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Alter, aber schmächtig und bleich. Beim Spielen wagte fie schauplab von 1806/7, das Durchzugsgebiet der großen Armee von nicht recht von Herzen mitzutun, in ihrem ganzen Gebahren 1812- wirtschaftlich schwer gelitten hat. Es war eine furchtbare lag immer gleichsam die Frage:„ Darf ich auch da sein?" Der Blick ihrer Augen war schen und unsicher, nur hin und wieder blikte etwas wie verschlagene Ueberlegenheit darin auf. Die Unsicherheit kam wohl am meisten von der Schule her. Der Lehrer mochte sie nicht leiden, sie konnte ihm auch selten eine richtige Antwort geben. Und wenn er sie dann anfuhr, wurde sie ganz zerfahren und abwesend und redete die ungereimtesten Dinge her. Er nannte sie einmal Flatterher" und von da an mußte sie den Uebernamen hin und wieder hören.
Last, daß Preußen zwei Jahre lang eine französische Armee von 200 000 Mann ernähren mußte. Aber 200 000 französische Bauernund Handwerkersöhne legten dem Lande immer noch geringere Lasten auf als die Unterhaltung der zahllosen einheimischen Schmaroter des Hofes und des Adels; und die Fremden führten sich auch gefitteter auf als die preußischen Herren. Wenn das Wohlbefinden dieser ärgsten Preffer Preußens jetzt etwas gefränft wurde, so war das eine Entlastung des preußischen Volkes, die manch einem die französische Besetzung fast als eine Wohltat erscheinen ließ.
Daß der Krieg den Krieg ernähren mußte, war teine teuflische reuzen selbst erbarmungslos betätigt worden. Wie hatte doch Erfindung Napoleons . Der Grundsatz war vor allem von
Ich empfand etwas wie Mitleid mit ihr, hatte aber da neben doch einen heimlichen Zorn auf sie, als ob sie eigent- Friedrich II. den siebenjährigen Krieg geführt! Herr Schmoller, lich an allem schuld wäre. Ja, wenn die nur glaubte!..
Inzwischen hatte sich unversehens Margritte Stamm zu den Spielenden gesellt, und von dem Augenblicke an hatte ich nur noch Augen und Ohren für fie. Mein Groll gegen sie war ganz und gar verflogen.
Die Mädchen vergnügten sich damit, den geworfenen Ball jeweilen in einen der kleinen Fausthandschuhe aufzufangen, die sie an Wollschnüren um den Hals hängen hatten. Margritte war in dieser Kunst besonders gewandt, während die anderen nichts konnten und immer über ihre eigene Ungeschicklichkeit lachen mußten. Sie kam mir so hübsch und lieb vor wie noch gar nie. Ich folgte jeder ihrer Bewegungen mit innerem Wohlbehagen und war glücklich, sie so ganz heimlich und ungestört beobachten zu können.
zwar ein geborener Schwabe, aber ein gelernter Preuße, der die Weisheit der Hohenzollern zu einem System der Nationalökonomie erhoben hat, erschauert in Ehrfurcht vor der glänzendsten finanziellen Leistung" Friedrichs II.: eben dem siebenjährigen Krieg. „ Während dieses ganzen Krieges beliefen sich die Einnahmen der Zentralfriegstaffe auf 78 Millionen Taler, deren Grundstock aus ( etwa 16 Millionen), dem Münzgewinn - Herr Schmoller meint die dem Schatz zu Anfang des Krieges, den englischen Hilfsgeldern Münzfälschung!- und fremden Kontributionen sich zusammensette. Dann wurden die gesamten ordentlichen Staatseinkünfte für den Krieg verwendet, alle Zahlungen wurden sistiert, die Beamten erhielten statt des Gehaltes Anweisungen, die erst nach dem Kriege eingelöst wurden; endlich wurden die Mittel der feindlichen Terri torien möglichst herangezogen. Mecklenburg und Sachsen litten darunter wohl am meisten; ersteres berechnete seine Leistung auf 17 Millionen Taler, Sachsen auf 70 Millionen, ohne die schwere Verschuldung des Landes. Zu Ende des Krieges waren die preuBischen Provinzen freilich zu einem erheblichen Teil in einem entjeglichen Zustand; die Menschen-, Vieh, Kapitalverluste waren übermäßige: ein Drittel der Berliner lebte stüßung; in der Neumark gab es notorisch fast kein Vieh mehr, Taufende von Häusern und Hütten waren niedergebrannt; eine volkswirtschaftliche Krise der schlimmsten Art folgte dem Kriege und lang- Frieden schloß, noch sehr große disponible bare Mittel dauerte noch mehrere Jahre. Aber der König hatte, als er den zur Verfügung und fast feine Schulden." Friedrich II. hatte es in der Tat verstanden, seinen Schatz, der zu Beginn des Krieges 14 Millionen betrug, bei dessen Schluß auf 16 Millionen und bei seinem Tode auf 54 Millionen Taler zu steigern. Blutmillionen, die der König ausschließlich im Kriege aus Brandschabung anderer Länder, im Frieden aus der steuerlichen Ausraubung der bettelarmen Bauern des flachen Landes und der bedrückten Handwerker der Städte gewonnen hatte.
Blößlich flog der Ball infolge eines ungeschickten Wurfes durch die vordere Ladenluke zu mir in den Schopf hinein, gerade vor meine Füße. Ich hob ihn auf, es war ein schöner Gummiball mit vier verschiedenfarbigen Feldern, der kaum einem anderen Mädchen als Margritte gehören konnte.
Da stand sie auch schon unter dem halbgeöffneten Schopftörchen und sah das Spielzeug in meinen Händen.
" Der Ball gehört mir," sagte sie feindlich und kam sam auf mich zu. Ich ließ sie dicht an mich herankommen und gab den Ball mit halb unbewußtem Zögern frei.
Im Weggehen wandte sich Margritte noch einmal böse nach mir um.„ Du hast ihn behalten wollen, ja, laß es nur gelten!"
,, Nein!" schrie ich grell heraus; ich fühlte, daß mir die Tränen wieder in die Augen traten.
Sie blieb halb erschrocken stehen, aber es lag wenig Wohlwollen in dem Blick, mit dem sie mich musterte. Und nun verzog sich ihr Gesicht zu einer schnippischen Grimasse. Tu nur nicht so, man kennt Dich jetzt schon. So einer!..."
( Fortießung folgt.)
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Ist die Rheinbundpolitik Napoleons in ihren fulturellen Abfichten unzweideutig, so erscheint seine preußische Politit zu nächst als ein nicht ganz aufgehelltes Problem.
Die preußische Politit Napoleons ist nur deshalb so schwierig zu enträtseln, weil die Geschichte teines Staates mit einem so undurchdringlichen Legendengestrüpp umrantt ist wie die preußische. In der Zähigkeit, mit der die preußischen Geschichtswerte immer die gleichen Behauptungen wiederholen, liegt die Kunst und Kraft jener weltbetäubenden Preußenreklame, auf deren Innenzucht und Export man sich seit jeher bewundernswert verstanden hat.
Kein Zweifel, daß Napoleon den preußischen Hof und die regierende Kaste Preußens zeitweilig hart behandelt und diese Gesellschaft seine Verachtung empfindlich spüren ließ. Es war begreiflich. Niemand hatte seine Politif so mutwillig durchkreuzt wie die preuBischen Machthaber. Der Krieg von 1806 war mit verbrecherischer Sinnlosigkeit begonnen und so schimpflich geführt und beendigt worden wie niemals ein Krieg in der Weltgeschichte. Napoleon fonnte un möglich vor diesem herrschenden Preußentum Achtung haben, wie er auch nicht geneigt sein fonnte, einem König finanzielle Schonung zu gewähren, der sich in den schlimmsten Nottagen des Staates artnäckig geweigert hat, seinen gewöhnlichen föniglichen Haushalt n wenig einzuschränken. Es war auch unmöglich, daß ihm diese nigliche Figur Achtung und Vertrauen einflößte, die vor feiner nterwürfigkeit gegen den Sieger zurückschreckte, aber auch gleich zeitig feine Tücke gegen ihn unterließ.
Indessen, hat die preußische Politik Napoleons wirklich auch die Absicht und den Erfolg gehabt, das preußische Volk, das preuBische Land die Sünden seiner angestammten Machthaber büßen zu lassen? Unbestreitbar, daß namentlich Ostpreußen der Kriegs
Schmoller nennt das:„ Das Größte, was ein Fürst als Feldherr, als Staatsmann und Finanzmann leisten fonnte, war hier geleistet". Wie verbleicht doch neben dieser fridrizianischen Kunst der Menschenschinderei das„ Raubsystem" Napoleons , wenn man selbst alles als wahr hinnimmt, was die preußischen Historiker davon erzählen. Warum feiern sie denn nicht die Finanzfunst Napoleons ebenso wie die Friedrichs II? Das war die preußische Kriegsführung, die Mirabeau zu dem furchtbar wahren Wihwort veran laßte, die einzige Industrie Preußens sei der Krieg.
Es war feine aus dem Haß und der Nache des unersättlichen Eroberers erzeugte Menschenquälerei, wenn Napoleon zwei volle Jahre Preußen die Last der Beseßung tragen lassen mußte, wie ja auch die Uebernahme der preußischen Verwaltung durch die Fran zosen fein unerhörtes Beginnen war. Napoleon tat nur, was die Verbündeten in den Revolutionskriegen in Frankreich unternommen hatten; nur daß er humaner, die ganze einheimische Beamtenschaft unter bloßer französischer Kontrolle in Tätigkeit beließ. Zuerst war Napoleon durch die Unklarheit der russischen Politik und die Rücksicht auf die türkischen Verhältnisse genötigt, die Truppen in Preußen zu belassen. In den ersten Monaten des Jahres 1808 war er aber offenbar bereit, die Truppen zurückzuziehen. Als Stein nach Berlin reiste, um mit Daru über die Kriegstontribution zu unterhandeln, fand er ein überraschendes Entgegenkommen. Daru verstand sich sowohl zu der Herabsehung der geforderten Summe um ein Drittel wie zum Verzicht auf die dem preußischen König anstößigste Forderung, für 50 Millionen Frank Domänen zu erbalten. Die Darstellung, die der sonst verdienstvolle May Lehmann in seinem großen Stein- Wert von dieser Berliner Tätigkeit seines Helden gibt, ist auffällig dunkel. Napoleon war ebenso an einer gedeihlichen Entwickelung Preußens interessiert, wie er den inneren Aufstieg der andern deutschen Staaten förderte. Er fügte Breußen teine tyrannischen Schädigungen zu, er ergriff feine härteren Maßnahmen, als durch die kriegerischen und politischen Notwendigkeiten bedingt waren. Das Elend Preußens war nicht durch Napoleon , sondern durch die regierende kaste Preußens ver schuldet, und es wurde durch sie auch nach dem Zusammenbruch erhalten und vermehrt. Freilich schleppten sich durch alle preußischen Geschichtswerke eines vom andern abschreibend Riesenzahlen über die unerträgliche Auspressung Breußens durch Napoleon .
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Die Geschichte der preußischen Kontribution ist ein sehr intereffanter Beitrag zur Entstehung preußischer Geschichtslegenden