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Und wieder später las der bezahlte Sekretär auch die Briefe an Herrn Generaldirektor Weiermann. Auch jene mit" Persön lich!" und" Privat"; Herr Generaldirektor?" fragte der Herr Mittermaier. Alle sehen Sie, Sie sind ein feiner Kopf, und ich, ich habe wirklich keine Zeit."

Während dieses ästhetischen Zwischenspiels diskutierte dittierte feine Briefe an die besten Freunde. Lieber Freund" man auf den anderen Bänken über die Artikel des Sans- dittiert? Das gab teinen schönen Klang. Jedoch, was wollen Sie culotte: Ein Apache", in dem Chaussy die Situng des vorher- er hatte keine Zeit. gehenden Tages interpretierte. Die Feindseligkeit sickerte Briefe alter Kameraden: Herr Mittermaier, bitte schreiben Sie Und wieder eine Weile später hieß es auf die lebenswarmen durch jede Zeile. Eine teuflische Kunst, aus Perfidie, Lüge mal dem Manne da was- was Nettes- Gie verstehen schon­und Fronie bestehend, schilderte die Vergangenheit des An- so recht persönlich.. Und Herr Mittermaier schrieb dem Mann geklagten auf eine Weise, die Lermantes widerwärtig machen persönlich:" Im Besize Ihres sehr geehrten..." Denn Herr mußte. Sein gewaltiger Fleiß war nur Gaunerei, um alle Generaldirektor Weiermann hatte eben feine Beit. fünf Erdteile einzustecken. Die Resultate des Verhörs waren frech von Chaussy gefälscht und die verbrecherischen Absichten des Angeklagten durch das Zeugnis von Herrn d'Entraque so durchsichtig, mit einer solchen Klarheit enthüllt, daß man der größte Einfaltspinsel sein mußte, um noch daran zu zweifeln. Der Apache", der geschickt durch den Bluff seiner Prospekte den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen hatte, verwandelte sich so leicht in einen Mörder, wie die Puppe ein Schmetterling wird, und es kaum selber merkt. Lermantes hätte diesen Schritt leichten Herzens unternommen. Jegt leugnet er die Augenscheinlichkeit mit einem 8ynismus, wie man ihn nie in den Jahrbüchern der Kriminalistik gelesen hatte.

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es so, daß er sie nur beim Mittagessen sehen konnte. Und ich muß So gings mit seinen Freunden. Bei den Seinen aber ging es offen jagen, Generaldirektor Weiermann hat niemals Briefe oder Zeitungen beim Mittagessen in sich aufgenommen. Das Mit tagessen, das gehörte der Familie und den Telegrammen. Erst waren es nicht allzu viele. Ein paar vor der Suppe. Dann drängten sie sich auch zwischen Fleisch und Suppe und hagelten bei Obst und Nüssen. War es da ein Wunder, daß der Generaldirektor Weiermann In den Logen wurde der Artikel mit dem Vertrauen ge- am Ende feine Zeit mehr für das Mittagessen hatte? Er ging au einem tüchtigen Mechaniker. lesen, das die kleinen Leute trot vieler gegenteiliger Erfah- Sagen Sie mal, Bester, könnten Sie mir einen die Kosten rungen dem Gedruckten entgegenbringen. Man las ihn ärger- spielen teine Rolle tönnten Sie mir eine Art Ersatzmann für das lich, entrüstet, auch verwundert, am Tage vorher so schlecht mittagessen konstruieren?" verstanden zu haben, weil man gar nicht den flaren Eindruck Nun ist es eine alte Sache: Wenn das Geld teine Rolle spielt, wie jetzt hatte. Man las jeden einzelnen Sab, mit dem schnell so tann man alles konstruieren. erregten Zorn der Menge gegen einen Angeklagten, empört über die Langsamkeit der Bestrafung und voller Mißtrauen gegen eine Gerechtigkeit, deren Schwert zu schlagen zögerte. Die Leute auf den reservierten Pläten lasen die beißende Rede, ohne ihr zu viel Glauben zu schenken, doch empfanden fie dabei ein boshaftes Vergnügen, das aus blafierter Gleich gültigkeit, Steptizismus, Bitterkeit und Grausamkeit gemischt mar. Der aufdringliche Valens fuchte den Artikel Frau d'Entraque unter die Augen zu halten, und sagte in schaden­frohem Tone:

Sehen Sie, gnädige Frau, das Zeugnis Ihres Mannes ist die Hauptsache. Chaussy sezt das in der zweiten Spalte sehr gut auseinander."

Sie stieß die Zeitung zurück, und die Antwort, die wie ein Schrei flang, verdugte ihn.

Ich glaube nichts von diesen Gemeinheiten!" D'Avoise und Choffart delektierten sich. Solche Skandale schadeten der Regierung. War auch Zermantes nicht Mitglied des Parlaments, so waren an seinen Geschäften viele Bar­lamentarier beteiligt, und sie wurden durch seine Enthüllungen getroffen. Wenn auch Chaussy selbst zweideutig war, so diente er doch der guten Sache, indem er diesen Elenden an den Pranger stellte.

" Ja," sagte ernst d'Avoise, Chaussy arbeitet für uns." ,, Sie können beruhigt sein, er arbeitet zunächst für sich selbst," sagte ein Nachbar, den er nicht kannte.

Broz hielt Crevola, der mit dem großen Kunsthändler Cormoret gekommen war, die Zeitung hin. Suerst lehnte dieser ab, weil er nie Zeitungen las.

( Fortsetzung folgt.)

Keine Zeit.

Von Frih Müller.

Der Generaldirektor Weiermann hatte keine Zeit. Der Generaldirektor Weiermann war zeitlos. Zeitlos nicht im ewigen Sinne, sondern zeitlos im irdischen Sinne.

Der Generaldirektor Weiermann war ein mächtiger Herr. Fünfzigtausend Leute standen unter ihm. Sein Name hatte einen Schwung und einen Hammerschlag weitum im Land. Aber, aber er hatte teine Zeit.

Der Generaldirektor Weiermann war eine Säule in der deut­schen Volkswirtschaft. Seine Tatkraft stampite Riesentrusts aus dürrem Boden über Tag und unter Tag, im Eisen, in der Kohle. Aber, aber er hatte teine Zeit.

Der Generaldirektor Weiermann warf die Fäden seines Wirt­schaftsnetes übers Weltmeer. Schulen schuf er, Bibliotheken warf er übers Land, und an der Spipe großer Menschlichkeitsideen stand er. Aber, aber er hatte keine Zeit.

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Es war schon eine Weile her, da schrieb der Generaldirektor Weiermann noch eigenhändig Briefe an die guten Freunde. Und in jedem Briefe lag ein Stück von seiner großen Seele drin. Dann brängten Pläne und Entwürfe. Und Generaldirektor Weiermann

Also saß alsbald ein ordentlicher Ersazmann für den General­direttor an dem Mittagstisch und für ihn. Denn der General­direktor hatte wirklich feine Zeit."

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Und so war ja alles gut. Auch die Familie war für das erste Erfahmann ab. Dann aber tamen sie begehrlich, wie nun Kin­zufrieden. Ganz wie Vater", sagten feine Kinder, während der der einmal sind und wollten auch noch haben, daß das Ding an ihrem Tische spräche.

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Wieder ging der Generaldirektor zu dem tüchtigen Mechaniker für die Seinen war ihm nichts zu viel- und sagte:

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" Hören Sie mal, Bester, mein Ersakmann soll auch sprechen das Geld spielt keine Rolle, Sie verstehen."

mus in das Innere des Erfahmannes. Der funktionierte wunder voll. Das sprach und sprach und wurde niemals müde, auf irgend eine Frage eine Antwort zu erteilen:

Der Mechaniker verstand und konstruierte einen Sprechaniz

,, Ach sieh, Mama, ach sieh, so viel und so geduldig hat der Bater nie zu uns gesprochen!"

Das Herz fehlt, das Herz bei Eurem neuen Vater." Ach Mutter, weißt Du, wir wollens einmal dem Herrn Mittermaier sagen."

es zwischen zwei Attiengesellschaftsgründungen in einer gestohlenen Und sie sagten es dem Herrn Mittermaier. Und dieser trug minute dem Herrn Generaldirektor vor.

" Das Herz?" murmelte der, das Herz?- Herr Mitter­maier. Der Aufsichtsrat des neuen Trusts steht vor der Tür. Ich habe nicht viel Zeit. Machen Sie mal heute nachmittag die Sache ab mit dem Mechaniker, nicht wahr?"

Und Herr Mittermaier machte die Sache mit dem Herzen ab bei dem Mechaniker. Es war eine verteufelt schwere Sache, das ist wahr. Indessen, da das Geld nicht die geringste Rolle spielte....

Die Jahre famen und gingen. Riesengroß erwuchs das Werk des Generaldirektors Weiermann und überschattete die Länder. Hunderte von Stahlwerken schrieben nächtlich seinen Riefennamen rot in dunkle Wolfen. Den Industriekaiser hießen sie ihn aller­orten und den mächtigsten Mann der Erde.

Auf diesem Höhepunkt seines Ruhmes fand ihn sein Jubiläum und sein weißes Haar.

Als das Fest vorbei war, an dem die Großen der Erde seinem Werte huldigten, ging der Generaldirektor seinen alten Eisenschritt in das Bureau.

Auf einmal zitterten ihm die Knie. Auf einmal warf eine alte Erinnerung die sonderbare Haube über ihn, die alles klein und nichtig scheinen läßt, was man besitzt, und riefengroß, was man verloren hat. Und seine alten Füße gingen einen lang vergessenen Weg über Höfe, Straßen, Gänge, hinein in ein stilles, trauliches Zimmer, in welchem eine Frau, ein Mann und Kinder um eine Lampe saßen und sich freundlich unterhielten.

Es war schon eine alte Frau und fast erwachsene Kinder. Fragend jah ihn die Frau an. Sie tannte ihn nicht. Scheu sahen ihn die Kinder an. Sie kannten ihn nicht.

er

Sie, Herr! Was wollen Sie im Kreise meiner Lieben!" rief den Mann an, der bei ihnen saß.

Und der Mann wandie ihm ein Gesicht zu, das er fannte. War das nicht der Ersatzmann, den er vor langer, langer Zeit einmal bei einem Mechaniker

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Machen Sie, daß Sie fortkommen. Sie Automat, verfluchter!" Sie irren, Herr, ich bin fein Automat, ich habe eine Seele, und ich habe Menschen, die mich lieben." Und der Zitternde sah in ein von jahrelanger Liebe überstrahltes Antlik.