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er ihn zur größeren Sicherheit frisch weihen, weil es wirkungs- darauf angewiesen, diese nach der Analogie der heutigen niedrig­voller ist, mit einem frisch geweihten Rosenkranze zu beten. Sein stehenden Wildvölker zu rekonstruieren. Diese und jene Natur­einmaliges Abbeten fann einen ganz bestimmten Nachlaß bon bölfer fo fagen wir haben eine gleiche oder ähnliche primitive Tagen, Wochen, Monaten, ja wenn er eine große Weihe besißt, sogar Technit, wie fte nach den alten kunden die Urmenschen einer be­in Jahren im Fegefeuer für fleinere Sünden zu verbüßender stimmten Entwicklungsstufe und ines bestimmten Gebietes hatten, Strafe nach sich ziehen. Kleine Sünden hat jeder auf dem Kerb- folglich ist anzunehmen, daß fie auch ein gleiches oder ähnliches holz, manchmal bergißt man eine zu beichten und ist infolgedessen Leben führten. Aber ist solche Schlußfolgerung zulässig? nie recht sicher, wie hoch das Fegefeuerkonto angelaufen ist. Da ist es gut, besonders wenn man älter wird, recht fleißig Rosenkranz zu beten und auf diese Weise ein paar hundert Jährlein Strafe wegzukriegen. Wanche sind darin so eifrig, daß fie jeden Tag einen oder auch zwei Rosenkränze herunterbeten. Mit den geweihten Wachsstöden verhält es sich ähnlich. Sind die geweihten Rosen­tränze und Wachsstöcke auch etwas teuer, es rentiert sich die Mehr­ausgabe des Ablasses halber, denkt der Gläubige und tauft sie mit oft jauer ersparten Pfennigen.

Der etwas erhöht stehende Altar der Kapelle glänzte im Schein vieler Kerzen, es schimmerte das himmelblaue und weiße Gewand der lebensgroß aus Holz geschnitzten bemalten Heiligen. Ein gold­gestirnter Reif schiebte um das Haupt des Bildwerkes. Dunkle Augen jahen aus milden lächelnden Zügen auf die Beterschar. An den Wänden und den Schnitzereien der kleinen Kanzel blickten hier und da im Lichte fladernder Kerzen noch weniger schadhafte Stellen der vergoldeten Barofornamente auf. Jetzt erschien der Geistliche, ein altes gebeugtes Herrchen im weißen Kirchenhemd über der schwarzen Soutane, das sonderbar geformte Käppchen auf dem ton­furierten weißen Haupt. Den Kopf entblößend kniete er vor dem Altar auf die oberste Stufe. Das Ministrantenbüblein mit der Klingel, dem roten langen Rod und weißen Ueberhemde blieb einige Stufen tiefer. Dann ließ es sein Glöckchen ertönen. Alles Iniete nun, nur die Alten und Siechen blieben figen. Zuerst betete der alte Herr mit zitternder Stimme das Glaube an Gott  !". Die Beter schlossen sich allmählich an. Und so ging es weiter durch 53 Aves und sechs Baterunjer. Bei jedem Gebetchen glitt eine Perle durch die Finger, ( Fortsetzung folgt.)

Die Kultur der Arzeit."

Mehr und mehr lichtet sich das Dunkel, das bis vor wenigen Jahrzehnten das Leben des vorgeschichtlichen Menichen Europas   in der Diluvialzeit, der Eiszeitperiode unseres Erdteils, umgab. Eine Entdeckung vorzeitlicher Fundstätten reihte fich an die andere, und aus den dort gesammelten Stein-, Knochen- und Hornwerkzeugen, den Schädel- und Stelettfunden entstand, indem man die urkundlichen Zeugnisse nach dem Grade ihrer technischen Bearbeitung unterschied und gliederte, ein neues technisches Urzeitalter, das fich immer weiter rückwärts ausdehnte, in graue Vorzeiten hinaus, von denen man früher behauptet batte, daß kein Menich in ihnen zu existieren bermocht hätte. Wie eine furiose Mär dünft es uns heute, daß vor hundert Jahren selbst ein Cuvier noch die Existenz des Menschen auf der Erde in der Diluvialzeit bestritt.

Zwar lehrt uns die heutige Völkerkunde, daß im wesentlichen überall unter gleichen Lebensbedingungen der gesellschaftliche Ent­wicklungsprozeß in gleichen Bahnen verläuft; aber im einzelnen findet man doch recht mannigfache Verschiedenheiten. Schon was die Technik selbst betrifft, so ist sie durchaus an Naturbedingungen gebunden. Mögen immerhin manche neueren Kulturhistoriker, geblendet durch die technische Entwickelung unseres tapitalistischen Beitalters, die Technik als fast ausschließliches Erzeugnis der Gehirn­tätigte betrachten, so ist doch alle Technik, und besonders die primitive, an gewiffe natürliche Vorbedingungen, an beſtimmte Naturverhältnisse( z. B. das Vorhandensein bestimmter Steine) ge feitet und kann weder erfunden noch angewandt werden, wenn diese besonderen Bedingungen nicht gegeben sind. Nephrit, Jadeit oder Obsidian   ist keineswegs einerlei. Sodann kommt es aber feines wegs allein auf die Eigenschaften des Herstellungsmaterials an, sondern auch auf die ertoorbene Arbeitsfähigkeit und Geschicklich­feit und ferner auf den Verwendungszweck. Und dieser Zweck wieder ist abhängig vom menschlichen Bedürfnis und von den von der Natur gelieferten Arbeitsgegenstand, auf den das Werkzeug angewandt werden soll. Db ein Speer z. B. zum leichten Wurfe oder zum fräftigen Stoß dienen soll, ob große Dickhäuter und Wiederfäuer, Waffergeflügel oder Fische damit erlegt werden sollen, bedingt besondere Eigenschaften des Speeres. Mit anderen Worten, je nach der Tierwelt eines bestimmtes Gebietes bilden sich besondere Speertypen heraus. Und außerdem spricht die landschaftliche Be­sonderheit der Naturumgebung mit. Bumerang( Wurfholz) oder Steinschleuder laffen sich in einem dichten Urwald schlecht gebrauchen, weil das verschlungene Geäfte der Bäume ihrer Flugbahn hinderlich ist. Der Wurfipeer hat hier weit größeren Wert.

Deshalb ist für die Rekonstruktion urzeitlicher Lebensverhältnisse auf Grund alter Werkzeuge und Waffenfunde eine genaue Kenntnis der Entwicklungsformen der primitiven Technik und der Lebensweise der Naturvölker unter den verschiedenen Ilimatisch- geographischen Be­dingungen erforderlich, und selbst dann ist das Ergebnis lediglich eine Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Leider wird die nötige Vorsicht nicht immer angewandt, so daß eine aufdringliche Analogien und Hypothesenspielerei in der Ur­geschichtsliteratur eingeriffen ist. Berauscht von den reichen Erfolgen der Urgeschichtsforschung und beherrscht von dem Bestreben, möglichst lückenlose Entwicklungsreihen aufzustellen, genügen manchen Autoren die geringsten tatsächlichen Feststellungen, um sofort auf solchen Fun­damenten luftige hypothesenbauten aufzuführen. Besonders gilt tas von der populären Literatur.

Darin daß Profeffor Moritz Hoernes   diesen verlodenden ei spielen in den drei Bändchen der Sammlung Göschen, die sich als forgfältig umgearbeitete populärwissenschaftliche Auszüge aus seiner 1909 erschienenen zweibändigen Natur und Ürgeschichte der Menschen" darstellen, nicht gefolgt ist, sondern auf gewagte Hypo­thefentonftruftionen verzichtet, liegt ein entschiedener Vorzug feines Freilich blieb zunächst Herstellung, Bedeutung und Gebrauch so einen Werfes. Wie wenig Hoernes geneigt ist, in dieser Beziehung manches Fundstückes rätselhaft. Wie mag es hergestellt sein, wozu Bugeständnisse zu machen, zeigt er deutlich darin, daß mag es gedient haben? fragte sich der Forscher; und da er in der er bon vornherein ablehnt, die sogenannten Colithen­Gestalt des Fundstücks nicht die Antwort fand, griff er zur funde( Eotithensteine aus der Morgenzeit der Kultur) und Kombination. Manche seltsame Deutung ist so entstanden, die daran geknüpften Hypothefen von der einstigen Eriſtenz die heute als Naivität belächelt wird. Wie verschieden ist europäischer Urmenschen zur Zeit des mittleren und älteren Oligozäns*) zum Beispiel nicht der Verwendungszweck der an einzelnen in Betracht zu ziehen, denn, so sagt er, diese Steine könnten so lange Stellen gefundenen fleinen Steinzylinder gedeutet worden, bis nicht als Werkzeugsformen gelten, als nicht gültige Beweise für ihre man endlich fand, daß sie nichts anderes seien als die durch wirkliche Verwendung zu menschlichen Arbeitszweden erbracht worden sogenannte Randbohrung aus steinernen Werkzeugen herausgebohrten Löcherfüllungen. Die ftetig fortschreitende Böllerkunde übte jedoch auch auf das Gebiet der Ur- und Vorgeschichte ihren fördernden Einfluß aus. Bei den heutigen Naturvölkern fand man nicht nur bielfach ähnliche Geräte wie in den alten Fundstätten, man sah auch, twie sie hergestellt und in welcher Weise fie gebraucht wurden. Jn dem man die auf dem ethnologischen Gebiet gesammelten Erfah­rungen auf die Funde aus der Borzeit anwandte, drang man tiefer und tiefer in die Technik jener weit zurüdliegenden Epochen ein. An die Stelle der bloßen Wermutungen trat die Beurteilung der alten Werk- und Waffenfunde nach ethnologischen Analogien und Barallelen.

Doch das genügte der Wißbegierde des heutigen Menschen nicht. Er verlangte danach, mehr von dem Leben und Treiben des Ur­menschen zu wiffen. Wir möchten nicht nur deffen primitive Wert zeug- und Waffentechnit tennen, sondern auch erfahren, wie er jagte und fischte, wie es auf seinem Lagerplatz aussah, wie er seine Nahrung zubereitete, wie sein Gemeinschaft- und Familienleben be­schaffen war. Da geben aber die vorzeitlichen Funde wieder feine Antwort. Wir sind, wenn wir Näheres über die Lebensverhältnisse des europäischen   Urmenschen erfahren wollten, auch hier faft ausschließlich

*) Prof. Dr. Moris Goernes: Die Kultur der Urzeit. 8 Bändchen: I. Steinzeit. II. Bronzezeit. III. Eisenzeit. Mit zahl reichen Jllustrationen. Nr. 564-566 der Sammlung Göschen. Jedes Bändchen 0,80 m.

seien. Daraus, daß ein Stein, den die Natur geformt hat, zu irgend einem Arbeitszwed gebraucht werden könne, folge noch feineswegs, daß er zu solchem Zwecke auch tatsächlich gebraucht worden sei. Er erklärt deshalb denn auch nicht nur die Phaien der Tertiärzeit, sondern auch die ältesten Stufen des Diluviums, des durch mehrere Wärmeperioden unterbrochenen Eiszeitalters, für noch ganz un beschriebene Blätter".

Hoernes beginnt feine Schilderung mit den Artefakten von Chelles  ( einer alten Fundstelle im nordfranzöfifchen Departement Seine- et- Marne  ), deren charakteristische Eigenheiten er durch vers schiedene Juustrationen veranschaulicht, und beschreibt dann die vornehmsten altsteinzeitlichen Werkzeugtypen der Kulturstufe von St. Acheul, so benannt nach einem Orte bei Amiens   im Somme  Departement, bis zu den der Nachzeit angehörenden Funden aus der Grotte Mas d'Azil im Ariège  - Departement. Die Chelles­fultur verlegt er mit den meisten Archäologen in die zweite Zwischeneiszeit, das heißt in die nach dem Verlauf zweiten Eiszeit einfegende warme Urwaldperiode Mitteleuropas  , ichließt aber auch nicht die Möglichkeit aus, daß sich diese Typen. erst zu Beginn der dritten Zwischeneiszeit herausgebildet haben.

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*) Dligozänzeit, d. H. Zeit des wenig Neueren, nennt man die zweitälteste Entwickelungsstufe der der Eiszeitperiode voraufgehenden Tertiärperiode. Nach den Berechnungen der bedeutendsten heutigen Geologen liegt die Oligozänstufe um mindestens 7-8 Millionen Jahre zurüd.