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Sprachwissenschaftliches.

aus dem Jahre 1812 wurde eine geradezu mustergültige Vermögens-[ Archivs für Schiffs- und Tropenhygiene" der Stabsarzt W. Fischer Steuer und zudem eine Steuer für die höheren Beamten und Ben- unangreifbare Beweise dafür gefunden hat, daß die Schlaffrankheit sionisten ausgeschrieben. Die Besteuerung der Amtseinkommen be- auch von der anderen Art der Tsetsefliege verbreitet wird. Der gann erst mit zweitausend Gulden, die Besteuerung der Vermögen Forscher hat sich zu diesem Zwed auch des Experiments bedient, wurde auf den niederen Stufen auf je hundert Gulden( nach Ab- indem er 1400 dieser Fliegen mit schlaffranken Affen zusammen­zug der Schulden) mit dreißig Kreuzern belastet; der Sak stieg gebracht hat. Später wurden die Insekten dann auf gesunde Affen bei mehr als zehntausend Gulden auf fünfundvierzig Kreuzer, bei losgelaffen, und wenigstens in einigen Fällen tam eine lebertragung mehr als fünfzigtausend Gulden auf einen Gulden, bei mehr als der Krankheit zustande. Möglicherweise sind noch mehr als diese Hunderttausend Gulden auf einen Gulden und dreißig Kreuzer. beiden Arten der Gattung Glossina zur Üleberimpfung des gefähr Solche Progreffionen war man' weder vorher noch nachher gewöhnt, lichen Strankheitsleims befähigt, und ehe ihre Üntate nicht voll­wo der Grundsak galt, daß die Steuern auf die sozial Schwächsten ständig enthüllt worden sind, wird eine vollwirksame Bekämpfung abgewälzt werden. Dieses Steueredikt mußte auf die Besißenden der Seuche nicht möglich sein. Höchst aufreizend wirken, und mit Fug beschwerte sich Napoleon   bei dem König, der der Schwiegervater Jeromes war, daß er durch das Edikt die Mißstimmung auf Frankreich   habe ablenken wollen, das doch weit größere Verluste habe als Württemberg. Diese besibenden Steuerzahler wurden natürlich dann Patrioten gegen die Fremd­Herrschaft, ebenso wie die Großkaufleute, die durch die Kontinental­sperre litten; Zusammenbrüche einzelner Handelshäuser haben später wesentlich zu den Ausbrüchen nationaler Leidenschaft bei getragen. Aber die große Schicht der Gebildeten, der Gelehrten und der Beamten priesen noch später diese Zeiten freien Atmens, mit ihrer frohen Tätigkeit auf allen Gebieten der Wirtschaft, des Schul- und Bildungswesens, der Rechts- und Sozialreformen, als die glüd­lichste Zeit ihres Lebens, und keineswegs nur die Juden und jüdi­schen Literaten, die in der kurzen Zeit der Franzosenherrschaft als gleichberechtigte Menschen geachtet wurden; bis zum heutigen Lage ist in Deutschland   diese Gleichberechtigung des Judentums für alle Tätigkeiten und Aemter nicht wieder gewonnen worden. Für die breiten Massen aber war es die Zeit der Erlösung. Wäh­rend der Zeit der französischen   Okkupation wurden die besiglosen Klassen der Städte zum erstenmal durch Erzwingung niedriger Getreidepreise von dem Wucher des Getreideadels befreit. Dieb stahl und Bestechung, Verschleuderung von öffentlichen Mitteln war im achtzehnten Jahrhundert durchweg bureaukratische und diplo­matische Gitte, an der auch die höheren Offiziere teilnahmen. Napoleon   war überall bemüht, auch in dieser Hinsicht die Staats­idee gegen die privaten Eingriffe zu verteidigen und die Integrität der öffentlichen Funktionäre zu erzwingen; freilich vielfach ohne Erfolg, gerade in diesem Zeitalter, da in dem Umsturz alles Be­stehenden die bedrohten Interessenten Ströme Goldes in willige Taschen fließen, ließen.

Aus dem System Napoleons   folgt, daß es ihm durchaus nicht um die Bergrößerung Frankreichs   zunächst zu tun ivar. Die innere und innerliche Einheit sonst selbständiger Staaten war das Ziel seiner Politik. Wenn er 1810 das Rhein­bundsgebiet zerriß und die Mündungen der großen deutschen   Flüsse, die Hansaftädte, Frankreich   einverleibte, so tat er das unter dem Bivang jener wirtschaftlichen Weltpolitik gegen England, zur strengeren Durchführung der Stontinentalsperre, bei der ihm die befreundeten Mächte im Stiche ließen. Das Versagen dieser Non­tinentalpolitit, diefes in der Idee gewaltigen, aber in der Durch führung unmöglichen Mittels, ließ das System Napoleons   ver bluten. Der umfassende Schmuggel durchkreuzte die Absichten, und Napoleon   selbst mußte schließlich durch das System der Lizenzen aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen die Sperre durch brechen. Die Geschichte der Wirkung der Kontinentalsperre für Deutschland   ist noch nicht geschrieben worden. Aber Einzelunter­fuchungen haben gezeigt, daß sie die Industrie aufblühen ließ, deren Anfänge bisher von der englischen Konkurrenz jedesmal im Keim gleich zermalmt wurden. Die sächsische Textilindustrie nahm in dieser Zeit ihren ersten Aufschwung, und selbst der Handel, der zunächst geschädigt wurde, entfaltete sich vielfach gerade unter dem Schutz des Kontinentalsystems. Hamburg   emanzipierte sich damals von der englischen Abhängigkeit und gewann die Grundlage für die Entwickelung zum Welthafen.

Bom Fußballspiel. Dbgleich das Fremdwort besonders üppig im Sportleben wuchert, ist unsere Muttersprache doch in den legten Jahren auf zwat Sportgebieten zu der ihr gebührenden Ehre gefommen: bei der Raftfahrt und beim Fußball. Hier und da frönen zwar noch heute Fußballspieler der albernen Engländerei aus alter Gewohnheit; au dort, wo dem Knabenalte. faum entwachsene junge Leute unter sich Fußball spielen, stößt aan noch gelegentlich auf tolle Wachaffung englischen Wesens; im allgemeinen hat aber der Gebrauch deutscher Ausdrücke beim Fußballsviel so zugenommen, daß dieser Fortschritt freudig anerkannt werden muß. Auch die Ramen der Vereine offenbaren den Fortschritt. Man traut seinen Augen faum, wenn man aus den Berichten ersieht, daß das vor 20 Jahren vielen unersetzlich erscheinende goal verschwunden ist. Wie kräftig fein Erfaz, das Tor, im Sprachgebrauch des Fußballspielers schon Wurzel geschlagen hat, lehren uns die vielen mit ihm gebildeten Busammensetzungen, wie: Torwächter und Torwart, torloses Spiel, Lorschuß, Torzahl, Gegentor, Ehrentor. Die Fußballspieler haben mit ihrer reindeutschen Fachsprache den großen Vorteil erzielt, daß auch der Laie ihre Spielberichte versteht, in denen er etwa lieſt: Eine deutsche Elf fämpfte mit einer englischen   Elf; nach Halbzeit ( auch: nach der Pause, nach dem Wechsel) gewann die Leipziger  Mannschaft ein drittes Tor; der linte Läufer verwirkte einen Elf­meterball durch unabsichtliche Hand; bei dem Wettkampfe befand sich die Hamburger Mannschaft in bester Verfassung, sie zeichnete sich auch durch anständiges Spielen aus.

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Luftfahrt.

Bon der endgültigen Form der Flugmaschine. Das ist das Thema einer Um frage, die die Annales" bei einer Reihe der bekanntesten Flieger veranstaltet hat. Wir die Zukunft des Flugzeuges zu einer radikalen Aenderung der bisherigen Form führen, oder wird das Ziel durch allmähliche, das Prinzip nicht berührende fleine Verbesserungen erreicht werden? Blériot   glaubt an eine langsame, schrittweise Entwickelung: Es gibt in der Flug­tunst teine radikale Umwandlung, sondern schrittweise Verbesserun­gen, die das Flugzeug von heute mit der Zeit befähigen wird, ein Endziel zu erreichen." Der bekannte Marineleutnant Conneau, dessen Fliegername Beaumont berühmt geworden ist, neigt einer anderen Auffassung zu: Nein," sagt er und fügt hinzu: Leider! Das heutige Flugzeug fann nicht als die endgültige Form der Flugkunst angesehen werden. Im Gegenteil; es wird darauf an­fommen, ein viel überlegeneres Aequivalent zu finden, um das Flugzeug wirklich für alle praktisch brauchbar zu machen. Heute ist es eine Hilfe ersten Ranges für die Armee und die Marine. Aber der Apparat ist noch heute für den, der ihn besteigt, zu ge fährlich. Selbst eine Maschine, die unzerbrechlich wäre, bedürfte zu ihrer Führung eines Spezialisten, und selbst diese Fachleute lernen oft Befürchtungen fennen, die durch Unfälle nur allzu häufig gerechtfertigt werden." Garros erwartet die Zukunft vom Motor, die Flugkunst ist, was der Motor ihr sein ermöglicht". Der Flieger Wehmann betrachtet das heutige Flugzeug als eine embryonale Form und ist überzeugt, daß die Flugmaschine eine radikale Umformung erleben wird, um ihren Endzwed zu erreichen. In ihrer jeßigen Form bietet sie schwere Mängel, die in ihrem Prinzip beschlossen liegen". Dagegen glaubt Farman an eine schrittweise Weiterentwidelung der heutigen Form; die Flugflächen und die Motore würden immer bleiben müssen:" Ich glaube an die Evolution und nicht an die Revolution." Bessimistischer äußert sich der berühmte Flieger Tabuteau: Wenn die Flugkunst bei den jezigen Apparaten beharrt, wird es ihr Schicksal werden, Neue Aufklärungen über die Schlaftrantheit wieder zu verschwinden, ausgenommen für militärische Zwede. Die Entdeckung, daß die Tsetse fliege( Glossina palpalis) durch Die jetzigen Apparate sind, wenn sie gut fliegen, sehr gebrechlich, ihren Stich den Keim zur Schlaffrankheit von Tieren auf den und wenn sie widerstandsfähig sind, fliegen sie schlecht. Immer Menschen überimpft, war von außerordentlich großer Bedeutung, mehr scheint man die Konstruktion auf schnellfliegende Apparate denn die Verfolgung dieser Insekten gibt nun ein ganz sicheres zu orientieren: auf die gefährlichsten von allen. Ich glaube nicht Mittel in die Hand, gleichzeitig die Gefahr der Schlaffrankheit mehr an die Zukunft der Flugkunst; es sei denn, fie berbünde sich Herabzudrücken. Nunmehr ist der nicht weniger wichtige Nachweis mit Apparaten, die von den jebigen ganz berschieden find." erbracht worden, daß diese Stechfliegenart nicht die einzige ist, Bédrines weicht einer Antwort aus, während Brégi der Meinung die so bedenklich wirken kann. Zuerst ist im südafrikanischen Gebiet von ist, daß die heutige Formel endgültig sei, aber noch in den Einzel­Rhodesia der Verdacht aufgetaucht, daß auch eine andere Art der Heiten großer Verbesserung bedürfe. felben Insektengattung, die Glossina morsitans, mit ihrem Stachel Fast durchweg sprechen sich die französischen   Flieger gegen die ben Erreger der Schlaffrankheit zu übertragen vermochte. Weitere Jdee aus, Flugzeuge mit beweglichen Flügeln zu konstruieren und Nachforschungen haben diese Vermutung in überraschendem Grade auf technischem Wege gewissermaßen den Rogelflug nachahmen bestätigt, und zwar auch in anderen afrikanischen Gebieten, zunächst in au wollen. Der Apparat mit schlagenden Flügeln ist eine Utopie," dem an Rhodesia   grenzenden Katanga  . Jezt kommen noch Be- meint Daucourt, man soll die Natur nicht sflavisch nachahmen obachtungen in Deutsch- Ostafrika   hinzu, wo nach einem Bericht des wollen, denn sie bleibt unsachahmlich."

Kleines feuilleton.

Medizinisches.

Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Drud u. Verlag: Borwärts Buchdruckerei n.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.

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