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Heinrich Cunow  .

Kleines feuilleton.

Eine Borficht, die Anerkennung verdient. Dagegen ist es meiner verlässige Einführung in das schwierige Gebiet der europäischen  Anficht nach ein Fehler, daß Hoernes fich mit der Schilderung der Urgeschichte; eine Einführung, die mit befiem Gewissen empfohlen äußeren Formen und Umrisse der verschiedenen Funde begnügt und die werden kann. Frage ganz unberücksichtigt läßt, wie diese Formen auseinander her­borgegangen find und wie sie bergestellt wurden. Sicherlich ist es unrichtig, wenn der heute in fast allen Wissenschaften dominierende Entwickelungsgedanke derart überspannt wird, daß nun alles Aeltere und Aelteste von uns als eine unreife Form des Späteren betrachtet und alle technische Entwickelung als ein Prozeß aufgefaßt wird, Gesundheitsstörungen durch den Kinematographen. Das längere der ohne Rücksicht auf fimatische und geographiiche Be Beschauen lebender Lichtbilder hat nicht selten ein lebelbefinden zur Singungen sich überall in genau denselben Gleisen vollzogen hat. Folge, das naturgemäß von den Augen ausgeht, sich aber auch in Wenn in urgefchichtlichen Werken von einer Aufeinanderfolge der nervösen und gaftrischen Störungen neben heftigen Kopfichmerzen Stulturstufen von Chelles  , Acheul, Le Moustier, Solutré usiv. ge- äußern kann. Der Augenarzt Dr. Gould hat im Journal der sprochen wird, so kann das immer nur bedeuten, daß die an diesen Amerikanischen Medizinischen Vereinigung feine reichen Ere Drten gefundenen Steinwerkzeuge verschiedene Entwickelungsstufen fabrungen über derartige Folgen des Besuches von Lichtbilder­der urzeitlichen Steintechnik daritellen, nicht aber, daß in allen vorführungen besprochen. Nach seiner Ansicht sind sie im Gegenden Europas   die gleichen Typen in genau derselben Ausprägung wesentlichen dieselben, wie fie bei jeder Ueberanstrengung und Reihenfolge aufeinandergefolgt sind. der Augen eintreten und lassen sich am ehesten mit dem Begriff der Dem Lefer fann eine bloße Stizzierung der typifchen Formen Migräne   in ihren hunderterlei Abwandlungen kennzeichnen. Unter nicht genügen. Er hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie die den Merkmalen sind am häufigsten das Gefühl einer starken Er­primitive Technik sich entwickelt bat wenigstens in ihren baupt- mattung des Gehirns und insbesondere der Augen, Mangel an fächlichsten Zügen. Und für die Rekonstruktion eines solchen tech- Eplust und sogar Erbrechen und Schlaflosigkeit. Eigentümlich ist nischen Entwickelungsverlaufs bieten nicht nur die Bearbeitungs- auch die Tatsache, daß Leute, die gut angepaßte Brillen tragen, mertmale der alten Funde, sondern auch die Technik der beute noch im Kinematographentheater die Empfindung baben, daß sie im jogenannten Steinzeitalter" lebenden Naturvölfer ein prächtiges andere Gläser brauchen. Wenn sie diefer Neigung nachgeben, Aufbaumaterial ein weit besseres, als für fast alle anderen Seiten so fann ein noch größeres, dauerndes Uebel daraus entstehen, da des urzeitlichen Lebens. jenes Gefühl eben nicht durch die Unzulänglichkeit der Brillen, Daß Hoernes auf diese Skizzierung des Entwickelungsganges iondern durch die Neberanstrengung der Augen bedingt gewesen ist. der altsteinzeitlichen Technik verzichtet hat, ist um so seltsamer, Vielleicht kommt es noch einmal zum Angebot besonderer Brillen als er Seite 53 des ersten Bändchens erklärt, daß es durch für Lichtbildaufführungen, und es ist möglich, daß dadurch ein Teil aus zulässig sei, zur weiteren Ausmalung der Urgeschichte der unerwünschten Nachwirkungen vermieden wird. Die eigent das Kulturleben der heutigen Wildvölker heranzuziehen, wie er denn liche Ursache der Störungen sieht Dr. Gould einmal in dem auch auf S. 50-86 des ersten Bändchens als Ergänzung eine ziem- fortdauernden Wechsel des Firpunkts der Augen, in dem häufigen lich ausführliche Schilderung der altertümlichsten ul- Flimmern der Bilder und ferner in der oft ungenügenden Beleuchtung. turen bei neueren Völkern" bietet. Jm ganzen eine Nebenbei erfahren wir von Dr. Gould, daß es in den Vereinigten instruktive, auf fleißigen Vorstudien berubende Darstellung, wenn Staaten jezt zwischen 12 000 und 20 000 Lichtbild- Theater gibt und fich auch gegen einzelne Ausführungen sicherlich berechtigte Einwände daß im ganzen in diesem Geschäft ein Kapital von rund 200 Millionen Mark angelegt ist. erheben lassen. Technisches.

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Ausführlicher als die alte Steinzeit behandelt Hoernes die jüngere Steinzeit Europas  , die sogen. neolithische Stultur, die er besonders durch norddeutiche und dänische Funde( aus den Kjökkenmöddingern, d. h. Küchenmüllhaufen) illustriert. Neben den Steinwerkzeugen findet besonders die Töpferkunst eingehende Berücksichtigung; doch beschränkt sich auch in diesem Teil Hoernes im wesentlichen auf eine Schilderung der Typen: der Formen und der Ornamentik, während die Herstellungstechnik und die Ver­wendung der Produkte im Haushalt jener Zeit durchaus als Neben fache behandelt wird. Auch die Wirtschaftsweise der jüngeren Steinzeitmenschen, besonders der älteren Pfahlbauperiode, wird nur gestreift.

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Bahnräder aus Stoff. Man hat sich, seitdem das Papier sich einer zunehmenden technischen Verwendung erfreut, allmählich daran gewöhnt, daß Materialien von an sich geringer Festigkeit eine Anwendung dort finden, wo eine Festigkeit verlangt wird, die man früher nur den allerfestesten Metallen wie Stahl und Eisen zutrauen zu fönnen glaubte. Der Spott und die Wigeleien, denen papierene Maschinenteile usw. anfänglich begegneten, find gegenüber den vor­züglichen Ergebnissen, die damit erzielt wurden, allmählich ver­stummt. Es dürfte deshalb kaum noch Verwunderung erregen, daß die General Electric Company   in Schenectady  ( Staat New York  ) Zahnräder aus Stoffen herstellt und diesen besondere Vorzüge nach­Im zweiten und dritten Bändchen, die die Bronzezeit rühmt. Die Herstellung und Konstruktion dieser Räder wird jeden­und die Frühperiode der Gifenzeit, die fo- falls allgemeines Interesse haben. Den Anstoß zu ihrer Erfindung genannte Hallstatt   und La Tene   Periode begab der Umstand, daß fleine Triebräder aus Bronze oder Stahlgub, Handeln, hört der Verfuch, unter Zubilfenahme der bölfer- wie sie bei Straßenbahnwagen üblich sind, allesamt bald zerstört fundlichen Forschungsergebnisse ein Bild der Gesamtfultur jener waren. Außerdem verursachten sie ein unerträgliches Geräusch, fo Epochen zu rekonstruieren, fast ganz auf. Was Hoernes bietet, ist daß man auf einen brauchbaren Ersaz bedacht sein mußte. Das im Grunde genommen eine reine Formen und Ergebnis der Versuche war dann die Erfindung der Stoffzahrräder, Typenlehre. Mit anerkennenswerter Genauigkeit werden die in jene leberjegung eingebaut wurden und sich während einer die Formenverschiedenheiten und stilistischen Besonderheiten, weijährigen Betriebszeit ohne jegliche Wartung ganz vorzüglich Verbreitungsgebiete und die zeitliche Aufeinanderfolge bewährt haben. der verschiedenen typischen Stupfer, Bronze und Eisen Ausgeführt wurden die Stoffzahnräder in drei Größen, die sich soweit geräte geschildert, diese aus fich der Fund in der Konstruktion von einander unterscheiden. Die beiden schichtung oder der Bearbeitung ergibt. Auch die Keramik ver- fleineren werden in der Weise hergestellt, daß Leinen oder fchiedener Fundstätten findet Berücksichtigung. Aber damit ist für Baumwollicheiben aufeinandergelegt und unter einem hydraulischen Hoernes die Betrachtung erledigt. Die Frage, wann ein bestimmter Druck von vielen tausend Kilogramm auf das Quadratzentimeter Lanzen- oder Schwerttypus nachweisbar zuerst auftritt, intereffiert zusammengepreßt werden. Dies ist ja stets das Prinzip bei Her Hoernes weit mehr, als die Frage, wie dieser Typus fich all- stellung ähnlicher Teile aus Papier usw., daß durch den ungeheuren mählich aus anderen Typen entwickelt hat, welche Bearbeitungs- Druck die einzelnen Blätter oder Scheiben zu einer einzigen homo­technit bei der Anfertigung angewandt wurde und tie genen Maffe von fehr großer Festigkeit vereinigt werden. Bei der schließlich die fertige Waffe im Kamgf gebraucht wurde. Selbstver- größten Sorte tommt nicht ein voller Radkörper aus Stoffen zur Ständlich können in einem fleinen Werke, das nur zur Einführung Berwendung, sondern nur ein Kranz, der in eine Rinne der Büchse in die Geschichte der Urkultur bestimmt ist, nicht ausführliche eingelegt wird. In die Stoffradtörper werden Zähne genau in der Stapitel über die alte Waffentechnik und Waffenführung Aufnahme gleichen Weise eingeschnitten, als ob es sich um metallene Räder finden, und es foll auch zugegeben werden, daß in seinem handle, danach werden sie noch mit Del imprägniert. großen Werke über die Natur- und Urgeschichte der Menschen" Diese Stoffräder sollen eine Anzahl Vorzüge besigen, als Professor Hoernes diese Seite der urzeitlichen Kultur mehr Dauerhaftigkeit, Fortfall jeglicher Wartung und Schmierung, boll­berücksichtigt. Doch auch hier nur nebenbei. Das archäoftändig geräuschlofer Gang bei gleichzeitig großer Unempfindlichkeit Logii tunitgeschichtliche Interesse dominiert, gegen start ftoßweise Belastung, ferner Unempfindlichkeit gegen Nässe, and das entwidelungsgeschichtlich- technologische tritt bescheiden in Trockenheit und Hiße.  ben Hintergrund im direkten Gegensatz zu der Urgeschichte der Kultur" des bekannten Ethnologen Heinrich Schurg, in der umgekehrt die ärchäologischen Kulturzeugnisse eine ganz nebensächliche Rolle spielen und das völkerkundlich- sozialhistorische Interesse fast die ganze Darstellung beherrscht.

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Der Gefamtitel der brei kleinen Bändchen: Kultur der Urzeit entspricht deshalb auch nicht ganz dem Inhalt. Hoernes hat sich die Grenzen für seine Arbeit viel enger abgestedt, als der Titel andeutet; innerhalb dieser Grenzen aber bietet er, wie aner tannt werden muß, eine leichtverständliche, gut orientierende und zu­Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW

Es sei daran erinnert, daß in Deutschland   schon seit langem Zahnräder aus gepreßter Rohhaut im Gebrauch sind, die sich vor züglich bewährt haben, und vor allem den einen großen Vorzug befigen, mit metallenen Rädern nicht zu fressen".( Unter freffen" versteht man das Jneinanderarbeiten von aufeinander gleitenden Flächen, wobei eine rapide Abnugung stattfindet, also das gerade Allerdings haben diese Gegenteil von glattem, ruhigem Laufen.) Rohhauträder den einen Nachteil, ziemlich teuer zu sein.

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