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Das schönste Beispiel hierfür bieten die Korallen. Sie zeigen auch am besten, welch ungeheure Leistungen gemeinsame Arbeit zu vollbringen vermag, danken doch große Inseln, Riffe und weit­läufige Atolle allein der Tätigkeit zahlloser kleiner Korallen­polypen ihre Entstehung.

Der erste Schritt zur Koloniebildung ist bereits bei einem der niedersten Nesseltiere, unseren Süßwasserpolypen Hydra  , getan. Wie alle höheren Tiere pflanzt sich auch der Süßwasser­polyp durch besondere Keimzellen fort, daneben befitt er aber noch die Fähigkeit, gleich den meisten Pflanzen, seitlich an seinem Stamme Ableger oder Knospen zu treiben, die bis zu ihrer völligen Ausbildung zum fertigen Polypen mit dem Muttertiere verbunden bleiben, sich dann aber loslösen und ein selbständiges Leben führen, so daß wir wenigstens vorübergehend auch hier bereits einen fleinen Tierstock von zwei bis höchstens vier oder sechs Individuen vor uns haben.

wandlem Vortrage weiß er unermüdlich alfe Legenden vorzusingen Inachweiseft. Bahlreiche einzellige Lebewesen schließen sich zu und dadurch die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer stundenlang zu dauernden Kolonien oder wenigstens au borübergehenden Frez­feffeln. Es find alle jene altnormannischen Sagen, die ein Zufall gemeinschaften zusammen. Auch bei den vielzelligen Tieren finden der Geschichte hierher verpflanzt hat und die das tragische Schicksal wir bereits auf der niedersten Stufe, bei den Schwämmen und und die Liebesepisoden gewaltiger nordischer Könige, ausgeschmüdt Nesseltieren, Koloniebildung. mit südländischer Glut, berkünden. An der dem Schiffsverkehr ab­gelegenen Passeggiata indessen lodt der herrlich blühende, riesige Boltspart, wo an den Sommerabenden Konzerte stattfinden und bei feenhafter Illumination sich ganz Palermo   durcheinander tummelt. Im Hafen der Innenmole herrscht um diese Zeit ebenfalls bas regite Treiben. Zumal sich der Post- und Personenverkehr nach dem Festlande über Neapel   viel schneller und angenehmer gestaltet als mit der Eisenbahn. Stundenlang, bevor der Dampfer nach Neapel   abgeht, gibt es ein lebhaftes in und Her von Reisenden, Abschiednehmenden und Zuschauern, die noch schnell einen Brief befördern wollen. Bisweilen wird der Trubel durch ein Schiff mit Auswanderern nach Amerika   erhöht. Der nie fehlende Leiermann läßt mit seinem Bither- Organino die Abfahrenden die letzten jizi­tianischen Klänge hören. Und das gefühlvolle Völkchen ergeht sich voll lärmender Trauer in seinen unendlich langgezogenen Klage­tönen, die den Davongehenden wehmütig ihre Namen nachrufen, bis die große Meeresstille jene menschlichen, fast unmenschlichen Laute verschlingt. Inzwischen ist vor dem Eingange zum Hafen die Holzstatue der Madonna mit zwölf großen Kerzen beleuchtet wor­den, vor der das ein- und ausströmende Volk schweigend den Hut Tüftet. Wiederum naht selbst diesem geweihten Plaze der Leier­mann, der von seinem Rundgange mit gefüllten Taschen heim­kehrend, die dankbare Devotion vor der Mutter Gottes durch eine Ertraeinlage fundgeben zu müssen glaubt, indem er ihr feierlich bie Lustige Witwe  " aufspielt! Weit ins offene Meer hinaus in dessen zieht sich das steinige Bollwerk des Außenhafens mit einem fleinen Wald von Segelschiffmasten und fremden Flaggen. Es ver­ursacht stets ein anheimelndes Gefühl, in dieser fremden Natur- Wie entsteht nun aber der Korallenstod? In ganz ähnlicher schönheit die deutschen Schiffe herannahen zu sehen. Seit kurzem Weise wie bei unseren Süßwasserpolypen durch ungeschlechtliche unterhält der Norddeutsche Lloyd   regelmäßigen und bequemen Ver- Vermehrung, und zwar durch seitliche Knospung. Da hier jedoch die fehr in den italienischen Häfen, bisweilen begrüßt man auch einen so entstehenden Individuen für ihr ganzes Leben vereint bleiben Frachtdampfer der Sloman- Linie und gelegentlich sogar einen und da die Korallenkolonien sehr erhebliche Dimensionen annehmen, mächtigen Seeriefen der Hamburg- Amerika- Linie  , der aus weiter so muß der fertige Stock noch besonders gestützt werden, da er sonst Ferne fommend, einige Tage im Hafen von Palermo   löscht. Gern einfach zusammenfallen würde. E geschieht dieses durch Aus­überschreitet alsdann der Deutsche die Dogana, um ein Weilchen scheidung eines festen Gerüstes von fohlensaurem Kalt im Innern, auf heimischen Brettern zu stehen und was noch angenehmer er- das den ganzen Stock bis in seine feinsten Verzweigungen durch­fcheint, einige gute Bigarren zu ergattern und auf italienischem zieht und stüht, wie das Knochenstelett unsern eigenen Körper. Boden zu schmuggeln, deffen eigener Tabat ja leider schlecht Dieses Kaltstelett ist der Teil einer Edelkoralle, der zu Schmud­genug ist. gegenständen verarbeitet wird.

Wie ganz Palermo  , so steht besonders auch der Hafen unter dem Schuße der Santa Rosalia  . An ihrem Feste sollen nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere ihren Segen empfangen; weit und breit ziehen dann in unendlichen Scharen die Biegen herden, geführt von den malerisch gekleideten Hirten, in den Hafen von Palermo  . Der großartige Anblick dieser malerischen Scharen dürfte selbst den erpichtesten Vegetarianer erfreuen; wie ein leben­diger weißer Strom zwischen dunklem Himmel und dunklem Meere tommen fie in unendlichem Zuge herbei, begleitet von Schalmeien­flängen der Hirten und abertausend Kleinen Glöckchen.

Unvergeßlich schön und erhaben verklären die linden weichen Sommerabende den Hafen von Palermo  . Die sonst so hell leuchten den Berge umhüllt ein intensives Dunkelblau mit lilafarbenen Streiflichtern, alles dunkler noch als das Meer, während über Erde und Wasser der Himmel einen geradezu blendenden Glanz wirft, einen Glanz, der die Umrisse der Gegenstände und Menschen wie mit Spiegellicht umflimmert. Dann eilen die armen Fischer, die des Tages Hiße zur Untätigkeit zwang, aufs Meer hinaus. Ihre alten arabischen Volksweisen flingen schwermütig in die Dämme­rung. Auch das flache Wasser des Strandes belebt sich mit Männern, die, obwohl bekleidet, oft bis an die Brust im Meere waten, um Seesterne, Polypen usw. zu fischen. Ihre Lampen ent­hüllen den abseits Lauschenden den Grund des flaren Wassers so tagestlar, daß man selbst nicht müde wird, die glänzenden Stein­chen und schöngeformten Gewächse zu beobachten. Endlich ver­zaubert der auftauchende Mond das ganze Meisterwerk der Schöpfung.

Jedenfalls muß diese Vereinigung den Tieren Vorteil gebracht haben, denn bei den meisten höheren Vertretern dieser Klasse finden wir, diese dort nur vorübergehende Vereinigung zu einer dauern­den Einrichtung geworden.

Als Beispiel einer ausgedehnten Koloniebildung mag unsere Edelforalle dienen. Meist sind es vielfach verzweigte, bald kleinere, bald größere Stäbchen, die durch ihre prächtige rote Fär­bung einen schönen Anblick gewähren. An jedem der zahlreichen Zweige des Stodes sehen wir die kleinen Korallenpolypen hervor­guden, aber bei der geringsten Störung ziehen sie sich blitzschnell in das Innere zurück.

Die einzelnen Baumeister einer solchen Korallenkolonie sind nun nicht etwa von einander getrennt und nur räumlich auf den gleichen Stock angewiesen, sondern der Innenraum ihres Körpers steht mit den sämtlichen anderen Bürgern dieses primitiven Tier­staates durch ein Röhrensystem in Verbindung und die Nahrung, die ein Zier aufnimmt, fommt gleichzeitig sämtlichen Einwohnern zugute.

Wir sehen hier also bereits gemeinsame Arbeit und Eintreten des einen Bürgers für das Ganze, aber zu einer wirklichen Arbeits­einteilung ist es noch nicht gekommen. Doch auch dieses finden wir bei nahen Verwandten derselben Tierklasse verwirklicht. Vor allen Dingen ist bei diesen den einzelnen Paypen die Fähigkeit, Ge­schlechtsprodukte zu erzeugen, verloren gegangen, sie können sich ausschließlich durch seitliche Knospung vermehren. Nun entstehen aber durch die Knospung nicht nur, wie bei den Korallen, immer wieder neue Polypen, sondern daneben kommt es auch zur Aus­bildung sehr abweichend gebauter Geschlechtstiere, Medu­sen oder Quallen genannt, deren wichtigste Aufgabe darin besteht, Gier und Samen zu produzierer. Entweder bleiben die Medusen nun auch vollständig und dauernd mit dem Stock ver­einigt, oder aber, was das Häufigere ist, fie lösen sich, wenn sie erwachfen sind, vom Stocke los und begeben sich auf die Wander­schaft in die Weite, überall ihre Geschlechtsprodukte absetzend und so für die Verbreitung der Art wirkend.

Ueberall in der Ost- und Nordsee   und namentlich im Mittel­ meer   trifft man auf große Scharen solcher Medusen oder Quallen. Namentlich beim Baden machen sie sich häufig durch Erzeugung eines start brennenden Schmerzes recht unangenehm bemerkbar. So schön nämlich diese Tiere sind, so heimtückisch sind sie auch. Wie wir in einer früheren Uebersicht" bereits erwähnt haben, find

Naturwiffenfchaftliche Ueberficht. sowohl Bolypen wie Meduſen mit einer gefährlichen Waffe, den

( Schluß.)

Wenn wir das menschliche Leben betrachten, so finden wir überall unter den Menschen, welcher Rasse, welchem Volte wir auch unseren Blick zuwenden, das Bestreben, sich zu größeren oder kleine­ren, festeren oder freieren Gemeinschaften zusammenzuschließen, und ebenso finden wir auch bei fast allen Tierklassen gewisse soziale Instinkte entwidelt.

Der Philosoph Natorup sagt einmal: Der völlig isolierte Mensch, das Individuum ist nur eine Fittion, eine Abstraktion; und er hat recht mit diesem Ausspruch. Ja, man könnte seinen Sah noch erweitern und fast sagen, auch das völlig isolierte Tier ist eine Fittion, denn abgesehen von wenigen Aus­nahmen finden wir auch im Tierreich überall, und wenn auch oft nur schwach ausgebildet, Spuren von Geselligkeit. Ja, selbst bei den niedersten einzelligen Lebewesen lassen sich solche sozialen Spuren

sogenannten Nesselkapseln ausgerüstet, tie fie bei allen anderen Tieren gefürchtet machen.

Die weitgehendste Arbeitsteilung finden wir bei den Röhren­quallen oder Siphonophoren durchgeführt. Tieren von einer unbeschreiblichen Farben- und Formenschönheit, die bei sonnigem, ruhigem Wetter oft in großer Anzahl an der Oberfläche des Meeres dahintreiben.

Wer würde wohl in diesen so einheitlich aussehenden Organis­men Tierstaate vermuten. Und doch entspricht jedes dieser Tiere nicht etwa einer einzelnen Qualle oder einem Polypen, sondern eher einem ganzen individuenreichen Korallenstod. Jedes einzelne scheinbare Organ, das an der Siphonophore zu sehen ist, ist ein besonderes selbständiges Tier, das in diesem Musterhaushalt eine ganz bestimmte Arbeitsleistung übernommen und sich zweck­entsprechend umgewandelt hat. Und zwar sind einige Organe aus modifizierten Polypen, andere aus umgeänderten Mebufen hervor