sich in den großen Relia gionen des Orients, von woher er durch das entstehende Christentum gierig aufgesogen wird. Im Christentum macht dieser Glaube eine tiefgehende und folgenschwere Umbildung durch. In keiner Religion sind„ Erdenglück“ und„ Seelenfrieden" so tief von eine ander geschieden, nirgends ist der Gegensatz zwischen dem jen seitigen Reiche des Guten und dem irdischen Jammertal so weit und so rücksichtslos auf die Spitze getrieben, als im Christentum. Die Religion der römischen Lumpenproletarier behielt diesen Zug jahrhundertelang, freilich manchmal sehr start durch die Heuchelei gemildert; in seinem Lichte wurde auch der Begriff des Zauberwesens ein anderer, als er bordem war. Der primitive Mensch
Er drückt den schmerzenden, glühheißen Kopf in die Hände und betrachtet die Zauberwerke, die ihm eine Gewalt über die Kräfte läßt das Kinn auf den harten Knien ruhen.
So träumt er hin, betäubt von Hunger und Sonne. Der Vorarbeiter ist auf der anderen Seite des Schornsteins beschäftigt und sieht ihn nicht.
Der Arbeiter träumt, daß er zu Hause sei. Die Kinder fiken fröhlich um ihn und stopfen die hungrigen Mäulchen mit Butterbroten,
Vor ihm steht ein Glas Bier, aus dem er und seine Frau zuweilen trinken.
Endlich wieder einmal ein bisserl Geld im Hause! Wie das alle fröhlich macht!
Jeht muß er aber schlafen gehen, erstens wegen dieser dummen Kopfschmerzen und dann heißt es, morgen frühzeitig aufstehen. Seine Frau schlägt ihm naffe, fühlende Tücher um die Stirn. O, wie das wohltut!
Und wie fein und weich heute das Strohbett ist! AH!
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" Sö! Hör'n S'! Hör'n S'! Um Gottes willen! Festhalten!" Der Vorarbeiter schreit es mit schriller Stimme, die sich überschlägt.
Aber der Körper des Arbeiter rollt übers Dach, immer schneller und schneller.
Der Vorarbeiter schließt vor Grauen die Augen und gräbt Entsetzen seine Zähne in die Hand ein.
Unten auf der Straße flatscht es breiig auf. Die Bassanten stieben in wilder Flucht auseinander.
vor
der Natur vortäuschen, mit einem Gefühl von Ehrfurcht und Dankbarkeit; ihm fällt es nicht ein, den Zauberer, den er für einen Gottesdiener hält, als einen Missetäter zu betrachten. Im Christentum wurde das anders, da hier jedes Streben nach der Beherrschung der Natur als Abfall von Gott, als Keßerei betrachtet wurde. Galten doch selbst die größten Naturforscher des Mittel alters, Albert der Große und Roger Bacon , für gefährliche Bauberer und. Keter!
Diese Auffassung des Zauberwesens schlummerte in der chrift lichen Kirche bereits seit ihren Anfängen. Im 14. Jahrhundert kam der Zeitpunkt heran, sie in die Tat umzusehen. Zu dieser Zeit häuften fich ganz besonders die Angriffe weitester Kreise gegen den katholischen Klerus, mehrten sich auch die Versuche, die Organic sation der Kirche auf neue Grundlagen zu stellen. Und gleich zeitig begann auch der Kampf der aufstrebenden Naturwissenschaft und Philosophie gegen die überkommenen Glaubenssäße und die überlieferte Naturberachtung. In die Verteidigungsstellung gedrängt, ging die Kirche nun selbst zum Angriff über. Wie die Antimodernistenenzyklika von heute im wesentlichen die Antwort auf die antifirchliche Gesetzgebung von Frankreich , Portugal u. a. ist, so gab das Papsttum des 15. Jahrhunderts in der sogenannten eren bulle vom Jahre 1484 ihre Antwort auf die Oppositionsbestrebungen damaliger Zeit. Dieses Dokument, unter dem die Unterschrift Innozens VIII. prangt, eröffnete das eigent liche Zeitalter der Herenverfolgung, die vordem nur bereinzelt Gewißlich," so heißt es in dieser denkwürdigen Bulle, es ist neulich nicht ohne große Beschwehrung zu unserer Ohren gekommen, wie das in einigen Theilen des Oberteutschlandes, wie auch in den Mäinzischen, Cöllnischen, Trier Ländern, Orten und Bistumern sehr viele Personen beyderley Geschlechts ihrer eigenen Seligkeit vergessend und von dem catho lischen Glauben abfallend, mit denen Teufeln, die sich als Männer
Ein Wachtmann schüttelt den Schauder von der Seele und hier und da aufgetreten war.
untersucht den Körper des Abgestürzten,
Gin Arm bleibt in seinen Händen.
Er weiß genug.
Er reißt von einem Komfortablergaul die Decke herunter, wirft fchen, Salzbergischen und Bremenschen Erzbistümern, Städten, sie über die Leiche und geht, die Anzeige zu erstatten.
Dexenwabn und Hexenprozeffe." oder Beiber mit ihnen vermischen, Mißbrauch machen und mit
Das Zeitalter, das in unseren Geschichtsbüchern den Namen des Zeitalters der großen Entdeckungen und Erfindungen oder der Renaissance führt, das ist die Periode von der Mitte des 15. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, gehört zu den merkwürdigsten Epochen in der ganzen Weltgeschichte. Die Gegensätze, die sich im stillen im Schoße der mittelalterlichen Gesellschaft entwickelt hatten, platten da mit Heftigkeit aufeinander: der neue Staat und die
ihnen Bezauberungen, und Liedern und Beschwerungen, und ande ren abscheulichen Aberglauben und zauberischen Übertretungen, Lastern und Verbrechen, die Geburthen der Weiber die Jungen der Thiere, die Früchte der Erden, die Weintrauben und die Baumfrüchte, wie auch die Menschen, die Frauen, die Thiere, das Bieh, und andere unterschiedene Arten Thiere, auch die Weinberge, Obstgärten, Wiesen, Weiden , Korn- und andere Erdfrüchte, berberben, erstiden und umkommen machen und verursachen, und selbst die Menschen, die Weiber, allerhand groß und flein Vich und Thiere mit grausamen sowohl innerlichen als äußerlichen bei auch die letzten Forschungen über die Herenfrage gebührende Beachtung gefunden haben.
*) Geschichte der Hegenprozesse von Soldan Heppe.( Georg Müllers Berlag, München und Leipzig . 2 Bde.) Dieses Werk gehört zu denen, die eine Geschichte haben und ihrer auch wirklich würdig sind. Zuerst erschienen bor etwa 70 Jahren ( 1843), eroberte es sich sofort die führende Stellung auf dem Ge- Wenn wir auch heutzutage strengere Anforderungen auf die biete der historischen Erforschung des Herenprozesses wie des geschichtliche Reproduktion der Vergangenheit stellen ,, wenn uns Hegenwesens überhaupt. Was bis dahin nur im Nebel der sogar die reichsten und zuverlässigsten Quellenstudien nicht mehr historischen Erinnerung lag, erschien jetzt, da die Quellen erschlossen genügen und wir vor adem nach Aufdedung der Kulturzusammens und die Toten zu sprechen gezwungen wurden, in seiner wahren, hänge verlangen, so steht auch in dieser Beziehung das Werk von One grauenerregenden Gestalt. H. Heppe, der Schwiegersohn des Ver. Soldan- Heppe turmhoch über bielen anderen modernen. faffers G. Soldan, gab 1879 eine Umarbeitung des Buches heraus, Kulturbild, das er entwirft, zerflattert nicht in geistreichen die durch das neue seit 1843 bekannt getvordene Material be- Pointen; etwas schwerfällig in der Ausführung, beruht es auf der reichert war. Die uns jetzt vorliegende dritte Auflage ist ehrlichen Durchdringung der politischen und rechtlichen Verhält wiederum eine von Mag Bauer durchgeführte Neubearbeitung, wo- nisse, die den Greuel der Hegenprozesse geboren und genährt haben.