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Lolotte( verächtlich): Für Deinen Geschmad! Rede doch nicht bon Dingen, die nicht existieren! Na und überhaupt, ich habs fatt...( Glücklich, Herrn Biche etwas unangenehmes fagen zu fönnen.) Du wirst mir den Gefallen tun und sie rausschmeißen, Deine neue Köchin verstanden?

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Biche( wesentlich erleichtert, da das Gewitter sich über ein fremdes Haupt zu entladen scheint): Gott, rege Dich nicht auf! Sie soll ihren halben Monat abdienen und.

Lolotte( ihren Nerven Luft machend): Halben Monat?. Nicht eine Minute! Ich habe keine Luft, mich vergiften zu laffen! Ich wünsche, daß sie noch heute abend geht! Du wirst ihr den Lohn sofort hier in meiner Gegenwart auszahlen!( Zur Aufwärterin): Sagen Sie ihr, sie soll reinkommen!

Biche: Wie Du willst!... Aber es tut mir trotzdem leid; sie machte solch einen braven Eindruck!

Die Köchin( eintretend): Der Herr hat mich rufen lassen? Beim Klang dieser Stimme wendet Lolotte blitzschnell den Kopf. Kaum hat sie die Köchin erblickt, als sie erbleicht und mit Mühe einen Schrei zurückhält. Die alte Frau ihrerseits, die mechanisch die Augen erhoben hat, steht wie versteinert, den Blick starr und unver­wandt auf das verzerrte Gesicht Lolottes gerichtet.

Biche( spielt verlegen mit feiner Gabel, ohne etwas von dieser schnellen Szene zu bemerken): Ja, meine liebe Madeleine, ich bedauere sehr, Sie

sein Bruder einst felnen nicht nur vorübergehenden, sondern lebens­länglichen Protestantismus verpredigte.

In seiner Begeisterung für die Freiheitskriege hat der Führer des Berliner   Fortschritts einen würdigen Vorläufer in jenem waderen Saul Ascher  , der sogar den Sieg über Napoleon   als das ausschließ liche Verdienst des Judentums in Anspruch nahm. Cassels Bor gänger bewies diese Behauptung in seiner gegen den Antisemiten Rühs gerichteten Schrift Germanomanie":" In dem fanatischen Eifer eines echten Germanomanen vergißt er( Rühs), daß Teutsch­lands Heere in dem Kampfe gegen Frankreich   unterlagen, ehe noch die Juden in ihrer Mitte daran teilnahmen, und erinnert sich nicht, wie folgenreich sie in den Jahren 1813 und 1814 fämpften, als die Juden aus Rußland  , Polen  , Desterreich und Preußen mit ihnen in Reih und Glied standen."

Aber Saul Ascher   war eine Ausnahme. Die Juden vor hundert Jahren waren und blieben begeisterte Napoleonschwärmer. Mit Recht. Denn in dem Machtbereich Napoleons   wurden zum erstenmal auf dem europäischen   Festlande die Juden als gleichberechtigte Menschen unter das gleiche Gesetz wie alle anderen Bürger gestellt, und mit dem Sturze Napoleons   wurde diese Freiheit sofort wieder eingeschränkt und vernichtet. Napoleon   aber begnügte sich nicht nur, die Juden in den von Frankreich   mittelbar oder unmittelbar beein­flußten Ländern zu emanzipieren, er war auch unablässig bemüht,

Madame nicht behalten zu können, aber Ihre Küche gefällt die Lage der Juden jenseits seines Reiches zu verbessern.

Die Köchin( die Augen immer starr auf die entgeisterte Lolotte gerichtet, mit Nachdruck): Also Madame jagt mich fort?

Biche( persönlich): Man jagt Sie nicht fort. Das erste Diner sollte die Probe sein. Sie haben die Probe nicht bestanden weiter nichts!( Lächelnd.) Sie werden wahrscheinlich sagen, Madame sei recht schwer zu befriedigen, aber.

Die französische   Revolution und die napoleonische Zeit erhob zu­erst auf dem linken Ufer des Rheins die Juden zu Staatsbürgern. Mit der Gründung des Großherzogtums Berg und des Königreichs Westfalen   überschritt die Emanzipation den Rhein  .

Die Köchin( die Augen unverwandt auf das Gesicht Lolottes gerichtet, das unter diesem Blick sich immer mehr verzerrt): Jch? preußischen Lande waren die Juden grundsätzlich verboten. Nur eine Durchaus nicht, Herr! Ich kann nicht verlangen, daß meine Küche allen Menschen gefällt..

Biche( glücklich, daß sie die Sache so leicht nimmt): Das ist recht! Ich werde Ihnen also Ihren Lohn auszahlen und Die Köchin( mit seltsam bewegter Stimme, sich beständig an Lolotte wendend): Es gab einmal ein junges. Mädchen, das meine Küche sehr liebte, wenn es des Abends von der Arbeit fam. Die Kleine war ein fleißiges, anständiges Mädchen; ihre einzige Freude waren die armseligen Ueberraschungen, die ich ihr mit meiner Küche bereiten konnte. Sehr armselig in der Tat, denn ich hatte kein Geld, um ihr Leckerbissen vorzusehen, wie zum Beispiel hier

Biche( ungeduldig): Sehr schön, liebe Frau, aber die Geschichte interessiert uns nicht. Nicht wahr, Liebchen?( Er blickt Lolotte an und stutzt, als er ihre Leichenblässe bemerkt.)

Die Köchin( ohne die Stimme zu erheben): Meine Küche gefiel ihr trotzdem, denn ein armes, anständiges, junges Mädchen, dem die Mutter feine Delikatessen auftischen kann, darf natürlich nicht so an­spruchsvoll sein wie Madame

weinen.

Lolotte verbirgt ihr Gesicht in den Händen und beginnt zu Biche( wendet sich bestürzt zu ihr): Gott  ! Was ist denn los? Was hast Du?( Er will Lolotte füffen, aber sie weist ihn mit einer so energischen Handbewegung zurück, daß er verblüfft die Arme sinken läßt und sie ratlos anschaut.)

Die Köchin( wie zu sich selbst): Vielleicht hat Madame recht, vielleicht foche ich schlecht. Aber ein reines Herz, wissen Sie, begnügt sich auch mit einfachen Gerichten...

Lolotte feint heftiger.

Biche( wütend und verzweifelt): Aber zum Teufel, was bedeutet das? Weint sie etwa Jhretwegen?

Die Köchin: Meinetwegen? Warum sollte Madame meinet­wegen weinen? Madame kennt mich ja nicht..( Lolotte weint heftiger.) Und ich kenne Madame auch nicht Adieu, Herr!( Mit Anstrengung.) Adieu, Madame!( Sie verläßt noch gebeugter, noch trauriger das Zimmer.

Lolotte( springt bei dem Geräusch der sich schließenden Tür auf und ruft verzweifelt): Verzeih'! Verzeih'!... Wo ist sie? Laß' sie nicht fort!

Biche( erstaunt): Wen? Die Köchin?

Lolotte( mit einem Schrei, in dem sich Bedauern, Neue, Scham und Verzweiflung Luft machen): Die Mutter! Meine Mutter!

freibeitskriege

und Judenbefreiung.

Gänzlich unberührt von diesen Einflüssen vordringender Humanität blieb vor allem Preußen. Die Fürsten Preußens hatten es in der Tat verstanden, die Bildung von Gettos zu verhindern, weil sie es verstanden, die Juden selbst zu verhindern. Im ganz kleine Anzahl wurde als Schußjuden zugelassen, deshalb, das mit die preußischen Fürsten aus ihnen Geldgewinne zögen. Die Lage der Juden war in Preußen bis an die Schwelle der Freiheits friege geblieben wie fie unter Friedrich II.   sich gestaltet hatte. Von der Judenbehandlung des groß und aufgeflärt genannten Königs hat der amerikanische   Historiker Prescott das fast immer noch zu glimpfliche Urteil: Die engherzige und in Wahrheit grausamste Gesetzgebung Friedrichs in Hinsicht seiner jüdischen Untertanen führt uns zurück in die dunkelsten Zeiten der westgotischen Herr schaft." Eine Kleine Anzahl jüdischer Familien wurde durch bes sondere Privilegien geduldet. Wer keinen Schußbrief hatte, wurde des Landes verwiesen. In immer wiederholten Edikten wurde befohlen, daß die Juden sich nicht vermehren dürften. Nur der älteste Sohn durfte angesetzt" werden, das heißt er durfte sich verheiraten,

ein Gewerbe ausüben und hatte das Recht

des Aufenthalts. Alle anderen Söhne waren rechtlos. Kein Jude durfte Grundbesitz als sicheres Eigentum erwerben, was nicht hinderte, daß sie geradezu gezwungen wurden, Häuser zu laufen, wenn es dem König gefiel, Bauten zu fördern. Auf dem flachen Lande durfte sich kein Jude niederlassen, feinen Grundbesitz erwerben, keinerlei Gewerbe ausüben. Auch in den Städten war ihnen als einziger Beruf nur ein Teil des Handels gestattet. Waren sie als Bürger so ziemlich rechtlos, so waren sie noch minderen Rechts. Ein Judeneid galt nichts gegen einen Christeneid. Vom Militärdienst waren sie ausgeschlossen, um wieder einen Anlaß zu haben, eine Abgabe von ihnen zu erheben. Aber trotz dieses Loskaufs von der Militärpflicht wurden im polnischen Aufstand wie im Revolutionskrieg Juden maffenhaft als Schlachtvieh verbraucht. Die Judenschaft haftete für jeden Diebstahl, den irgend ein fremder Jude beging. Die Abgaben waren zahllos und erhöhten sich fortwährend.. Das Schußgeld wurde 1768 auf 24 000 Thaler erhöht. Sie waren zit Silberlieferungen an die Münzdirektion in Berlin   verpflichtet, die jo hoch waren, daß die Leistung nicht erschwinglich war. Außer den genannten Refrutengeldern mußten sie ans Leihhaus Zahlungen leisten und jährlich 400 Taler an Kalendergelder für die Akademie der Wissenschaft. Beim Erhalt eines höher berechtigten Schußbriefes mußte der Jude für 500 Taler, bei der Ausstellung eines einfachen Schußbriefes oder eines Erlaubnisscheins zum Hauskauf, für 300 Taler Porzellan von der Königlichen Manufaktur kaufen; das Porzellan wurde mit einem Verluft von 60 Proz. ins Ausland ver­fauft, dem bedeutenden Bruchschaden ungerechnet.

So blieb es auch unter Friedrich Wilhelm III.

Als jenseits der preußischen Grenze die Judenemanzipation fich durchsetzte, bekamen auch die preußischen Juden Mut, den König um die Gewährung der Menschenrechte anzuflehen. Alles vergebens. Vor Jena   wurden Akten geschrieben, und es geschah nichts. Und nach Jena   wurde die Aktenschreiberei fortgesetzt. Die Bittschriften der Judenschaft aus dieser Zeit veranschaulichen das ganze moralische und wirtschaftliche Elend dieser Parias. Gine Der jüdische Berliner   Rechtsanwalt Caffel, der fich gern Ge- Wendung trat erst ein, als der Geldbedarf des Hofes die An­Heimrat nennen läßt, hat in zwei parlamentarischen Lokalen der setzung von Juden rätlich erscheinen ließ. Der König wollte Reichshauptstadt nicht nur die Freiheitskriege mit tränenerstickten einen Teil seiner Domänen möglichst vorteilhaft verkaufen. Um Weihegefühlen berherrlicht, sondern auch seine Andacht an den Hohen­ zollern   verrichtet, diese Fürsten Preußens, die es schon länger als ein Jahrhundert vor den Freiheitstriegen zu verhindern verstanden hätten, daß die Juden ins Getto eingesperrt wurden. So geht der jüdische Rechtsanwalt teils aus allgemeinem Patriotismus, teils aus persönlicher Dankbarkeit am Geburtstag der Königin Luise   zu dem anbefohlenen Dankgottesdienst in die protestantische Kirche, in der

die Konkurrenz der Bewerber zu steigern, schien es förderlich, auch die Juden zum Domänenfeuf zuzulassen und vielleicht auch reichen fremden Juden den Eintritt in die preußischen Staaten zit gestatten. Da aber den Juden jeder Erwerb von Grundbesitz und der Aufenthalt auf dem flachen Lande untersagt war, mußten die Juden zuvor für diesen Zweck wenigstens emanzipiert und ihnen der Eriverb von Grundbesig gestattet werden. Dazu kam der Wett