- 302Seilerkobi beim Säen wieder einmal einen Schwips gehabthabe. Da konnte sich dann der Zeigerhaniß mit seinemHeimenacker sehen lassen! Freilich, den uralten, verkrüppeltenApfelbaum vorn vn der Straße hätte mancher andere Bauerlängst umgehauen. Aber mit diesem Bauni hatte es haltseine eigene Bewandtnis.«Das sind Kornäpfel I" belehrte michder Haniß mit besonderem Nachdruck, als ich wegen des Krüpvels eine Bemerkung machte.„Und diesem Baum zulieb habelch den Acker gekauft und einundzwanzig Jahre darauf gepaßt. Kornäpfel sind die besten, da mag einer noch so weitherkommen und das Gegenteil behaupten, ich sage: er hat denBegriff nicht! Wenn man das erste Korn mäht, sind sie reif.Wenn Du glaubst, es gehe leicht, an so einem Baum vorbeizu-kommen, so hast Du noch keinen Kornapfel gegessen. Als ichso alt war wie Du jetzt bist, hätte ich mein Vermögen fürdiesen Bauin gegeben. Der alte Schreinerjörg hat immeraufgepaßt, halbe Tage lang ist er hinter dem großen Weiß-dornbusch gehockt. Wie der niir einmal auf's Leder gegeben,so etwas vergißt man nicht. Damals— schon währenddemer mich gehauen hat— Hab ich es mir vorgenommen, daß dieserAcker eininal inein sein müsse. Und es ist alles niöglich, wennman Zeit hat. Der Baum hat das Gnadenbrot. Wenn er nurnoch je�es Jahr drei Aepfel gibt, damit ich mir einen unterdie Nase halten und bei mir denken kann: gelt, Haniß, er»zwungen hast es doch! Ich habe zwar von seinen Zweigenwelche auf einen jungen im Grasgarten gepfropft, aber das istnicht das gleiche. Weißt, so ein Apfel muß seinen Geruchhaben. Wo soll er den Geruch hernehmen, wenn kein Korn inoer Nähe ist?"lLortsetzung folgt.xStaätsergeant pufakl.Von Georg Busse-Palma.(Tdjluß.)Als et tags darauf, beschämt, aber alter Gewohnheit treu,den üblichen Rundgang machte, wurde er überall kühl und der-ächtlich empfangen. Gänzlich ungestärkt und in einer Nüchtern-heit, die allen sichtbar davon Zeugnis abgelegte, daß es mit seinerBeliebtheit vorüber war, kam er an seinen Ausgangspunkt zurück.Schon dadurch auf das äußerste niedergeschlagen, wollte ereben die kleine Steintreppe hinaufsteigen, als vom Schulhauseher, aus dessen Pforte gerade eine Schar Knaben strömte, einLied erklang, das, nach der Melodie des„General Laudon" ge-sungcn, wie ein Peitschenhieb sein Ohr traf:Pufahl, Pufahl, Pufahl zieht blank.Zieht mit empörtem L-inn,Aber sein Schwert bleibt drin.Pufahl. Pufahl. Pufahl zieht blank!—I, ihr Himmelhunde I"Wetternd und fluchend wandte er sich um. Die Kinder stobenaber schon auseinander, ehe er überhaupt nur daran denken konnte,eins zu erwischen. Und das wiederholte sich nun Tag für Tag.Wo er auch ging und stand, durch Haustüren oder Zäune, Heckenoder Fenster, von irgendwoher scholl es ihm immer nach.Es half ihm ganz und gar nichts, daß ihm auf sein dringendesErsuchen hin ein neuer Säbel bewilligt wurde, der wirklich heraus-ging und blank, schneidig und spitz war. Jahrelang hatte manan seine alte Plempe geglaubt, die doch überhaupt nicht aus demFutteral zu bringen war, weil man an ihn selber geglaubt hatte.Nun glaubte man an seinen nagelneuen Säbel ebensowenig wiean ihn! Er durfte gar nicht Iwran denken, noch einmal die Pracht-volle Haltung früherer Tage einzunehmen und seine berühmteAufforderung in die Welt zu schmettern. Ein schallendes Gelächterwäre die einzige Folge gewesen.— Ja, er war eine gefalleneGröße; dem einen ein Aergernis, dem andern ein Gegenstandmehr oder weniger gutmütigen Spottes. Und das fraß nicht wenigeran ihm als der Verlust an Genuß- und Nahrungsmitteln, dermit seinem Sturz aus dem alten Ansehen verknüpft war.Mag und hohläugig, nur noch ein Zerrbild seines früherenbehaglichen Selbstbewußtseins, schlich er ta�s durch die Stadt. Inschlaflosen Nächten aber wurde er sich allmählich darüber klar, daßes nur ein Mittel gab, das verlorene Paradies wiederzugewinnen:Er mußte seine Waffe einmal wirklich gebrauchen und damit vorStadt und Land beweisen, daß er nicht nur wie ein Löwe brüllen,sondern auch, wenn es sein mußte, wie ein Löwe beißen konnte!Aber wie um alles in der Welt sollte er das anstellen? Diegrößten Uebeltäter, gegen die er einzuschreiten hatte, verdientenbestenfalls eine Polizeistrafe von einigen Mark, und er konnte siedoch unmöglich um seines Ansehens willen kaltblütig durchbohren!Schließlich verirrte sich seine Phantasie bis in die Möglichkeiteines erneuten polnischen AufstanbeS. Seine Augen flammten,wenn er da? alte.Noch ist Polen sticht verloren" von irgendwohererklingen hörte, und seine von Scham und Ehrgeiz beflügelteEinbiloungskraft trug ihn in die Stunde der Entscheidung.In breiten Kolonnen sah er die Sensenmänner heran-marschieren. In der vordersten Reihe schritt Stephan Modlibowski,der Aufrührer, die Ursache seines Sturzes, der der Fahne mitdem Bilde der Mutter GotteS, der Königin von Polen trug. Dawarf er, der Stadtsergeant Pufahl, einsam, aber todesmutig, sichdem Heerzug entgegen!—„Halt, oder ich zieh' blank!"— Klat-schend flog seine Hand an den Degengriff, und als Stephan Modli,bowski höhnisch zu feixen begann, da funkelte seine Klinge auchschon aus der Scheide, und er, Pufahl, der zahnlose Wiedehupfjzagte sie bis an das Heft in seinen verruchten Nabel.Wenn Pufahl in seiner Vorstellung so weit gekommen war,hob sich seine Brust immer in mächtigen, befreienden Atemzügen»als ob seine Lunge mittriumphierte und mitjauchzte. Was dannmit ihm selber geschehen würde, kümmerte ihn nicht mehr. Totoder lebendig, seine Ehre wäre für alle Zeiten wieder hergestellt...Aber es blieb bei diesen Träumereien. Die Polen warenniederträchtig genug, friedlich und gemütlich bei Ackerbau undViehzucht zu verharren und nicht den allerkleinsten Aufstand an-zuzetteln. So mußte er denn, täglich magerer und täglich hohl-äugiger, den Fluch der Lächerlichkeit weiter durch Monat undMonat schleppen und es sich mit hängenden Ohren gefallen lassen,daß er von den frechen Spottver-chen:„Zieht mit empörtem Sinn,aber sein Schwert bleibt drin" beinahe auf Schritt und Trittverfolgt wurde.Bis endlich auch für ihn wieder die Sonne aufging!An einem Jahrmarktstaa weilte auch eine kleine Wander-Menagerie in Lopuchowo, in der, nach den Versprechungen grellerPlakate, gegen zehn Pfennig Eintrittsgeld sibirische Steppenwölfe,ein echt indischer Königstiger und andere Bestien zu sehen waren.Auf dem bretternen Podium vor dem Eingang stand der Besitzerund führte, der' größeren Anlockung halber, mit einem braunenBären allerhand drollige Szenen auf.DaS große, stattliche Tier, das mit ihm in herzlichem Ein-vernehmen zu stehen schien, watschelt«, hock auf den Hinterbeinenaufgerichtet. Arm in Arm mit ihm auf und ab, ließ sich gemütlichbrummend einen Weiberrock überziehen und«inen Strohhut auf,fetzen und trat dann mit seinem Herrn zu einem Rundtanz an,dessen Ausführung man von einem Bären unmöglich zierlicherverlangen konnte. Hinterher setzte er eine Flasche Bier an dieSchnauze, ließ den Inhalt kunstgerecht durch seine Kehl« rinnenund bedankte sich bei dem gütigen Spender durch einen zärt-lichcn Kuß.Die Landleute und besonders die Kinder des Städtchensdrängten sich in hellen Haufen vor dem Zelt. Mit blanken, rundenAugen und halboffenen Mäulern, oft genug auch laut auflachend,sahen sie dem seltsamen Schauspiel zu.Mit einem Mal wurde der Bär unruhig.Seine kleinen, verschlagenen Augen fingen zu glühen an. Mitzuckenden Nüstern witterte er über den Marktplatz und stieß einheisere? Gebrüll aus.Vielleicht hatte der Blutgeruch von den Schlächterbänken oderirgendein anderer Eindruck, der eben nur für«inen Bären vonBedeutung war, seine Seele aus ihrem zivilisierten Gleichgewichtgebracht!Eine Minute verharrte er reglos, di Vorderpranken in deralten Tanzstellung auf den Schultern seines Bändigers. Nur feinKopf wiegte sich wie suchend und witternd hin und her.„AllonS, Dodo! Marsch, tanz! schrie der Budenbesitzer.Ein derber Rippenstoß, den er Meister Petz gleichzeitig vcr-setzte, sollte seinen Worten einen freundschaftlichen Nachdruck ver-leihen. Aber die Bestie verstand das diesmal falsch. Die Schnauzeganz hoch reckend, als ob sie ihren Schmerz gen Himmel heulenwollte, hob sie die rechte Pranke und verabfolgt« dem Ueberraschteneine gewaltige Ohrfeige. Ohnmächtig, blutend brach der Getroffenezusammen.Brummend und schnuppernd, wie überrascht von seiner eigenenTat, sah Dodo auf den Gestürzten, dessen Verwundung gefähr-licher aussah, als sie war. Dann stieg er watschelnd über ihnfort und kletterte die Holztreppe hinunter, geradewegs in dasgaffende Volk hinein.Ein unbeschreiblicher Tumulk entstand. Unter kreischenden„JessuS Maria Josephs" drängten Kinder, Weiber und Männer.von panischem Schnecken erfaßt, flüchtend zurück.Nur einer wankte nicht.Während der Platz sich um ihn leerte, wie von'eisernen Besengekehrt, blieb Pufahl. flammenden Glanz in den wäffrigen Augen,einsam und aufrecht stehen.Er fühlte eS: jetzt oder nie war feine groß« StundetDer Bär kam langsam auf ihn zu, ihn mit seinen kleinen.verschlagenen Augen dche und listig anglitzernd. Als er nur nochwenige Schritte von ihm entfernt war, lief«S wie«in elektrischerSchlag durch dessen Glieder.Seine Hand flog an den Degengriff, Kopf und Schulter wieeinen Sturmbock vorschiebend, ganz in der prachtvollen Haltungseiner früheren Zeiten, rief er mit donnernder Stimme:„Zurück!Oder ich zieh' blank!"Der Bär stutzte.Dann aber, ganz so, als ob auch er bereits von PufahlSKampf mit Modlibowski erfahren hätte, richtete er sich brummend