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Augenblick Ifefen die Meister, die beaufsichtigenden Spezia-[ fie für solche Luxusbedürfnisse sorgte. Zwar hätte man nichts dalisten und die neugierig zusehenden Offiziere mit Gefchrei wider gehabt, wenn der Alte als Ortsarmer am dafür bestimmten aus der Werkstatt. Sie drängten sich in der Türe und fielen beinahe um.
Ein schrecklicher, freffender Geruch erfüllte die Werkstatt mörderisch und unerträglich war dieser erste Atem der Höllenmaschine. Nach langen Beratungen und Ueberlegungen trieb der Offizier die entsetzten Reute aufs neue zur Arbeit an.
Die Bartheit, mit der die erschreckten Soldaten jetzt mit dem unheimlichen Gerät umgingen, läßt sich mit nichts vergleichen. Mit Masken auf den Gefichtern, nasse Schwämme im Munde, trugen sie die Bombe in den Händen, Schritt für Schritt, ganz langsam durch Felder und Wiesen bis zur Weichsel hinab. Dort wurde sie am Ufer niedergelegt, unter der Bewachung von vier Soldaten, die in einem breiten Biered aufgestellt waren. Neugierig blickten darauf die Fischer aus der Stadt, die am Ufer saßen, die Leute blieben auf dem Wege stehen, und niemand wußte, was es zu bedeuten hatte.
Endlich kam ein Fahrzeug mit Sappeuren, und die Arbeit begann. Man nahm einen langen und dicken, mit Kautschuk überzogenen Draht, umwickelte die Bombe, befestigte sie und ließ sie vorsichtig an einer langen Stange in eine tiefe Stelle des Flusses hinab. Man vertrieb die Fischer und zog das Fahrzeug hundert Schritt weit zurück. Fertig?"
Fertig!"
Der Soldat drückte auf einen Knopf. In diesem Augenblick erhob sich über der Oberfläche des Flusses eine hohe Wassersäule. Das Wasser auf der weiten Fläche geriet in Aufruhr. Die aufgewühlten Wasserklumpen in der Tiefe stürzten nach oben, und eine große Welle ging über den Fluß.
Aus dem Wasser ertönte ein drohender dumpfer Knall- hing über dem Fluß und widerhallte diister, schwer und lange an den hohen Wällen und Mauern der Zitadelle am gegenüberliegenden Ulfer.
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Er ertönte und verhallte wie eine Kanonenfalve über das frische Grab eines Kämpfers, wie der lezte ferne Widerhall des Gewitters, das schon vorbei ist.
Die Scheiben in den Fenstern des Gefängnisses erflirrten von dem Knall, und es erwachte aus seinen letzten Gedanken der Verurteilte und horchte lange....
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Dans im Glück.
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Von C. Busse.
Der alte Winiecki Wojcziech hü!" riefen die Jungens hinter ihm drein hat nach einem mühseligen, langen und armen Leben ein letztes Jahr gehabt, in dem nach seiner Meinung alle Gottesengel für ihn sangen und pfiffen. Ein Jahr, in dem er belohnt wurde für alle Sorgen, Nöte und Entbehrungen des ganzen Daseins, so daß er selbst nach dem Himmel fein Verlangen mehr trug.
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Er war Fuhrmann gewesen in vieler Herren Diensten, Knecht, Straßenkehrer und weiß Gott , was noch alles. Er hatte gerade immer sein Essen gehabt und sein Biergeld geblieben war ihm nie ein Pfennig. Als er deshalb alt wurde und keiner ihn mehr brauchen konnte, mußte sich der Ort seiner erbarmen, und auf diese Weise wurde er" Stadtpensionär". Ein Spital gab es nicht: zusammen mit einem andern alten Kerl wurde er an den Mindestfordernden versteigert. Maurermeister Haase erhielt den Zuschlag. Er hatte auf seinem Hof eine Bude stehen, die kein Mensch mieten wollte, die also gerade für die Aermsten der Armen paßte. Auch die Verpflegung übernahm er. Viel mehr als Brot und Suppe konnte er allerdigns für das Geld nicht liefern.
Da hatte der alte Winieci Wojcziech hi!"- also mit feinem taperigen Genossen Michael Heise schon drei Jahre gewohnt. Michael war bereits etwas schwachsinnig. Er sprach nur noch wenig. Bloß wenn dreimal am Tag das Essen kam, lachte er vor sich hin. Selbst die dürftigste Waffersuppe begrüßte er mit diesem wohlgefälligen Lachen.
Winieci jedoch hatte seine Sinne noch ordentlich beisammen, und bei dem untätigen, grauslichen Leben wurde er ein erbitterter Nörgler. Vor sich hinkreisend schob er durch die Straßen, musterte alle Menschen mit bösen und mißtrauischen Blicken und sog, da er nur selten ein erträgliches Stummelchen fand, fast immer an der falten Pfeife. Es war sein größter Zorn und Gram, daß er niemals mehr ein bißchen Gelb in der Hand hatte, um sich ein wenig Tabak für die Pfeife, einen lütten Schnaps zur Auffrischung, einen Zipfel Wurst zum trockenen Brot kaufen zu kön nen. Aber man fonnte füglich von der Stadt nicht verlangen, daß
Freitag gebettelt hätte. Doch es widerstrebte ihm, und er hätte mit feiner finsteren Miene und seinem ewigen Gebrumme auch sowieso nichts bekommen. So gab er sich erst gar keine Mühe, und die Stadt war sich darüber einig, daß er zu allem übrigen auch noch ein undankbarer, störriger und seltsamer Patron fei.
An einem Morgen vor Pfingsten war Wojciech hü" nun wieder stöhnend, feifend und fluchend aus dem harten Bett ge= frochen, wie er es an jedem neuen Tage tat. Er ärgerte sich schon, wenn er das Licht fah und schimpfte gotteslästerlich, daß er die Nacht überlebt hatte. Denn er wußte nicht, was er mit den vierjebt bald die schlimmste Zeit des Jahres mit Schüßenfesten, Jahrzehn Stunden, die vor ihm lagen, beginnen sollte. Außerdem kam märkten und Volksbelustigungen. Da hatte er früher wohl vergnügt mitgemacht und fraß jest doppelten Grimm in sich hinein, wenn er von weitem Musik und Gejachter hörte. Ohne Geld hatte man da nichts zu suchen.
felig in die Morgenfuppe lachte, böse an, löffelte murrend seinen So pfauchte er denn den Schlafgenossen Michael Heise, der Es war ein schöner Tag, und nach einigem ziellofen Umherstreifen Teller aus und ging, mit Gott und der Welt zerfallen, ins Freie. landete der alte Winiece wie gewöhnlich am Schweinemarkt. Hier setzte er sich auf einen der abgeplatteten Steine. Durch den eisernen Ring, der in die Vorderseite des Steines eingelassen war und der zum Anketten des aufgetriebenen Viehes diente, schob er Pfeife saugend in der Sonne. Da gestern Markt gewesen war, seinen Stock, und dann saß er maulend, murrend, an der kalten sah der Platz heute noch zerwühlt und vertreten aus. Das war ein Grund zu neuem Nerger, man konnte auf die Stadtverwaltung schimpfen und dadurch wieder eine halbe Stunde dieses ziel- und sinnlosen Lebens totschlagen.
Plötzlich nahm Wojcziech hül die Pfeife aus dem Munde und sah nach links hinüber. Die Sonne war höher gestiegen; da blizte etwas auf, ein strahlendes Fünfchen, mitten aus Staub und Dreck. Zehn Minuten starrte er daraufhin hin. Dann zog er ächzend den Stock aus dent Ring, taperte ein paar Schritte vorwärts und stocherte im Boden herum.
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Bis er mit einem Male erschrak. Jesus Maria, was war das? Salb in die Erde getreten, nur mit einem feinen Rand hervorsehend, den die Sonne hatte aufbligen lassen, lag da etwas Golde nes, Blankes. Er hob es auf, er besah es, er befühlte es fein 3weifel: ein Zwanzigmarkstüd! Einer der zum Markt gekomme= nen Händler oder Bauern mochte es gestern verloren haben. Die Knie begannen dem Alten zu zittern. Er lachte blöde, schüttelte den Kopf und ging zu seinem Stein zurück, das Goldstück trampfhaft in die Hand preffend. Es war ihm, als hätte er einen Schlag vor dem Schädel bekommen, mit solcher Gewalt setzte das Neue, Unfaßbare ihm zu. Alles drehte sich ihm im Kopfe. Doch dann, mit einem Male, sah er sich scheu um und humpelte mit äußerster Schnelligkeit davon, gerade als hätte er Furcht, der Verlierer fönnte plötzlich auftauchen und ihm den Schatz abjagen. Er mußte sich erst daran gewöhnen, mußte überlegen, was nun geschehen sollte, mußte sich einen Plan machen.
Draußen auf den Wiesen, wo ihm nur die liebe Sonne zusah, prüfte er die Doppelkrone noch einmal genau und knotete sie dann in das rote Schnupftuch, auf dem der Dom zu Gnesen abgebildet war. Ein paar Tage schleppte er sich noch voll geheimer Unruhe umher, horchte, fuhr des Nachts auf und griff in die Tasche. Aber niemand schien etwas verloren zu haben. Und da kam eine unsinnige Freude über den Alten, eine findliche Seligkeit.
Morgens, wenn er aufwachte, wollte er wie gewöhnlich zu knurren und zu schelten beginnen: doch kaum hatte er den Mund aufgemacht, so fiel ihm sein Schatz ein. Da schmunzelte er und sprang fig wie ein Junger aus den Federn. Gar nicht schnell genug fonnte er angezogen sein. Der Tag war nicht mehr lang und langweilig wie früher: Tausendfaches gab es zu besorgen und zu überlegen.
Zuerst: was fonnte er sich für das Geld am besten kaufen? Er konnte zum Schlächter gehen und ganze Schinken und Würste mit nach Hause bringen.
Sein Gesicht verklärte sich bei dem Gedanken, und er schludte das trockene Brot, als wäre es mit den zartesten und saftigsten Scheiben belegt.
Oder er konnte die Zigarrengeschäfte besuchen und sich ganze Rollen Tabak aufhäufen.
Strahlend zog er bei diesem Gedanken an der kalten Pfeife. Oder er konnte Moische Ziegel beehren und sich die herrlichsten Schnäpse zu Gemüte führen schon im Vorgeschmack drückte man felig die Augen zu.
Mann, Jahrmarkt und Schüßenfest besuchen, daß man daran Gar nicht davon zu reden, daß man nun, als wohlhabender denken konnte, sich einen warmen Rock für den Winter zu kaufen.
Was er auch sah, alles schien nur auf ihn zu warten, schien ihn zärtlich zu bedrängen: Nimm mich, fauf mich! Wie ein Millionär fam er sich vor. Und als Michael Heise sein wunderliches Lachen zur Begrüßung der Abendsuppe anschlug, schimpfe er nicht wie sonst, sondern er lachte unwillkürlich mit. Es flang noch rauh und unsicher, als hätte er es zu lange verlernt, aber seinem Schlaffollegen wollte der Bissen im Munde stedenbleiben. Wojcziech hü, Iachte! Wojcziech hü! fnurrte und murrte
nicht.
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