299

-

Eins!" zählte Modlibowski.

Reform der französischen   Verwaltung, und zwar auf einem Ges Wie er geht! E Schneck ist e Rennpferd gegen ihn! dachte biete, auf dem man es am wenigsten vermuten würde. Mundgeruch. Aber für fünfzig Pfennige...

" Zwei!"

Die Kontinentalsperre hat namentlich Ostpreußen   erblich geschädigt; aber wesentlich nur den Getreidehandel. Es ist durch Er schafft's nicht, dachte Mundgeruch verzweifelt. Bufahl aus irrig, zu glauben, daß der Handel kahrend dieser Zeit völlig schafft's nicht! Und soll ich auf den Grund gehen wie e Erpel? unterbunden gewesen wäre. Im Jahre 1810/11 erreichte die Ein­Wegen' ner Müz?

Drei!"

In bligartiger Geschwindigkeit zog der Vergewaltigte seine Beinchen ganz dicht an den Leib, als ob er sie soweit wie nur mög­lich vom Wasser entfernen wollte.

Beim Gott meiner Väter! Ihr sollt sie haben," schrie er jammernd. ,, Nur laßt mich wieder auf meine eigenen zwei Bein'." " Na also!" sagte Modlibowsti schmunzelnd.

Er hatte ihn gerade auf die Brücke gestellt, als Stadtfergeant Bufahl sich durch die Umstehenden heranschob.

Mit einem Sprung war Mundgeruch bei ihm. Gewalt! Her Polizeirat!" kreischte er anklagend. Nehmt ihm die Müz ab! Gestohlen hat er mir e Müß, auf den Grund hat er mich geschmissen wie e Erpel. Nehmt ihm die Mütz ab!"

Nach kurzer Umfrage war Stadtsergeant genügend unterrichtet, um den Missetäter in strengem Amtston zur Herausgabe der Müze aufzufordern. Stephan Modlibowski verhielt sich aber nicht nur durchaus ablehnend, sondern beleidigte die Lepuchowoer Polizei außerdem so gröblich, daß Bufahl willkommenen Anlaß fand, seine berühmte, prachtvolle Haltung wieder einmal einzunehmen.

Seine Hand flog an den Degengriff, Kopf und Schulter schoben sich vor wie ein Sturmbod, feine Augen flammten, und mit einer Stimme, die wie unterirdischer Donner flang, rief er: Gebt die Müze heraus, oder ich zieh blank!"

-

Wie Fanfarenstöße flangen die letzten drei Worte durch die Menge.

Wie er gebrüllt hat! Wie e Löwe!" flüsterte Mundgeruch verzückt seinem Nachbarn zu. Dann schwieg auch er, ergriffen von der Feierlichkeit des gewaltigen Moments.

Stephan Modlibowski schien aber vom Teufel besessen. Statt nachzugeben, wie es seit Menschengedenken noch jeder getan hatte, fluchte er: Psia Krew, Pan Bufahl! Eh ich die Müße herausgebe, brech' ich Euren Paddenkniff kurz und flein  !"

Ein Gemurmel erwartungsvollen Staunens flog durch das Bolt. Stadtsergeant Bufahl entfärbte sich. Für einen Moment jah er starr in Modlibowskis furchtlos- freche Augen, dann irrten seine Blide unschlüssig und in Verlegenheit an ihm vorüber. Bis er sich einen Rud gab und zum zweitenmal schrie: Ich mache Sie auf die Folgen aufmerksam! Nochmals: gebt die Mühe heraus, oder ich ziehe blank!".

Wie er gebrüllt hat! Wie zwei Löwen!" jauchzte Mundgeruch. Stephan Modlibowski trat ganz dicht an den Polizisten heran, die Fäuste geballt und die muskulösen Arme kampfbereit wiegend. Man zu! Pan Pufahl," sagte er finster.

In Bufahls Gesicht arbeitete es, und der aufsteigende 3orn färbte seine Stirne firschbraun. Aber wie gelähmt verharrte er in der prachtvollen Haltung.

Das erwartungsvolle Gemurmel der Zuschauer ging allmählich in ein spöttisches Gelächter über. Es flang noch leise und ver­halten, aber an Pufahls Ohren schlug es wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts. Was sollte er tun?

" Na?" fragte Modlibowski, höhnisch feigend. Da endlich fand der Stadtfergeant den Mut, alles auf eine Karte zu sehen. Vielleicht tut der Himmel ein Wunder, dachte er. Dann freischte Mundgeruch: Er zieht! Wahrhaft'gen Gott  ! Bufahl zieht!"

Er hatte auch recht. Bufahls Arm frümmte sich in gewaltigem Rud, eine Naht an seinem Waffenrod   frachte auseinander, und die Adern schwollen ihm in der riesenhaften Anstrengung. So heftig zog er.

Aber blant zog er nicht!

Denn da der Himmel tein Wunder tat, ging auch sein Säbel, der seit Jahr und Tag fest eingerostet war, nicht aus der Scheide. Noch zweimal versuchte er es, ihn aller Gewalten zum Trok heraus­zukriegen. Dann verließ er fluchtartig den Schauplatz seiner Nieder­lage, bis in seine Wohnung von dem brausenden Gelächter der halben Stadt verfolgt.

"

Heißt e Schuß, was wir an unserm Stadtsergeanten haben!" fagte Mundgeruch erbittert. Gebrüllt hat er wie zwei Löwen und gebissen wie e zahnloser Wiedehupf! Nu, die Bürgerschaft wird's ihm gedenten!"

Die Bürgerschaft gedachte es ihm auch. ( Schluß folgt.)

Napoleons   deutsche Politik.

Von Kurt Eisner. III  

Während sich die allmächtig herrschende Kaste Preußens gegen alles erneuende Leben sperrte, verdantt Preußen eine sehr wichtige

fuhr, zumeist aus Ostpreußen  , einen Gesamtwert von 2 367 917 Talern, nur ganz unbedeutend weniger als im Jahre 1815/16. Dagegen sank allerdings 1811/12 der Export um 1374 038 Taler auf nur 993 879 Taler; das erklärt die Erregung der oftßreußischen Kaufleute, die 1813 patriotisch schürten. Aber die Kontinental­sperre erleichterte andererseits die Brotversorgung der einheimischen Bevölkerung, die nicht mehr völlig dem Gereidewucher der expor tierenden Junker überliefert war, und sie brachte zudem auch er­hebliche Einnahmen für die Staatstaffe. Diese Einnahmen er­schienen so unentbehrlich, daß die preußische Regierung die 1813 anfangs des Jahres durch Stein gewaltsam und dann durch Edikt vom 20. März 1813 förmlich und feierlich aufgehobene Kontinental­sperre bereits am 15. April 1813 als Striegsimport", zur starken Dämpfung der oftpreußischen Patriotengefühle, wieder in wesent­lichen Stücken einführte!

In der Absperrung von fremden Industricerzeugnissen konnte die Kontinentalsperre in Preußen nichts mehr verschlimmern. Denn Preußen hatte, um einigen Monopolisten den Absatz ihrer schlechten und teuren Waren zu sichern, eine Sperrmauer um die Städte gegen jede ausländische Einfuhr errichtet. Es war während der französischen   Okkupation, daß der Gen- raltre trier   Estève- Anfang 1807- die Aufhebung der Sperre zuguten aller französischen  Waren durchsetzte, trotz des Geschreis der Berliner   Fabrikanten; der Zugang wurde gegen Wertzölle von 4 bis 25 Broz. gestattet. Das war gewiß zunächst im französischen   Interesse; französische Kaufleute folgten den siegreichen Heeren, um neue Absatzmärkte zu gewinnen. Aber durch den Estève- Tarif wurde nicht nur der empfindliche Warenmangel zugunsten der preußischen Bevölkerung behoben, er war überhaupt die erste Srschütterung des preußischen Prohibitivsystems, man darf ihn auch als den ersten Schritt zum deutschen   Zollverein bezeichnen. Diese Maßnahme der französischen   Verwaltung blieb der einzige handels politische Fortschritt in der preußischen Reformära, die auch auf diesem Gebiete über aftenschwere Diskussionen über das richtige Fabriquensystem" nicht hinausfam. So segensreich und notwendig erwies sich der Estève- Tarif, daß er nicht bis 1813 beibehalten und erweitert wurde, sondern daß zwar öfentlich und demonstrativ in demselben Edikt vom 20. März 1813, das die Kontinentalsperre für die englischen Waren aufhob, ein Einfuhrverbot für die französischen   Waren verfügt wurde, daß man aber insgeheim das Edikt dahin deklarierte": die französische   Einfuhr sei weiter nach dem Estève- Tarif zu gestatten! Noch im Jahre 1814, als man wieder einmal in den preußischen Amtszimmern über die handelspolitischen Systeme stritt, hob der Chef des Departements für Gewerbe und Handel im preußischen Ministerium des Innern die hochheilsamen" Folgen jener fremdherrlichen Maßregel hervor Wie weit im einzelnen die direkte Einwirkung Napoleons   auch auf die preußische innere Politik gegangen ist, wird man vielleicht erst dann erkennen, wenn man endlich bei uns den Mut gefunden haben wird, den Briefwechsel zwischen dem preußischen Hof und Napoleon   zu veröffentlichen. Wichtiger aber als alle Reformen, die durchweg in Preußen nur Versuche blieben, ist die durch Napoleon   herbeigeführte Umwandlung des öffentlichen Geistes. Die frische Luft des napoleonischen Schöpfungsdranges wehte auch über die preußische Grenze. Der Reformeifer in den Rheinbundstaaten, die Erschütterung und Ent­larvung aller alten Autoritäten, der Zusammenbruch der herr­schenden Fäulnis all das bildete und erzog die neue Generation auch in Preußen, die dann des Aufschrvungs von 1813 fähig ward. In einem anderen und tieferen Sinne sind die Freiheitskrieçe Napoleons   Werk gewesen. Nicht sowohl der Druck als das Bei­spiel der französischen   Herrschaft hat die vreußischen Untertanen innerlich wiedergeboren. Die wilden Haffer des Welschen, des Tyrannen, des Unterdrückers der Freiheit, waren unbewußt erfüllt von französisch- revolutionärem, freilich allzu teutsch" umsponnenem und versponnenem Geist. Selbst Schaoller schildert den Zustand Preußens vor Jena   also:" Eine rohe Naturalwirtschaft mit brutalee feudaler Klassenherrschaft herrschte auf dem Lande; die Städte waren verarmt, eine forrupte Oligarchie herrschte in ihnen. Die große Masse des Volkes und die kleinen Leute lebten ohne viel eigenes Nachdenken in dump fem Druce dahin".( Folgt eine Bemerkung über die Hohenzollern  als die einzige Rettung gegenüber einer berkommenen Aristo tratic".) Die bürgerlichen Freiwilligen von 1813 stammen denn auch aus einer anderen Welt. Der Jakobiner Napoleon   Hat seine Schüler gegen sich bewaffnet!

" 1

-

-

-

Letzten Endes war Preußen und das allein erklärt Napo­Icons Verhalten für sein System die Vollendung seiner Rhein­bundspolitik. Gin in den Machthabern gedemütigtes, in den Grens zen beschränktes und dann von innen heraus nach den Methoden der französischen   Reform erneuertes Preußen sicherte erst seine Kontinentalpolitii gegen den Anprall der feindlichen Weltmächte. Seinen Groll gegen Breußen ließ er vielleicht an den Schuldigen, an den Persönlichkeiten der Herrscherfamilie und ihren Trabanten aus, eine Mißhandlung preußischer Volts interessen lag auch ihm