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Da kam die Kraft von unten her um ihn emporgestiegen;[ beranlaßt, weiter unten einige Briefstellen und Sentenzen weich und unüberwindlich griff sie nach ihm, schwang ihn über Schuchardts zu veröffentlichen. Ist auch der Lebensgang des Verdas Hindernis und war ihn ins Heidekraut hinauf. Da lag storbenen nicht ungewöhnlich, so beweisen doch diese Auszüge aus er schwer zusammengebrochen, als Janus herauffam.„ Er ist seinen an mich gerichteten Briefen, die meist im Fuseldunst der Bennen, zwischen bedauernswerten Leidensgefährten und schon den ganzen Tag so wunderlich gewesen," sagte Janus. fommenen Lumpenproletariern, unter allerlei Lärm und Geräusch, Mich wollte er beiseite haben, ich durfte bei der Sprengung geschrieben wurden, daß der Mann, der da zu uns spricht, immernicht zugegen sein. Und wie wunderlich hat er von dem Acker- hin einiges Interesse verdient. land da unten gesprochen- ich glaube, er hat sein Unglück geahnt!"
Dann legten sie ihn auf eine Bahre und wanderten mit ihm über die Felsen ins Land.
Hinter ihnen her zog der unsichtbare Chor der Wildenten und holte sie mit seinem großen, einfältigen Troste ein:- ho ho! O ho ho!" Es klang wie eine Welt von Weisheit durch die Einsamkeit hier oben.
IV.
Unten im Ackerland trieb der Pflugjunge seine Pferde an:„ Holla, wollt Ihr Euch wohi tummeln! Der Frühling ist uns auf den Fersen." Die Pferde gaben sich mit eifrigem Nicken an die Arbeit und holten die schwarze Erde an den Tag herauf, und von der See her famen weiße Vögel geflogen und fielen auf das dampfende Pflugfeld ein. Ara, fra!" Die erste Krähe flog mit dem ersten Zweig zu den Eschen hinüber, wo es schon schwarz von vorjährigen Nestern war.
Und der Bauer ging mit breiten Schritten über das Land, das schon warm und erwartungsvoll für jede Berührung war. „ Für Essen und Kleider! Für Steuern und Abgaben! Für etwas auf den Boden der Truhe, fürs Alter!" sagte er und warf bei jedem Satz eine Handvoll Saatkörner aus. Die Sonnenwärme wanderte hinter ihm her wie ein reiches Liebkojen, und das Feld ergrünte, wo er gegangen war.
Aber hoch über alledem bewegte sich die Sonne selber dahin; sie leuchtete über dem ganzen Lande und verband in einem Bogen Meer und Meer. Sie streute helle Lichter aus über die graue Bürde des Feljenlandes und ließ das Frühlingswasser singend durch die Spalten rinnen. Oben vom ,, Anägt" her konnte man ihren lichten Weg verfolgen, von dem Augenblick an, wo sie im Osten dem Meere entstieg, bis zu ihrem Hinabtauchen in das Meer im Westen; dorthin frabten die Kleinen manchmal aus dem Tale herauf und starrten mit blinzelnden Augen in das strahlende Wunder der Welt. Zur Hütte hinab kam die Sonne nicht, auf dem Felsensaum saß der Tod und wartete geduldig und warf seinen Schatten über das Ganze.
Die anderen bemerkten nur den Schatten, den er warf, aber Großvater fonnte den grauen Mann selber sehen und mußte den Kindern erzählen, wie er aussah. Jeden Tag fragten sie, ob er immer noch dasize; dann mußte der Alte fich zum Giebel hintasten und sie hörten ihn reden.
Auf wen wartest Du? Wenn's der alte Ole ist, der ist hier! Wenn nicht, so geh Deiner Wege! Geh, geh!" Aber der Tod rührte sich nicht, mit seinem Steinmund Jaß er da und wartete.
( Fortsetzung folgt.)
Єin Paria.
Schuchardt war eine Art Landstraßenphilosoph. Seine Lebensbahn führte ihn bergab. Der Alkohol schlug feine Krallen nach dem unterernährten, neurasthenischen Menschen, daß er schließlich feinen Halt mehr fand, keine dauernde Beschäftigung mehr auszuüben, noch geordnete Verhältnisse zu ertragen vermochte. Tropdem war bis an sein Lebensende die erste Sorge dieses„ Vagabunden die Entrichtung seiner Gewerkschafts- und Parteibeiträge. „ Der Verband ist meine zweite Mutter", hat Ernst Schuchardt immer und immer wieder gesagt. Und agitiert hat er, wo er nur immer Gelegenheit dazu fand.
Ueber seinen Lebensgang hat er mir in cinem Briefe folgendes berichtet:
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Ich wurde am 2. Juni 1866 zu Gotha geboren. Von 1373 bis 1880 erhielt ich in der dortigen Volksschule meine pädagogische" Ausbildung. Hierauf lernte ich als Schuhmacher und arbeitete nach der Lehrzeit noch drei Jahre in einer Schuhfabrit. Wegen schlechten Geschäftsganges verließ ich im Sommer 1886 diese Bude und arpagne in der Gothaer Zuckerfabrik mit. Hierauf arbeitete ich zwei beitete bei den Maurern. Im Winter machte ich dann eine KamJahre als Formenträger und Bodenarbeiter in einer Porzellanfabrik. Im Frühjahr 1889 trieb es mich in die„ Fremde". Ich kam nach Magdeburg , wo ich bei einem Bildhauer gleich die erste Woche Lohn einbüßen mußte, weil der gute Mann zahlungsunfähig war. Die folgende Beschäftigung bei einem Stuffateur gab ich wegen, eines Streifs des ersten, an dem ich teilnahm auf, ging dann als Marmorpolierer und erhielt im Winter Arbeit in der Buckauer Porzellanfabrik, in der ich bis Ende März 1893 tätig gewesen bin. landes von meinen Pantoffeln und wanderte nach Amerika aus, Am 14. April 1893 schüttelte ich den Staub des deutschen Heimatwo ich fünf Jahre lang als Hausdiener und Tramp ein wahres Abenteurerleben geführt habe.( Die Erlebnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika hat Schuchardt in einem Manuskript geschildert, das sich im Besitz von Hans Ostwald- Zehlendorf befindet. Anm. d. V.)
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Am 14. Mai 1898 winkte ich der Statue der Freiheit im New Verfer Hafen den letzten Abschiedsgruß zu. Pfingsten 1898 atmete ein. Zunächst erhielt ich Beschäftigung in einer chemischen Fabrik ich zum ersten Male wieder Ozon in einem deutschen Tannenwald bei Berlin , ging dann als Hausdiener nach Magdeburg , und einige Wochen später fing ich in der bekannten Zichorien- und Schokoladenfabrik von Hauswald an zu arbeiten. Hier hielt ich es noch ein Jahr aus. Dann tippelte ich nach dem Ruhrgebiet . Es fiel mir aber nicht ein, als Kumpel in die Kohlengruben zu fahren. Ich wurde in dem Nickelwerk des berüchtigten Gerhard Terlinden als Polierer eingestellt, bis mir dort die fortwährende Reduzierung faftur war meines Bleibens auch nicht lange. Dort war ich aus des Affordlohnes zu bunt wurde. In der Schalker Spiegelmanudem Regen unter die Traufe gekommen. Ich fette mich deshalb auf" Schusters Rappen" und unternahm eine Fahrt nach Süd deutschland . Bis zum Februar 1901 raderte ich in der Schmezerschen Kinderwagenfabrit zu Ansbach . Wegen Differenzen haute ich dort den Sack" und wanderte nach Thüringen . Am 27. Februar erhielt ich wieder Arbeit in der Wesselmann- Aktiengesellschaft, einer Werkzeugmaschinenfabrik zu Gera , wo ich mit Dir zusammentraf. Von da an kennst Du meine weiteren Erlebnisse aus den an Dich gerichteten Briefen. Mit der gewerkschaftlichen Organisation tam ich 1883 zum ersten Male in Berührung, als mich der jetzige Reichstagsabgeordnete Wilhelm Bock- Gotha in den Schuhmacherverband aufnahm. Nach meiner Rückkehr aus Amerifa trat ich im Oktober 1898 in Magdeburg dem FabrikarbeiterEs ist in der Presse Sitte geworden, der mehr oder weniger verband bei, um am 4. Juni 1899 in den Metallarbeiterverband verdienstvollen Toten zu gedenken. Ich nehme mir die Freiheit, überzutreten, dem ich treu bleiben werde bis zum letzten Atemzug. einmal diesen schönen Gebrauch auszudehnen auf einen jener un- Denn er hat viel, sehr viel an mir getan. Der Partei gehöre ich gezählten Namenlosen, nach denen kein Hahn mehr fräht, wenn sie seit März 1900 als zahlendes Mitglied an." gestorben sind. Ich will sogar über einen aus der Gesellschaft Aus- Meine erste Begegnung mit Schuchardt fand wie aus den gestoßenen schreiben, über einen verachteten Landstreicher, der in Seilen hervorgeht in Gera statt. Wir arbeiteten etwa fünf Moder Goffe zugrunde gegangen ist, der aber in anderen Bahnen viel- nate zusammen. Eines Tages geriet er mit dem Obermeister in leicht ein bedeutender Mensch geworden wäre. Wortwechsel. Dieser beauftragte Schuchardt, den Schleifstein abzudrehen wegen des dabei entstehenden Steinstaubes eine sehe ungesunde Beschäftigung deren Ausführung Schuchardt mit der Begründung verweigerte, daß er den Schleifstein nie benute. Diese Widerseßlichkeit hatte seine Entlassung zur Folge. Noch ant Abend jenes Tages padte Schuchardt seinen Berliner", faufte sich die Reclamausgabe von Goethes" Faust" und Heines Harzreife" als Chausseegrabenlektüre und tippelte am anderen Morgen Tos. Sein Versprechen, mir regelmäßig zu schreiben, hat er ehrlich ge= halten. Fast acht Jahre lang bekam ich mit Ausnahme der Zeit, die er im Arbeitshaus und Gefängnis verbracht hat; er verbüßte, soweit ich mich erinnere, nicht weniger als 26 Bettelstrafen jede Woche einen Brief oder eine Postkarte. Und ein- oder zweimal im Jahre schenkte Schuchardt mir die Ehre seines Besuches. Längere Zeit hat er während dieser acht Jahre nur in Schweinfurt und Berlin gearbeitet. Ein halbes Jahr verbrachte er im Arbeits
Es handelt sich um den Arbeiter Ernst Schuchardt aus Gotha , der durch mißliche Verhältnisse gezwungen wurde, den größten Teil seines Lebens unftät und flüchtig wie Ahasver, der ewige Jude, auf der Landstraße zu wandern.
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Schuchardt mag bieken, die er auf seinen Fahrten angebettelt hat, als Parasit erschienen sein. Im Grunde genommen war er aber ein guter Mensch von ungewöhnlicher geistiger Begabung. Ms Verfasser der Sechs Monate Arbeitshaus", des in mehrfacher Auflage vorliegenden 35. Bandes der von Hans Ostwald herausgegebenen Großstadtdokumente", ist Schuchardt auch literarisch hervorgetreten. Außerdem find in der von Paul Göhre herausgegebenen Lebensgeschichte eines modernen Fabrikarbeiters" eine Anzahl Briefe Schuchardts abgedruckt worden, die von der Kritik als das Seltsamste bezeichnet worden sind, was von Arbeiterliteratur vorhanden ist. Diese Wertschäzung ist es denn auch, die mich
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