gewinnt wohl Reichtum, verliert aber sein Weib. Di« feinfühligeFrau leidet unter dem gierigen Geschäftssinn des ManneS, bis dasUnglück über Jadwin kommt und seine Spekulationen fehlschlagen.Seine Energie konnte ihm wohl Millionen erobern, aber nicht dasHerz der Frau. Nun der Weizen in unerhörter Fruchtbarkeit wiedie Wogen einer Flut über das Land schwoll, so dasi Jadwin seinenaufgestapelten und aufgekauften Vorrat nicht los werden konnte, dieFruchtbarkeit ihn also arm machte, gewann er eine schönere Frucht;gewann die Liebe seiner Frau wieder. Das alles ist von Frank Norrisdramatisch bewegt, durwfiebert vom Pnlsschlag des Landes, dessenGeschichte der Autor widerspiegelt in ethischer Größe vor den Leserhinstellt. Mit jeder Zeile fühlen wir das Lebendige, das Anti-literarische. Ein Buch von schaffenden Kräften und Lebensmächten,der gewaltige Organismus Amerikas in seiner Welt der Bodenfruchtbarkeit umspannt, durchbraust vom Liede der Arbeit, aus-strahlend in jeder Zeile der sachlichen Schilderung das Fludiunr desmodernen Geistes.Heinrich Stei nitzer: Die Tragödie des Ich.sEgon Fleischet u. Co., Berlin.) Ilmspannt das Werk Frank Rorrisdas umgestüm-hastende, vorwärtsdrängende, blühende Leben, so ziehtsich der Verfaffer dieser vorliegenden Selbstzergliederung ganz indas Land der Seele zurück. Gottlob haben wir aber in dieser er-staunlich tiefschürfenden Analyse eines Einsamen nicht die phraseo-logische Sichbespiegelung pygmäischer Selbstanbcter. HeinrichSteinitzers Buch scheint dem Erlebnis, oder richtiger dem Erfühltenentquollen. Ich kenne kaum ein Buch, das erschütternder und trost-loser die Tragik des Einsamen schildert, jener inneren Vereinsamung,die im Ick wurzelt, in jenem ungewolltetr, deterministischen(unfrei-willigen! Ich. gegen daS der Wille vergebens ankämpft und das miteiner unheilvollen Erbschaft sich rettungslos gegen Glück undFrieden, gegen Menschcnnähe und innere Harmonie auf-bäumt. Diese unheilvolle Erbschaft ist, nüchtern ausgedrückt,die Naturanlage. DaS Ich, daS der„Einsame" von Geburtmitbekommen, vermag mit dem Leben nicht fertig zu lverden. DerEinsame hat Sehnsüchte, Wünsche, aber daS„Ich", dieses schwerblütige, mißtrauische, liebeleere Ich stellt sich den Wünschen, derSehnsucht entgegen. Es ist nicht das, was man mit dem stolzenNamen Individualität bezeichnet, um derentwillen der Besitzer denKopf hoch trägt und auf die Nicktindividualisten herabsieht, es istein feindliches Ich und ach, ein armes, armes Ich. Steinitzer breitetmit tiefem Kennerblick die Psyche eines solchen Einsamen vor unsaus, zeigt seine Wirrsale und sein Elend, um zuletzt zu dem Schlußzu kommen, daß deni Unglücklichen, der sich von der Tragödie desIch durch freilvilligen Tod erlöst, die Kraft zur Liebe gefehlt. Wehedie nicht lieben können I Welche Komödie spielen sie sich vor, welchenSelbstbetrug, wie ächzend suchen sie Trost für die Leereihres Herzens! Heimatlos geben sie umher und werden er-würgt vom Ich, das ein boshafter Gott als eine schauerlicheMacht in ihr Inneres gelegt hat. Man muß die Seitendes Buches, die Thesen der Berziveiflung und des Kampfes, derErkennwis und der Durchringung zur Liebe selbst nachlesen, um desVerfafferS gedankenschwerer Gestaltungskunst inne zu werden, mitder er ein Stück Menschheitslragik mit seherischer Kraft und psycho-logischem Tiefblick aufgerollt hat.Selma Lagerlös: Der Fuhrmann des Tode?.fVerlag Albert Langen, München.) Der Hauch der Legendenpoesieumwittert auch dieses neue Buch der nordischen Erzählerin.Tolstoischen Geistes ist das Lebenswerk Selma Lagcrlöfs. Die Ur-religion der Liebe predigen ihre Bücher, meist in der analytischenForm SteinitzerS. der unbarmherzig die Armut des Licbelosen zergliedert,— wie eine tröstliche Sage, an deren Ende das Gute in:Menschen gesiegt, rütteln ihre Mahnung»- und Bekehrungsgeschichtenan die Herzen. Man spürt wie bei Tolstoi den starken Glauben andie Religion der Liebe und folgt der Berfafferin gern in ihr vondichterifcher Schönheit überstrahltes Reich der sittlichen Märchen.Wer mit dem letzten Schlag des alten Jahres stirbt, muß der„Fuhr-mann des Todes"»Verden, auf einem elenden Karren die Ge-siorbcnen abholen. David Holm, der verkommene Trinker sinktin der NeujahrSnacht bei einem Zechgelage� tot nieder.Nun harrt seiner der schwere FuhrmannSdienst. Doch seinstarrer Wille sträubt sich gegen dies-S Amt und so versieht der alteFuhrmann des Todes einstweilen seinen Dienst weiter, nimmt aberaber David auf seinen schauerlichen Wegen gefesselt mit. Unsichtbarkommt so David zur sterbenden HeilSschwcster Ethit, die ihn geliebt,bört ihre Herzensbekcnntnisse wie die seines im Gefängnis mit demTode ringeuden Bruders, besten im Grunde reines Herz sich ihm er-schließt, tvird Zeuge der Verzweiflung seiner Frau, die er im Lebengequält und die sich und die Kinder in ihrem Gram über den ver-rohten Mann auS der Welt schaffen will. Da schmilzt die Rinde vomVerhärteten Herzen Davids, die Sehnsucht nach Bessening Iviihltseine Seele aus und in diesem starken Drang kehrt die Seele in denLeichnam zurück. David ist das Leben wiedergeschenkt, da« er mm-mehr in Liebe und Hingabe an das Gute leben wird. Trotz Heils-armer und reichlichen Gebeten wirkt die ergreisende Erzählung inihrer Schlichtheit nicht pietistisch-frömmelnd. Poetisch verklärt hatsie die mythische und mystische Kraft alter schöner Volkslegenden.Die Abenteuer des Prinzen Genji lGenjiMonogatari), ein altjapanischer Roman der M n r a s a k i S h i l i b u.Deutsch von Maxm. Müller- I a b n s ch.(Verlag Langen,München.) Da? Land der zierlichen GeishaS und der Holzschnitte,Japan mit seinen blühenden Kirschbäumen und seinen äugen«geschlitzten Trippelfiguren hat unsere Kunst merkbar befruchtet. Mitseiner Kultur werden wir durch daS kleine Hofftäuleiu MurasahiShikibu bekannt gemacht. Freilich ist es die alte Kultur, die dieDame vor tausend Jahren aufschrieb und es ist sehr»nteressailt, denLebenslauf eine? japanischen Don Juans zu verfolgen. Die Leiden-sckaften nehmen fich aus. wie zierliche Nippes, olles freundlich lackiert,Lächeln und Tränen in Miniaturformat. Diese gesellschaftliche Ober«schichte, die sich um die Abenteuer des Prinzen Genji lagert, istartislisch-maniriert, genußsüchtig, mit galanten Dingen spielend, einridjtiger Vorläufer unserer Aesthetengilde. So scheint auch ein Teilniilerer Kultur von Japan befruchtet. Oder man könnte beim Anblickeines Teils unserer europäischen Zerbrechlichkeitskultur mit Ben Akibasagen: alles schon dageivesen. Man wird sich gern eine Weile indiese asiatisch-fremde Welt verlieren, die im bunten Kolorit Märchenvon Tausend und eine Nacht schmetterlinghaft vorübergaukelt._ J. Y.Kleines feuilleton-Verkehrswesen.Schlafwagen dritter Klasse. Seit dem Sommervorigen Jahres verkehren zum ersten Male auf einer EisenbahnSchlafwagen dritter Klasse. Es handelt sich dabei natürlich nichtum preußische, sondern um norwegische Staatseisenbahnen, diediese Wagen auf der zirka SSV Kilometer langen Hochgebirgsbahnzwischen Kristiania und Bergen verkehren lassen. Die Wagenart hatsich als sehr zweckmäßig erwiesen und wird auch stark benutzt. DieWagen haben einen seitlichen Durchgang uird enthalten zwölf Ab-teile, in deren jedem drei Schlafplätze übereinander angeordnet sind.Am Tag dient die untere Schlafstelle als Sitzbank, die beidenanderen werden hochgeklappt. Während der Stacht erhalten dieSchlafstellen richtiges Bettzeug mit reiner Bettwäsche. Ebenso istfür Waschgelegenheit in jedem Abteil gesorgt.Die Bahn Kri st iania— Bergen ist noch in verschiedenenanderen Beziehungen bemerkenswert. Während früher die Ver-Hindling zwischen Kristiania und Bergen, der zweitgrößten Stadtdes Landes, ca. zweieinhalb Tage auf dem Seelvege beanspruchte,kann man jetzt den Weg in l-t Stunden zurücklegen. Die Streckesteigt bis ans eine Höhe von 1300 Metern über den» Meer und inußeigenartige Schneeschutzvorrichtungen und Schneeschirme erhalten. Aufder 100 Kilometer langen baumlosen HochgebirgSstrecke sind 1ö Kilo«meter in Tunnels und Kilometer in Schneeschutzvorrichtungen geführt.Die Schnceschicht erreickst an nianchen Stellen eine Stärke von 16bis 18 Metern, sodaß man Steinkonstruktionen verwenden mußte.Um die Aussicht nicht zu behindern, sind 1>/z Meter hohe Luken vor-gesehen, die im Frühjahr geöffnet und im Herbst geschlossen werden.Außer den festen Schnecschutzbrücken sind noch rund 7ö Kilometerlange Schneeschirme und 15 Kilometer lange bewegliche Schirmevorhanden. Trotz dieser Schutzmittel verschneit die Strecke imWinter derart, daß im ersten Jahre der Betrieb eingestellt werdenmußte und erst im Winter 1908/9 der Betrieb aufrecht erhaltenwerden konnte. Zu diesem Zweck verwendet die Bahn drei großeSchlcuderradschnecpflüge, die bis in den Mai hinein genügend Arbeithaben. Lt.Medizinisches.Trunksuchtsbehandlung durch Hypnose. S.achDr. v. Kapff in Berlin ist in der Hand des kundige» Arztes dieHypnose ein gutes Mittel, den Willen des Trinkers zu stärken, ihmSelbstvertrauen zu geben, die einzelnen lästigen Erscheinungen derAlkobolvergiftungen zu mildern»nid erträglich zu machen, ihn vonder Sucht und dem Zwang zu befteien. Alkoholkranke sind meistleichter zu hypnotisieren, wenn einmal der Widerstand gebrochen istund das Mißtrauen sich in Vertrauen umgewandelt bat.Ihre Beeinflußbarkeit ist meist größer als gewöhnlich, ihrBewußtsein neigt zu träumerischen Däinmerzuftänden. BeiLieboult sind unter 1011 allgemein Erkrankten nur 27 im»empfänglich für Hypnose geweseii. Dr. v. Kapff heilt jetzt meistin sechs Wochen bei wöchentlich zweimaliger Hypnose Alkoholtrinker,die er früher fast verloren hielt. Selbst bei Trinkerinnen, die inder Anstalt meist ein Jahr behalten werden, hat er in dieien, Zeit-raim, öfters schon Dauererfolge von bis jetzt nachweisbar mehrerenJahren erzielt. Rückfälle sind nicht ausgeschloffcn, doch mancherbraucht gerade, u den Rückfall, um durch diese« Erlebenendgültig zur Vernunft gezwungen zu werden. Außerdem istdie Hypnose im stände, den Rückfall rasch wieder zu heilen, wennnur keine falsche Scham den Kranken zu lange zurückhält. Um Rück-fälle zu verhüten, mutz man auch die Angehörigen des Kranken undseine Umgebung zu beeinflussen suchen. Die meisten werden durchmißgünstigen oder boshaften Umgang rückfällig gemacht. Deshalbsind die Enthaltsamkeitsvereine als wichtige Stütze für den Wieder-genesenden zu empfehlen. Auch sogenannte OuartalStrinker lassensich mit Dauererfolg durch Hypnose heilen. Viele, die so genanntwerden, sind verkannte GelegenbeitStrinker, bei denen durch ein»maligen Alkoholgenuß die angeborene oder erworbene Alkohol«empsindlichkeit starke Reizlvirknngen erzeugt. Einem Alkoboltrinker, dernoch gewisse Einsicht hat. dessen Organe sich noch nicht im letztenStadium der Entartung befinden, kann noch geholfen loerden.__Verantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.— Druck n. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSaustalt Paul Singer chEo., Berlin LW.