Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 26.
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Donnerstag, den 6. Februar.
Gefchichte einer Bombe.
Von Andreas Strug.
Ihr sagt, Ihr seid bereit. Und ich glaube es. Aber seid bereit zu Schlimmerem und nicht zu Besserem. Einmal nur kommt der Tod. Aber er ist verschieden. Einer wird im Kampf von der Kugel getroffen. Ein anderer muß in der Bwangsarbeit die Ketten schleppen und hinter vergitterten Fenstern eingeschlossen sterben. Ein anderer, verurteilt, muß allein fißen und seine leßte Stunde erwarten. Ich kenne welche, die zehnmal davongekommen sind, und solche, die beim erstenmal ergriffen wurden und an den Galgen famen. Der gemeinsamen Sache ist das einerlei. Jeder Tod wird gezählt, und jeder Gefallene ist ihr gleich teuer wie der Mutter ihr gestorbenes Kind."
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,, Aber dem einzelnen Menschen ist es nicht einerlei doch kann sich niemand seinen Tod wählen. Im Kampfe fallen - ist leicht. Im Gefängnis auf den Tod warten das ist anders. Da muß man alle Kraft in sich sammeln, um die gemeine Angst von sich fern zu halten; denn bei dieser Angst werden Dich die Schufte fassen, werden Dich versuchen: werde ein Judasund Du bleibst am Leben! Wir geben Dir dreißig Silberlinge verrate die Deinen!.
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1913
sicher und gut! Denn sie sind gekauft aus den Beiträgen armer Menschen, welche von ihrem Munde für die Waffen abgespart haben, oder für erbeutetes Regierungsgeld, wofür manches Menschenleben darauf ging. Die Waffen schonen, das heißt, sie nur gegen den Feind gebrauen. Wer aber in persönlicher Angelegenheit von ihr Gebrauch macht, um jemand totzuschlagen, aus Rache oder aus anderen Gründen, der schändet die revolutionäre Waffe, und darauf steht bei uns schwere Strafe....
Orawiec stieß einen von den Neuen mit der Faust in die Seite und wies ihn flüsterid zurecht:
,, Kielza! Gebt acht auf das, was der ältere Genosse spricht! Rannst ja später Deine Maschine besehen! Steht da, vergafft wie das Kind in ein Spielzeug auf dem Markt!"
Dann kehrten sie in Haufen den schmalen Waldweg zurück. Maret ging mitten unter den Bauern und plauderte mit ihnen bald von diesem, bald von jener. Er fühlte sich wohl. Den Leuten lachten die Augen. Und ein heiteres Reden erhob sich und jene tief aus der Seele kommende gläubige, gute Erwartung.
Es gingen mit ihnen zusammen Gespenster und Schaf ten. Es berbarg sich, von Baum zu Baum huschend, die Angst. Dort irgendwo hinter ihnen schleifte auf der Erde die Sklaverei, die Verbannung ihre Ketten.... Aber vor ihnen ging die verführerische Hoffnung, schön wie der Sommertag. und nur in ihr waren diese menschlichen Seelen versenkt...
Darum überlegt rechtzeitig und bereitet Euch vor. Viel Tapferkeit bedarf der Kämpfer, viel Seele. Mehr als im Bald dehnt sich ihm die Zeit, bald schrumpft sie zusamoffenen Krieg vor den Kanonen, wo Hunderttausende sich men. Sehr merkwürdige Dinge geschehen mit der Zeit und schlagen und mit Leichen das Feld bedecken. Einer wird sagen: mit dem Menschen. Es ist schwer, es zu ergründen. Aber ich war im Strieg! Sch aber sage Euch, daß man in feinem in irgendeinem Augenblick steht plößlich das ganze lange Leben Krieg so viel Mut bedarf wie bei uns in der Kampfgruppe. deutlich da, als wäre es eine Minute. Dann kann sich diese Und wenn einer wird fagen fönnen: ich war in der Kampf- vieljährige Zeit so zusammenziehen, daß es ihm scheint, er gruppe, so wird das mehr bedeuten, als hätte er den ganzen wäre gestern erst geboren worden. japanischen Feldzug mitgemacht. Denn dort schossen nur Gestern erst muß es gewesen sein, daß er hinter dem Kanonen und Gewehre aber auf uns zielt nicht nur die Vieh herging und Prügel für den angerichteten Schaden ermörderische Waffe, sondern das unmenschliche Feldgericht und hielt. Gestern erst muß es gewesen sein, daß er geheiratet hat die Zwangsarbeit und der Galgen und die Verleumdung und und auf seinem Hofe jaß. Gestern war der Krieg. Gestern der gemeine Verrat um Judaslohn.' erst war er der Partei beigetreten, und gestern hatten sie ihm die Waffe in die Hand gegeben. Das alles hatte in dent einen Tag Plaz....
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Bloß diese weißen Hände! Wie sind sie so glatt, zum Teufel, wie ausgeruht!
sich wie Bech, ein Tag um den anderen, Monat um Monat. Ach, wie lange, wie lange ist es her! Damals hatte man gerade bei den Kartoffeln gearbeitet, und so um sechs Wochen herum sollte man anfangen umzugraben. Bloß bis zum Jahr reicht die Zeit nicht sie reißt plöblich ab. Auch das geschieht zuweilen. Ja, sie ist ganz abgerissen nach dem Gericht. Wann war denn dieses Gericht?
Bei uns wird kein Eid abgelegt auf Gehorsam, Treue und Bewahrung des Geheimnisses. Kein Eid, und mag er beim Heiligsten geschworen sein, ist etwas wert, wenn der Mensch in seiner Seele das Versprechen nicht achtet. Aber von diesem Augenblick an soll jeder von Euch wissen und eingedenk Und dann dehnt sich die Zeit wieder auseinander, zieht sein, daß er jedem Befehl zu gehorchen hat. Wenn Ihr zum Militär genommen werdet, so gehorcht Ihr aus Angst vor den Ohrfeigen. Hier aber gehorche, weil es Deine Sache ist! Gehorche aus Bernunft und aus Liebe! Der hier( er wies auf Drawiec) ist Euer Führer. Er ist durch die Aeltesten gewählt und von der Partei bestätigt. Was er befiehlt, das ist beilig: heißt er schlagen- so schlage; heißt er die Waffe abliefern so liefere sie ab; heißt er Dich stillsizen- so fizz rubig! Seißt er sich in Gefahr begeben, dann geh! Er ist kein Fremder, sondern einer, den Ihr kennt, unter Euren Augen habt, einer der unter Euch fißt. Niemand hat das Necht, irgend etwas in Sachen des Kampfes zu befehlen, als er allein, oder durch ihn."
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Ich habe nun alles gesagt, was nötig war. Das übrige mag Euch Euer eigener menschlicher Verstand und Euer Gewissen ergänzen.
stal Folgt ihnen die Waffen aus!"
In drei Körben befanden sich Waffen und Munition. Der Führer gab einem jeden je einen Browning, drei Magazine und hundert Batronen. Außerdem ein Futteral auf einem Riemen, Bußleder, Del und alles Nötige. Die Bauern stürzten sich auf die Waffen und drängten sich um die Körbe, als fürchteten sie, daß es zu wenig sein könnte. Sie betrachteten ergriffen das schwarze, graufige Gerät, und Orawiec befahl ihnen, fich Sonntag nachmittag am gleichen Ort zum Unterricht einzufinden.
In wessen Baket dann auch nur eine Ladung fehlt, der wird bestraft, und für jede fehlende Ladung wird ihm die Waffe auf je einen Monat abgenommen. Also paßt auf!" Auch Maret ergriff noch einmal das Wort wegen der Waffen:
Schont die Waffen! Haltet sie sauber! Verwahrt sie
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Bier Lage ist es her. Und es scheint, als wäre es irgendwo ganz weit, am Anfang der Welt...
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Höre, Wojtek sag doch, Wojtek Kielza, unfeliger Bauer, was ist denn das, und was für ein Ding ist die menschliche Zeit?... Was bedeutet sie und dieses kurze menschliche Leben? Und was ist sie eigentlich, diese ganze weite Welt mit allen Menschen, Städten, Dörfern, fremden Ländern, Flüssen, Bergen, mit der Revolution, mit den Parteien und dem Sozialismus, mit diesem Land Polen und mit dem zarischen Regiment?
Meiner Kasja ist das alles, was es war. Warum aber scheint es mir, daß nichts mehr da ist als bloß diese enge Zelle mit den gefalften Wänden, und von der ganzen übrigen Welt ist es ihr nur dieser eine Mensch, da, der mit sich selbst spricht, selbst seufzt und alles das selbst hört?
Auf dem Korridor kommen und gehen Gendarmen, Soldaten, der Aufseher kann kommen, ein General, oder der Arzt. Man hört hinter dem Fenster menschlichen Lärm, das Singen der Soldaten, Trompeten und Trommeln und in Wirklichkeit scheint es, daß es Schatten sind und nicht Menschen. Alles ist, wie wenn man schliefe! Seltsam.
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Diese stete Verwunderung quälte Wojtek Kielza, dies Nachdenken quälte ihn, das niemand mehr nüßen fonnte, auch ibm selbst nicht. Er fühlte in sich sonst die alte Straft, nur im Kampf war alles völlig erschöpft. Die Augen fielen ihm