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Ja nur allein, nur allein! dachte ich. Dann fürcht' ich mich vor gar nichts. Da konnte er über mich herfahren nach Belieben. Wenn's nur iemand fah, niemand hörte!
In diesem Augenblick hate ich das Gefühl, Hans sei hinter mir aufgestanden, ich wagte es aber nicht, zurückzublicken und mich zu überzeugen. Da plagte er auch schon in die Stille heraus, böfe und eifrig: Herr Lehrer, er hat mir die Malschachtel doch stehlen wollen!"
Der Lehrer biß sich auf die Lippen, bald auf mich, bald auf Hans blickend.
Warum hast Du denn vorhin das Gegenteil behauptet?" herrschte er ihn an.
Hans wurde unsicher.
barmt
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Sch- ich- er hat mich ver
So, so! Verbarmt hat er Dich! Und deshalb lügst Du Deinen Lehrer an? Vor der ganzen Schule! Wart, das müssen Deine Eltern wissen!"
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Nun war er mit ihm fertig und wandte sich an mich, indem er dicht vor mich hintrat. Ja, oder nein hast Du die Farbenschachtel stehlen wollen?" Ich merkte aus dem Ton seiner Stimme, daß er das schon bestimmt glaubte und daß er fast nicht mehr imstande war, sich zu beherrschen. Vor etwa drei Wochen hatte er den Johann Behr, der in Ilgenwirts Garten ein eingelegtes Rosenstämmchen durchschnitten haben sollte, just auf diese Weise gefragt. Sobald das Bekenntnis heraus war, hatte er den entsetzlich Heulenden am Hosenboden aus der Bank und übers Anie gezogen, und den Meerrohrstock wie toll auf den gespannten Höslein tanzen lassen, solange bis die Frau Lehrer, von dem Geschrei erschreckt, heraufgekommen und ihn zur Besinnung gebracht hatte. Johann Behr hatte zwar nachher laut geprahlt, er habe gar nicht viel gespiirt, er habe nur gebrüllt, um den Lehrer zu ärgern. Denn dieser schämte sich jedesmal, wenn die Frau heraufkommen mußte. ( Fortierung folgt.)
I.
Die Geburt des Goldes.
Grau stieg und drohend in die Morgensonne der ungeheure Wall zerriebenen Erzes, der einer Bastion gleich die Werke der Mine umlagerte. Es war, als wollte dies entkräftete Gestein treu seinem Herrn den Kreislauf neuer Förderung beschützen.
Das war eine der größten Minen. Auf einem riesigen Areal gelegen, mit mehr als zwölftausend Arbeitern, mit Beamtenwohnungen, Klubhäusern, Garagen, eine Stadt für sich wie unsere großen Eisenwerte.
Doch schon die Einfahrt war verschieden. Denn statt in einem breiten Rift senkrecht unter Tage zu fahren, wurden wir in schräge stehende, offene Kästen, unseren Grubenhunden ähnlich, gesetzt und juhren in rasendem Tempo auf schiefer Ebene ein, in einen Schacht von so gefährlicher Schmalheit, daß er die Müße streifte. Die Minen, die das Ausgehende des schrägen Riffs auf ihrem Grunde haben, folgen natürlich mit ihren Schächten dem Einfall, also im spiken Winkel. Nur wer das nicht hat, baut vertikale Schächte, so wie bei uns, um die Goldader zu erkreuzen.
Auf über tausend Meter Teufe stiegen wir aus. Man ist bis fünfzehnhundert vorgedrungen und da die Erdwärme hier viel langsamer zunimmt als bei uns, hoffen die Ingenieure, die Abbaustollen bis zweitausend Meter hineinzutreiben. Von den Fortschritten der Technik hängt es ab, ob man das Gold erschöpfen fann, das hier am Rand"( des Hochplateaus, auf dem Johannes burg liegt) mit leidlicher Sicherheit auf achtzig Milliarden Wert in Mark berechnet wurde.
In den Gängen, die sich von unseren Kohlengängen kaum unterscheiden, überraschten mich zuerst die offenen Kerzen, die bei uns bei Todesstrafe verboter fird, und ich genoß das Unerhörte, unterm Tage rauchen zu dürfen.
( In diesem glücklichen Lande sind sogar die Kohlenminen frei von schlagenden Wettern.)
Aus hintergründigen Gängen, die im Dämmer verschwinden wie Höhlen gefährlicher Drachen, kommen die Wagen mit dem Gestein heran. Aber hier gibt es keine Pferde wie bei uns. Hier
*) Diese auf eigener Anschauung beruhenden Schilderungen aus Johannesburg ( Südafrika ) sind des Verfassers gleichnamigem Aufsatz in Nr. 4 der Neuen Rundschau" entnommen. Sie werden mit den früher erschienenen zusammen demnächst als Buch unter dem Titel" Die Reise nach Afrifa" bei S. Fischer herauskommen.
ziehen und stoßen die Schwarzen. Ich dachte zurüd an die tragische Erscheinung der Pferde, die, einmal unter Tage gekommen, erst nach Jahren, wenn sie der Grubenluft erlegen, heraufgeschafft werden, zum Verscharren. Kommt aber das frante Tier vorher ans Licht, dann ist es im Innern der Erde erblindet. Bald wird alles enger, die Schienen hören auf. Zwischen stürzendem Gestein zwängen wir uns durch einen Kamin von weniger als Meterbreite aufwärts. Plötzlich stehen wir in einem hohen, dämmerigen Steinraum, der ist an wenigen Stellen sehr matt erhellt. Jit es nicht, als ständen wir auf der Bühne und sähen in das opalschimmernde, hohle Halbrund eines fleinen, sehr engen Theaters? Dort hängen die Notlampen. Schatten bewegen sich davor. Allmählich unterscheide ich drei Schwarze, nackt, vor dem grauen Felsen. Halb hängen sie, halb zwängen sie sich zwischen vordringendes Gestein, um festzustehen. In gleichen Pausen schlagen sie mit dem Hammer auf die Stange, die sie in ihrer ganzen Länge ins Gestein jagen müssen. Um drei Uhr muß es fertig sein, dann wird gesprengt. Sie bohren in den schmalsten Flözen, wohin teine Maschine mehr vordringt. Plötzlich rattert dicht neben mir die Bohrmaschine los, ein weißer Miner führt sie. Ich sehe etwas blizen. Ist das Gold?"„ Nein, das ist Schwefelties, das ist wertlos."
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Wir gingen und fletterten eine Stunde lang. Ich hatte ge= glaubt, zwischen so mannigfachen Anstalten irgendwo Gold zu sehen und fragte schließlich etwas ungeduldig:" Where is the gold?"( Wo ist das Gold?) Der Führer beleuchtete die Felsenwand und wies auf eine dunklere Ader von Fußbreite. Das ist die goldführende Ader." Ich sah, daß es unmöglich wäre, diese Ader allein wegzusprengen, aber ich hörte, daß bei äußerster Vorsicht, nur ein Drittel mehr als die Ader abgesprengt wird. Wieder raste der schräge Wagen nach oben. Bald blendete das Licht des Tages. Die Schwarzen, die ihre Schicht beendet hatten, trugen nun Kleider. Bei ihrer Ankunft oben wurden alle flüchtig abge= taftet. Ich fragte:„ Warum sieht man nach, ob sie Gold gestohlen haben? Gs ist ja gar keins da unten zu greifen!" Mürrisch sagte der Führer:" Nicht nach Gold, sondern nach Kerzen". Mir stieg eine Kühle ans Herz.
Wir erkletterten die Halle, in die das geförderte Quarzgestein gehoben wird. Glatt rasiert und in Ketten standen ein paar hunSert gefangene Kaffern am langen Tisch, wo auf bewegten, unendlichen Bändern Stüde Gesteins heranliefen. Wie ein Drache kam das Band ohne Ende aus einer dunklen Höhle hervor. Mit schlafwandlerischer Sicherheit warfen die schwarzen Verbrecher das taube Gestein heraus( eben jenes unnüz geförderte Drittel), warfen es in Trichter, von wo es auf die Halde geleitet wurde. Diese tauben Steine müssen dienen, sie werden ordentliche Pflastersteine, fie werden Straßen.
Aber alles andere Gestein wird zertrümmert, wird Bulver, Asche. Staub, weil jeder Stein verdächtig ist, Wert zu enthalten. Riesige Komplere hoher Häuser bergen diese Batterien. Das furchtbare Getöse von ein paar hundert Mörsern macht die meisten Arbeiter hier, wo fein Staub mehr die Lungen schädigt, allmählich taub. In langen Reihen arbeiten die stählernen Stempel, zermalmen das Gestein mit hartnädiger Ruhe, in einem durchwässerten System von Sieben, Maschen, Trichtern. Die Mörser stampfen, die Rollen rattern, die Steine fnirschen. In offenen Kanälen rollt Tag und Nacht eine Flut schlammigen Wassers über das graue Gestein, das hier auf Nußgröße gebracht wird.
Ich schreibe, da in dem Getöse kein Wort verständlich wird, auf einen Bettel meine kategorische Frage: Where is the gold?" ( Wo ist das Gold?) Als Antwort weist der Aufseher in den Schlamm.
Wir tommen in neue Hallen, in die durch ein Netz von Uebertragungen die nußgroken Steine geleitet, nun zu Pulver, zu Staub zerrieben und unter Wasser auf schräge, schüttelnde Tische gebracht werden, die mit Quecksilber bestrichen sind: Hier fließt der Gesteinsstaub ab, der Goldstaub verbindet sich zu Amalgam, unsichtbar.
Und hier beginnt der Diebstahl. Wohl find die Tische durch Neze verschlossen, aber da kommen zwei Weiße, schließen auf und schrubben mit gewöhnlichen Handbesen das Quecksilber ab.
Ich denke: Nun ist es so nahe, fast ist es geboren, aber da ich nichts blizen sehe, frage ich wieder: Where is the gold?" Ein Herr, der als Vertrauensmann in einem fleineren Raume wirkt, hält mir zur Antwort lachend eine dicke, graue Stange hin. Kaum daß ich sie heben kann: es ist das Gold- Amalgam. Darauf legt er die Stange in eine Pfanne, öffnet einen Ofen, schiebt die Pfanne in einen zylindrischen Raum. Dann zeigt er uns hinten am Ofen ein Rohr und erklärt, wie nun nach fünf Stunden das ganze in den Stangen enthaltene Quedfilber verdampft und, wieder flüssig gemacht, hier abtropfen würde. Was aber in der Pfanne bleibt, ist reines Gold. Ich rufe:" Goddam! I want to see the gold!"( Verflucht, ich möchte das Gold sehen!) Der Herr lacht wieder, vertröstet mich auf ein anderes Schmelzwerk und bringt uns ins Automobii
Vor einer Wirrnis von Treppen, Gerüsten, Behältern, Kanälen steigen wir aus. Nur sechzig Prozent des Goldes hat das Queckfilber freigemacht. Hier werden noch einige dreißig herausgezogen. Wir winden uns durch eine Stadt von Hallen, Leitern, Trichtern, Sandbergen, Bajsins: hier wird der gesamte Steinstaub, der von den Quecksilbertischen abgelaufen, mit 3yanit behandelt, das nun beinahe den ganzen Rest von Goldftaub anzieht. Wieder wird