-

375

-

-

Weiter ward ich an Altären und Säulen vorübergeschleppt. Da und dort glänzten Gold und Rubinen auf, mattes altes Silber in Menge, und neben dem phantastischen Reichtum dieser Tempel­fchäze war die Schäbigkeit der Diener und Priester, die Armut der Holzverschläge und Glaskästchen, die bettelhafte Dürftigkeit der Beleuchtung ganz wunderlich anzusehen. Priester zeigten die alten heiligen Bücher des Tempels vor, die in Silber reich gebunden sind, und deren heilige Terte in Sanskrit und Bali sie vermutlich selber nicht mehr lesen können, und was sie selber gegen ein Trinkgeld auf Palmblätter schrieben, war kein schöner Spruch oder Name, sondern das Datum des Tages und der Ortsname; eine nüchterne, fchäbige Quittung.

und Opfern, von rührend irrender Menschentorheit und Kindlichkeit wieder zu steigen; bald war ich wieder von Wald umgeben, von errichtet haben. Den schwachen, blinden Rest der Buddhalehre, den einem sonderbar toten, verzauberten Wald, wo schlangenhaft ge fie in ihrer Einfalt verstehen konnten, den haben sie verehrt und wundene Stämme und Aeste mich blind mit langen, dicen, weiß­gepflegt, geheiligt und geschmückt, dem haben sie Opfer gebracht| Tichen Moosbärten anstarrten; ein naffer, bitterer Laub- und Nebel und fotbare Bilder errichtet was tun dagegen mir fluger and geruch hing dazwischen. geistigen Leute aus dem Westen, die wir dem Quell von Buddhes Das war alles ganz schön, aber es war nicht eigentlich dad, und von jeder Erkenntnis viel näher find? was ich mir heimlich ausgedacht hatte, und ich fürchtete schon, es möchte zu manchen indischen Enttäuschungen heute noch eine neue kommen. Indessen nahm der Wald ein Ende, ich trat warm und etwas atemlos auf ein graues offianisches Heideland hinaus und sah den kahlen Gipfel mit einer fleinen Steinpyramide nahe vor mir. Ein harter, falter Wind drang auf mich ein; ich nahm den Mantel um und stieg langfam die letzten hundert Schritte hinan. Was ich da oben sah, war vielleicht nichts typisch Indisches; aber es war der größte und reinste Eindruck, den ich von ganz Ceylon mitnahm. Soeben hatte der Wind das ganze weite Tal von Nurelia flargefegt; ich sah tiefblau und riesig das ganze Hoch­gebirge von Ceylon in mächtigen Wällen aufgebaut, inmitten die schöne Pyramide des uralt- heiligen Adams- Pit. Daneben in un­endlicher Ferne und Tiefe lag blau und glatt das Meer, dazwischen tausend Berge, weite Täler, schmale Schluchten, Ströme und Wasserfälle, mit unzählbaren Falten die ganze gebirgige Insel, auf der die alten Sagen das Paradies gefunden haben. Tief unter mir zogen und donnerten mächtige Wolfenzüge über einzelne Täler hin, hinter mir rauchte quirlender Wolkennebel aus schwarzblauen Tiefen, über alles weg blies rauh der falte sausende Bergwind. Und Nähe und Weite stand in der feuchten Luft verklärt und tief gesättigt in föhnigem Farbenschmelz, als wäre dieses Land wirk lich das Paradies, und als stiege eben jebt von seinem blauen, umwölften Berge groß und stark der erste Mensch in die Täler nieder.

Schließlich ward mir der Altarschrein und das Behältnis gezeigt, worin der heilige Zahn Buddhas verwahrt wird. Wir haben das alles in Europa auch; ich gab meinen Obolus hin und ging weiter. Der Buddhismus von Tehlon ist hübsch, um ihn zu photographieren und Feuilletons darüber zu schreiben; darüber hinaus ist er nichts als eine von den vielen rührenden, qualvoll grotesten Formen, in denen hilfloses Menschenleid jeine Not und feinen Mangel an Geist und Stärke ausdrüdt.

Und mun zerrten sie mich unversehens in die Nacht hinaus; In der tolligen Dunkelheit strömte immerzu der heftige Regen, unter mir spiegelten die Kerzen der Jünglinge sich im heiligen Schildkrötenteich. Ach, es fehlt hier nicht an Heiligkeit und heiligen Dingen; aber jenem Buddha, der nicht aus Stein und Kristall und Alabaster war, dem war alles heilig, dem war alles Gott! Man zog und schob mich, der ich in der Dunkelheit mich blind fühlte und willenlos millief, in Eile über einige Treppenstufen und über nasses Gras hinweg ins Freie, wo plöblich als rotes Viered in der Nacht die erleuchtete Türöffnung eines zweiten, fleineren Tempels vor uns stand. Ich trat ein, opferte Blumen, ward zu einer inneren Tür gedrängt und fah plötzlich erschreckend nahe vor mir einen großen liegenden Buddha in der Wand, achtzehn Fuß lang, aus Granit und grell mit Rot und Gelb bemalt. Wunderlich, wie noch aus der glatten Leere all diefer Figuren ihre herrliche Idee hervorstrahlt, die faltenlos heitere Glätte im Angesicht des

Bollendeten.

Stun waren wir fertig; ich stand wieder im Regen und sollte noch den Führer, die Kerzenträger und den Briefter des Heineren Tempels bezahlen; aber ich hatte all mein Geld weggegeben und fah nun, auf die Uhr blidend, mit Befremdung, daß diese ganze nächt liche Tempelreise nur zwanzig Minuten gedauert hatte. Rasch lief ich zum Hotel zurüd, hinter mir im Regen die feine Schar meiner Gläubiger vom Tempel. Ich erhob Geld an der Hoteltasse und teilte es aus; es berneigte sich vor seiner Macht der Priester, der Führer, der erste und der zweite Kerzenjüngling, und fröfteľnd stieg ich die vielen Treppen zu meinem Zimmer hinauf.

Bedrotalla galla.

Um in der Stille einen schönen und würdigen Abschied von Indien zu feiern, stieg ich an einem der lezten Tage vor der Ab­reise allein in einer fühlen Regenmorgenfrische auf den höchsten Berggipfel bon Ceylon, den Bedrotallagalla. Jn englischen Fuß ausgebrüdt flingt seine Höhe sehr respektabel, in Wirklichkeit sind es wenig über zweieinhalbtausend Meter, und die Besteigung ist ein Spaziergang.

Das fühle grüne Hochtal von Nurelia lag silbrig in einem Jeichten Morgenregen, typisch englisch - indisch mit seinen Wellblech­dächern und seinen verschwenderisch großen Tennis- und Golf­gründen; die Singhalesen lauften sich vor ihren Hütten oder saßen fröftelnd in wollene Stopftücher gewidelt; die schwarzwaldähnliche Landschaft lag leblos und verhüllt. Außer wenigen Bögeln sah ich lange Zeit fein Leben als in einer Gartenhede ein feistes, giftig grünes Chamäleon, deffen boshafte Bewegungen beim Insektenfang ich lange beobachtete.

Der Pfad begann in einer fleinen Schlucht emporgusteigen, die paar Dächer verschwanden, ein starker Bach braufte unter mir Hin. Eng und steil stieg der Weg eine gute Stunde lang gleich­mäßig bergauf, durch dürres Buschdidicht und lästige Müden Jehwärme, nur selten ward an Wegbiegungen die Aussicht frei und eigte immer dasselbe hübsche, etwas langweilige Tal mit dem Heinen See und den Hoteldächern. Der Regen hörte allmählich auf, der fühle Wind schlief ein, und hin und wieder kam für Minuten die Sonne heraus,

Ich hatte den Vorberg erstiegen; der Weg führte eben weiter über elastisches Moor und mehrere schöne Bergbäche. Hier stehen die Alpenrosen üppiger als baheim, in dreimal mannshohen starten Bäumen, und ein silbriges, pelzig weiß blühendes Kraut erinnerte sehr an Edelweiß; ich fand viele von unsern heimatlichen Wald­blumen, aber alle seltsam bergrößert und gesteigert und alle von alpinem Charakter. Die Bäume aber fümmern sich hier um feine Baumgrenze und wachsen fräftig und laubreich bis in die leßten Höhen hinauf.

Jch näherte mich der letzten Bergstufe; der Weg begann rasch

Diese große Urlandschaft sprach stärker zu mir als alles, was ich sonst von Indien gesehen habe. Die Palmen und die Paradies bögel, die Reisfelder und die Tear yel der reichen Küstenstädte, die von Fruchtbarkeit dampfenden Täter der tropischen Niederungen, das alles, und selbst der Urwald, war schön und zauberhaft, aber es war mir immer fremd und merkwürdig, niemals ganz nah und ganz zu eigen. Erst hier oben in der kalten Luft und dem Wolken gebräu der rauhen Höhe wurde mir völlig klar, wie ganz unser Ländern wurzeln. Wir kommen voll Sehnsucht nach dem Süden Wesen und unsere nördliche Kultur in rauberen und ärmeren und Osten, von dunkler, dankbarer Heimatsahnung getrieben, und wir finden hier das Paradies, die Fülle und reiche Uleppigkeit aller natürlichen Gaben, wir finden die schlichten, einfachen, findlichen hier fremd und ohne Bürgerrecht, wir haben längst das Paradies Menschen des Paradieses. Aber wir selbst sind anders, wir sind berloren, und das neue, das wir haben und bauen wollen, ist nicht das liegt in uns und in unserer eigenen nordländischen Zukunft. am Aequator und an den warmen Meeren des Oftens zu finden,

Kleines feuilleton.

Sprachwissenschaftliches.

Was ist Talmi? Das ist doch nur Talmi," hört man häufig fagen, und der Talmitavalier", die Talmidame" und viele andere Talmidinger" mehr find heute jedem geläufig. Daß der Name ure prünglich die Bezeichnung für eine Goldimitation ist, wird wohl auch jeder wissen. Aber darüber hinaus wird die Kenntnis der meisten nicht gehen. Der Name für die Geldimitation, die bekanntlich eine mit einer dünnen Goldschicht überwalte Stupfer- und Zinnlegierung ist, ist vom Namen des Parijer Erfinders Tallois abgeleitet. Die Bezeichnung Talmi rührt num bon einer falschen Zusammenziehung der seinerzeit für das neue Bro­duft üblichen Handelsabkürzung: Tal. mi- or", wie Alfred Schirmer in der Zeitschrift für die deutsche Wortforschung" anführt. Tal- mi- or bedeutet so viel wie Tallois'sches Halbgold". Der übertragene Gebrauch in Deutschland , den die Bezeichnung Talmi findet, geht schon auf die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurüd. So fagt D. Glagau in seinem, aus älteren Gartenlauben"-Artikeln hervorgegangenen, im Jahre 1876 erschienenen Buche: Der Börsen­und Gründungsschwindel in Berlin ": Auch dieser Talmi- Adel wird von der Gesellschaft respektiert und bewundert." Auch in Spiel hagens Roman, Sturmflut", der im Jahre 1877 erschien, findet sich im zweiten Teile ein Gaz: Der Abel einiger Barone und Baroninnen, die wiederum der gnädigen Frau ein wenig Talmi" erscheinen dürfte Seit den neunziger Jahren ward dann der Ausdruc Talmi" zu einem allgemeinen Stichwort für allerlei unechtes und halbschüriges Wesen. Seit jener Zeit sind auch die Zusammens fegungen mit diesem Worte besonders beliebt. So spricht Schmidt Cabanis( Auf der Bazillen- Schau) vom Talmi"-Mittelalter. Auch der Talmi- Republikaner fann schon in jener Zeit belegt werden. Heute ist das Wort Gemeingut aller geworden.

41

11

Aus dem Gebiete der Chemie.

Die Chemie des Spargels. Die chemische Unter­fuchung von Pflanzenstoffen ist eine so umfangreiche und schwie­rige Aufgabe, daß fie noch längst nicht für alle Nutpflanzen oder auch nur für ihre wichtigsten Bertreter hinreichend gelöst ist. Die Wiederholung der Analysen fördert häufig Ueberraschungen zu­