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Der Padrone wollte uns allerlei Technisches und Statistisches An heißen Tagen hört nun der Selbstzug auf oder wird viel erzählen. Wir aber wollten nicht mehr hören; unsere Erschöpfung geringer. Bei gleicher Arbeit des Ventilators treten also einige war zu groß, unsere Erschütterung zu tief. Wieviele Arbeiter tausend Kubikmeter Luft pro Minute weniger in die Erde ein. hier tätig seien, war alles, was ich mit schwerer Zunge und Diese verminderte Luftzufuhr sowie die bereits erwähnte vermin­trockener Kehle erfragte. Ginhundertfünfzig", war die Antwort. derte Abkühlung der Grubentemperatur sind es, die den Betrieb Einhundertfündfaig in diesen Höllenkreis verbannte fühlende ganz erheblich erschweren. Bei den Arbeitern sinkt die Leistungs­Leiber, einhundertfünfzig zu dieser Pein verdammte Seelen. fähigkeit; die große Hiße vermindert die Wachsamkeit gegenüber " Jedem sechs Soldi, der Rest für Sie," sagte ich laut vor den Gefahren und gibt Veranlassung zu Erkrankungen. Infolge der vielen, die uns abermals umdrängten, und übergab dem Führer geringeren Luftzufuhr machen sich auch die Schlagwetter viel eine Banknote. Und nahm den Arm meiner Reisegefährtin und stärker bemerkbar und erhöhen die Gefahren des Betriebes. So 30g fie fort mit mir und empfand brennende Scham, daß ich nur so manche Arbeit muß stillgelegt werden. wenig zu tun vermochte, und daß mir im hellen Sonnenlichte ver­gönnt war, ein Paradies zu sehen, dieweil so viele andere in Hölle und Erbennacht schmachteten.

Kleines Feuilleton.

Sprachkundliches.

Ein besonderes Kapitel ist die Einwirkung der Hize auf die Grubenpferde. Die Gäule leiden darunter viel mehr als die Menschen. Schon nach wenigen Stunden werden die Tiere schlapp und lassen die Züge mit den vollen Wagen stehen. Jeder stehen­bleibende Kohlenzug hält aber die ganze Förderung auf, denn in der Erde, wo alle Streden eng sind und die Wagen auf Schienen laufen, fann nicht vorbeigefahren werden. Ein in der Haupt­förderstrecke stehenbleibender Gaul bringt den ganzen Betrieb zum Ruhen. Dann geht es aber allen schlecht, denn die Kohlen sollen und müssen kommen. Die Grubenpferde haben ohnehin kein be­Vom Trinken. In scherzhaften Ausdrücken und Rede- neidenswertes Los, aber an solchen Tagen werden sie mißhandelt, wendungen, die sich auf das Trinken, besonders auf ein Uebermaß wie man es sich roher und scheußlicher kaum denken kann. Wit barin beziehen, ist unser von jeher allzu trinkfröhliches Volf un- Drahtpeitschen, mit dicken Knüppeln werden die Tiere geschlagen, erschöpflich. Man nennt diese Seite sprachlichen Humors nach dem Draht wird ihnen um die Zunge gebunden und gezogen und was Titel eines darauf bezüglichen Werks von Joh. Fischart auch die der Quälereien noch mehr sind. Niemand wehrt aber diesem Teuntenlitane i. Zunächst gibt es für das Trinken selbst Treiben. Was sollen die Beamten tun? Die Kohlen müssen weg allerlei volkstümliche Ausdrücke. Der eine hebt einen, ein zweiter und Ersatzpferde sind nur selten vorhanden. Entweder geht der genehmigt ihn, ein dritter gießt ihn hinter die Binde, Beamte weg oder aber er schlägt mit drauf. Weiter bleibt ihm ein vierter pfeift, tutet oder schmettert ihn gar, und ein nichts übrig. Mit Freuden ist es deshalb zu begrüßen, daß die fünfter ruft dabei aus:" Nun duce dich, liebe Seele, es kommt Förderung der Kohlen zum Schacht mehr und mehr durch Maschinen ein Plazregen" oder: Seh dich auf eine Rippe, liebe Seele, erfolgt, die die Pferde aus der Erde verdrängen. es kommt ein Wolkenbruch." Auch die Trinklust findet man­Länderkunde. nigfache Bezeichnungen. Giner hat eine trockene Leber, ein anderer ein gutes Gefälle, und wieder ein anderer kann einen gehörigen Hieb oder Stiefel vertragen; trinkt wie ein Bürstenbinder, letzteres eine scherzhafte An­lehnung an mittellateinisches bursa  , deutsch   Bursch( mundartlich Burscht, so bei J. P. Hebel), was zunächst ein Haus bedeutete, in dem Studenten zusammen wohnten, dann diese selbst( vgl. Frauen­zimmer). Wer einem guten Trunk etwas allzu reichlich zuge­sprochen hat, bekundet das auch in seinem Gange: er kann den Strich nicht halten, er hat schief oder schwergeladen, er gleicht also einem überladenen Erntewagen, u. dgl. m. Ueber­haupt beziehen sich auf die nicht immer angenehmen Folgen des Trinkens, abgesehen von den dafür üblichen Tierbezeichnungen, wie Spiz, Bod, Affe, Kater eine Unmenge von Rede­wendungen, wie: Er hat sich die Nase begossen, zu start eingeheizt, hat einen hieb weg, sieht den Himmel für eine Baẞgeige an, ist blau, hat ein OeIföpfchen oder Oel   a m Sut, ist nüII, fanonen voll oder gar Sternhagelvoll. Von anderen Ausdrücken, die uns noch eine Stufe tiefer führen( gerben, Ulrich rufen u. dgl.) reden wir hier lieber nicht.

Gin bißchen. Es gibt gewisse Kleinigkeiten in unserer amtlichen Rechtschreibung, die sich durchaus nicht einbürgern wollen. Dazu gehört ein bißchen. Immer wieder sieht man die Schrei­bung ein bischen". Da es aber von dem Hauptwort" Bissen" tommt, so hat man eben die Schreibung mit B festgelegt, und um der Einheitlichkeit willen sollte sich jedermann dem fügen. Daß es mit einem b geschrieben wird beruht auf der Regel, daß alle umstandswörtlichen Wendungen so geschrieben werden sollen.

Stätten der Arbeit.

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meeres, Cypern, leidet noch heute unter den Folgen einer viel­Cypern. Die große, prächtige Insel des östlichen Mittel­Völkern, die für die wahren Bedürfnisse des Landes nicht die er hundertjährigen Fremdherrschaft, und zwar einer Herrschaft von mindeste Einsicht hatten. Was die Venetianer übrig ließen, haben die Türken ruiniert. Die stolzen Wälder der Zypressen, die von der Insel ihren Namen erhalten haben, sind in rücksichtsloser Weise vernichtet worden, und das Nadelholz hatte das Schicksal. Das Land ist heute, durch die Schuld der Menschen, tahl gleiche und dürr. Im Sommer fällt kein Regen und der ausgetrocknete Boden muß künstlich bewässert werden, wenn er Frucht tragen soll. Der Druck, der so lange auf der von der Natur jo fleißigen griechischen Bevölkerung der Insel lasttete, hatte das Wirtschafts­leben Cyperne zu einem fläglichen Verfall gebracht. Natur wirkt, froß der fehlenden Wälder, überaus romantisch. Zwei Cyperns mächtige Gebirgsketten durchziehen die Insel von Osten nach Westen. Die südliche erhebt sich im Troodo bis zu 1900 Metern. zwischen den beiden Gebirgsreichen breitet sich eine steppenartige Ebene aus, die im Frühjahr ein bunter Blumenteppich bedeckt. Die Insel ist infolge der langen Vernachlässigung, unter der sie gelitten hat, recht dünn bevölkert. Auf etwa 10 000 Quadrat filometer zählt sie nur eine Viertelmillion Einwohner. Zu vier Fünfteln sind es Griechen, der Rest besteht aus eingewanderten Mohammedanern. Die Zahl der Städte ist klein, und sie selbst machen den dürftigen Eindruck. Das gilt von Nikosia   so gut, dem Size der Regierung und des Erzbischofs, wie von Larnaka   mit seinem vorzüglichen Hafen. Cypern war das erste Kolonial­land, das die Griechen im Altertum- vor 3000 Jahren- be setzt haben. Gelockt durch die reichen Kupferminen der Insel, siedelten sie sich dort schon zu einer Zeit an, in der die Buch­stabenschrift noch nicht erfunden war. So haben sich die Leute von Cypern allein unter allen Griechen einer hochaltertüm­lichen Silbenschrift bedient, von der einige interessante Proben auf uns gekommen sind. Als die östlichsten der Hellenen waren die Bewohner von Cypern den Angriffen der orientalischen Groß­mächte am stärksten ausgesetzt. So mußten sie zunächst den Assy­rern gehorchen, und später eroberten die Perser die Insel und suchten die Griechen zu knebeln; aber in siegreicher Erhebung ver­jagten sie die Fremden wieder. Im weiteren Verlauf der Ent­wickelung fam Cypern unter römische und byzantinische Ober­hoheit, und unter dem Schuße beider Reiche bewahrte es seine alte Blüte. Im Zeitalter der Kreuzzüge setzten sich französische Ritter auf der Insel fest, und einer von ihnen, Guido von Lu signan, begründete die Reihe der selbständigen Könige von Cypern. Der letzte von ihnen war Jakob II.  , der die Herrschaft seiner Gattin, der berühmten Catarina Cornaro   hinterließ. Diese stolze Tochter Venedigs   schenkte ihr Reich ihrer Vaterstadt. Es war im Jahre 1489, als die seemächtige Republik auch Cypern ihrem Untertanengebiet einfügte. Mit der Venetianischen Periode be­ginnt der Verfall des Landes, der sich dann mit großen Schritten beschleunigte, als die Türken im Jahre 1570 Cypern eroberten. Drei Jahrhunderte stand die Insel nun unter osmanischer Ver­waltung und hatte alle Leiden zu ertragen, die den unterworfenen Ländern des Sultans beschieden waren. Grit 1878 besetzten die Engländer Cypern, während es formell türkisches Gebiet blieb; ein Zwitterzustand, der jetzt eine defintive Aenderung er­fahren soll.

Heiße Tage in der Erde. Wenn im Frühjahr und Sommer außergewöhnlich heiße Tage kommen, sind die Bergleute auf wenig tiefen Gruben froh, wenn sie in die Erde fahren können. Denn angenehme Kühle umfängt sie da unten. Dagegen sind auf den tiefen, heißen Schlagwetterzechen die heißen Tage ganz be­sonders gefürchtet. Die auf solchen Gruben in die Erde kommende Tagesluft dient dazu, die Temperatur im Erdinnern abzukühlen; gibt es doch Zechen, bei denen das Gestein 50 und mehr Grad warm ist. Strömt nun die Tagesluft selbst sehr heiß in die Erde, so ist sie nicht imstande, für genügende Kühlung zu sorgen. Deshalb find an solchen Tagen manche Betriebspunkte reine Bratöfen. Hinzu kommt, daß bei großer Hitze viel weniger Luft als sonst in die Erde gelangt. Dies beruht auf folgendem: Die Luftmenge, die durch das Bergwerk strömt, seht sich aus zwei Posten zusammen, einmal aus der Menge, die durch den Ventilator bewegt wird und zweitens aus dem sogenannten Selbstzug. Der Selbstzug entsteht auf folgende Weise: In gewöhnlichen Zeiten ist die Luft in der Erde viel wärmer als in der freien Atmosphäre. Da heiße Luft viel leichter als falte ist, steigt sie in die Höhe. Steigt nun auf einer Anlage mit mehreren Schächten die warme Luft in einem Schacht etwas mehr wie in einem anderen, so entsteht eine Ver­schiebung des Gleichgewichtes der Luftsäulen. In dem einen Schacht steigt die leichte Grubenluft in die Höhe und auf dem an­deren fällt die falte Tagesluft in die Erde. Dieser Selbstzug ist auf tiefen Anlagen so groß, um pro Minute mehrere tausend Rubikmeter den Grubenbauen zuzuführen.

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Berantw. Nedakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.