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Erde leben und er tut es doch und gründet, bohrt und gräbt in der Tiefe, der Mensch kann aus eigener Kraft sich nicht über den Boden aufschwingen und er tut es doch und er türmt seine Bauten fast bis in die Wolfen hinein. Die beflügelte, nicht an die Erden­schwere gebundene Phantasie lockte den Menschen hinab und hinauf und bald ward es die Notwendigkeit, die ihn zwang, das zu tun, was die Natur nicht vorgesehen hatte.

Bautechnische Wunderwerke und Unfallstatistiken erzählen von den Resultaten. Jene als Zeugnisse des Bauwillens und der ihm immanenten Energie, diese als Zeugnisse der Opfer, die dem Bau­willen gebracht werden. Auf 1000 Vollarbeiter im Baugewerbe tamen 1911 10,24 Unfälle und 0,85 tödliche Verlegungen, auf 100 Bauarbeiter also ein Opfer. Diese Zahlen jagen, daß die Bau­arbeit über den Durchschnitt der allgemeinen gewerblichen Arbeit gefährlich ist, und sie begründen die Notwendigkeit, nicht nur an das Bauwerk selber zu denken, sondern auch und nicht zuletzt an Leben und Gesundheit der Arbeiter, die das Bauwerk schaffen. Sie ver­langen neben der aufs höchste entwickelten Bautechnik auch den in möglichster Vollkommenheit ausgebildeten Bauarbeiterschutz.

Körper dadraußen wie frei in der Luft auf einem Eisenträger balancieren und ein anderes schweres, an Ketten hängendes Eisen. stück lenken. Wieviele von diesen Menschen während des Baues in die graufige Tiefe sausen, sagen uns die Abbildungen nicht, und vielleicht ist der, den wir eben im Bilde bewundern, schon einer von denen, die das stolze Bauwerk mit ihrem Leben bezahlen. Hier aber steht das Resultat schwarz auf weiß unter den Abbildungen. Tot, tot, tot! Wahrhaftig, es wird nicht viel Ingenieurbauten geben, die nicht auf vergossenem Menschenblut gegründet sind.

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Die Holzarbeiter führen uns in ein anderes Reich; sie zeigen uns die Tücke ihres eisernen Sklaven, der Holzbearbeitungs­maschine. Hände! Das vollkommenste Werkzeug, das die Natur geschaffen hat; in vielen Gliedern beweglich, gele akig, mit den ver schiedensten Muskelkraftwirkungen ausgestattet, elastisch, fest, zähe, geschmeidig, mit den feinsten Nerven des Tastsinns, des Gefühls durchwoben, die Urwaffe des Menschen und der willigste und ge= schickteste Helfer des Intellekts, dabei auch in der gröbsten Form noch von eigenartiger sachlicher Schönheit was kann die Maschine aus diesem edelsten aller Werkzeuge machen! Formlose Stumpen und Klumpen, verzerrt und zernarbt, alles organischen Zweckfinns beraubt, fein Werkzeug mehr, sondern ein nußleses, mehr hinder­liches Anhängsel das zeigen uns die Photographien von zer­riffenen Händen, die da in monotoner Reihe an den Wänden hängen. Es muß auch das nicht so sein! Die gefräßigsten Holz­sehen werden, auf daß sie nicht auch Menschenfleisch fressen; wie das zu geschehen hat, zeigt uns ein Mustermaschinenraum, in dem auch der andere Feind des Maschinenarbeiters, der Staub, durch Ab­saugungsvorrichtungen unschädlich gemacht ist. Wie es in Wirk­lichkeit aber noch in vielen Fällen ist, das führen Photographien von Arbeitsstätten vor, in denen solche Maschinen arbeiten und die Luft mit Schwaden undurchsichtigen Staubes erfüllen. Die durch die Maschine in größerer Fülle als die Handarbeit geschaffenen Abfallp: odukte sind Gefahrenquellen besonderer Art. Die feinen Partitel schädigen wegen ihrer besonderen scharfen Form den Organismus des Arbeiters; aber auch als Material können sie von äußerster Schädlichkeit sein. Viele Holzarten, namentlich aber die erotischen, die bei dem Materiallugus, den unsere Zeit liebt, viel verwendet werden, enthalten schädlich wirkende Bestandteile, ja manche erotische Hölzer sind direkt giftig. Werden nun die Abfälle nicht gleich von der Maschine weggesaugt, so muß der Arbeiter ihre feinsten staubartigen Partikel einatmen, und es entstehen dann die inpischen Staublungen, die die Gewerbehygiene schon beim Kohlen­gräber, beim Stahlschleifer, Steinarbeiter, Porzellanarbeiter usw. fennt, und die der Tuberkulose und anderen schweren Kankheiten den Weg bereiten.

Es kann keine Ausstellung geeigneter sein, die Forderung nach dem Bauarbeiterschutz besser zur Geltung zu bringen, als eben eine Baufach- Ausstellung. Wohl ist diese Forderung reichlich genug in der Presse und in besonderen Publikationen erhoben und begründet worden, wohl beschäftigt sie auch die Parlamente und die Gewerk­schaftskongresse und die Bauarbeiterversammlungen, wohl arbeiten bearbeitungsmaschinen können mit Sicherheitsvorkehrungen ver­in dieser Sache eine zentrale Bauarbeiterschußkommission und viele örtliche Kommissionen gleicher Art und auch die Ständigen Aus­stellungen für Arbeiterwohlfahrt in Charlottenburg   und München  zeigen an Beispielen und Modellen, welcher Art die Forderungen nach einem besseren Bauarbeiterschutz sind. Aber es ist all diesen Einrichtungen nicht möglich, das zu zeigen und zu sagen, was hier an der von den Gewerkschaften errichteten Sonderaus stellung des Bauarbeiterschutes einmal dem großen Publikum, dann aber den Baufachleuten, vom Bauarbeiter und Bauhandwerker selbst bis zum Baudezernenten und Ministerialreferenten vorge­führt werden kann: nämlich, wie es ist und wie es sein sollte, und vor allem, sein könnte! Eine Sonderausstellung dieser Art war schon 1911 von den Gewerkschaften für die Internationale Hygie­nische Ausstellung vorgesehen, aber es war nichts daraus geworden, meil man dort die Heimarbeiterausstellung nicht haben wollte, die die Gewerkschaften geplant hatten. Aus der weitgreifenden Ver­urteilung jener Dresdener   Engherzigkeit hat man wohl in Leipzig  gelernt, und die Ausstellungsleitung war es selbst, die die Gewerf schaften drängte, den Bauarbeiterschutz auf der Baufach- Ausstellung praktisch an Anschauungsbeispielen zu demonfirieren.

So entstand in eigener Regie der Gewerkschaften ein mehr­Stöckiger Bau, der außen bis zum Dach hinauf die besten und sicher- An diesem Punkte nun findet die Sonderausstellung der Ge­ften Gerüftformen zeigt und in seinen inneren Räumen vor allem werkschaften ihre Fortsetzung in der wissenschaftlichen Abteilung die Ausstellungen der Holzarbeiter und Metallarbeiter birgt. An für Arbeiterversicherung und Arbeiterschutz, dieser Sonderausstellung sind beteiligt die Zentralverbände der namentlich in der Gruppe Unfallverhütung und Bauarbeiterschutz, Bauarbeiter, Zimmerer, Dachdecker, Glaser  , Töpfer, Maler, Holz- dic auch Schutzvorrichtungen an Maschinen zeigt. Die Bauarbeiter­arbeiter, Metallarbeiter, Steinarbeiter und Steinseher. Außer den hygiene ist in einer besonderen Gruppe zusammengefaßt, und an Außengerüsten sind auch in einigen Räumen Zimmergerüste auf ihr sind die physiologischen, hygienischen, pathologischen und gerichts­gestellt; ob das Gerüst für Maler praktisch ist, möchte ich bezweifeln. ärztlichen Institute der Universitäten zu Leipzig  , Halle, Berlin  , Dann sind neben dem Gebäude noch einige andere Erfordernisse Marburg   und Bonn   beteiligt, ferner das Institut für Gewerbe­des Bauarbeiterschußes demonstriert, die nicht direkt der Bauarbeit hygiene in Frankfurt   a. M., das Arbeitermuseum in München   und dienen, aber unerläßlich sind, um die Bauarbeiter in den Bausen eine Anzahl medizinischer Fachmänner. Es werden hier die Staub­oder bei der Arbeit vor der Witterung zu schützen; eine Musterbau- sorten in ihren giftigsten Arten gezeigt, ferner, wie sie in den bude, die zusammenlegbar ist und die mit ihren Herstellungskosten Störper gelangen und zu welchen pathologischen Erscheinungen sie so genau festgestellt ist( 1500 m.), daß jedem Einwand, das sei zu da führen, durch Abbildungen oder Wachsmodelle oder auch durch teuer, damit begegnet werden kann. Bei nur zehnmaliger Benußung natürliche Präparate. Es ist dann weiter demonstriert, in welchem einer solchen Baubude kommen auf jeden Bau nur 150 M. Die Zusammenhange mit diesen Staubwirkungen die Tuberkulose steht. widerhaarigsten Zweifel und Bedenken siten ja immer im Geld- Dann lernen wir eine Reihe von Infektionskrankheiten der Bau­beutel verkrallt, und es ist ganz gut, wenn man ihnen ihre Schäbig- arbeiter kennen, den Starrkrampf, die Eitererkrankungen und Blut­feit sofort am Rechenerempel nachweisen kann. Die Baubude illu- vergiftungen. Natürlich sind auch die gewerblichen Vergiftungen striert natürlich die besonderen Forderungen der Bauarbeiter: duch Koksfeuer, Leuchtgas, Sumpfgas  , Blei und Bleiprodukte und trockener Fußboden, Scheuerbarkeit, Heizbarkeit, Koch- und An- Arsen in ihren Wirkungen dargestellt. Die Nervenschädigungen, wärmgelegenheit für mitgebrachte Speisen, Trockengelegenheit für die aus Unfällen sich ergeben, sind eine besondere Klasse der naffe Kleidung, verschließbare Kleiderschränke, Sanitätseinrichtun- Arbeitsgefahren beim Bau, besonders auch deshalb, weil sie im Ber­gen für Unfälle usw.; Geräte und Materialien sollen in einer sicherungsverhältnis am meisten umstritten sind. Die Hautver­selchen Baubude nicht aufbewahrt werden. Die Steinseher stellen letzungen, die aus Unfällen und aus gewerblichen Vergiftungen eine fahrbare Baubude aus. Auch die Abortverhältnisse auf den entstehen, sind durch Modelle und Abbildungen erläutert, und auch Bauten sind überaus verbesserungsbedürftig; wie das zu geschehen das noch viel zu wenig erforschte Gebiet der Schödlichkeit der Baus Hat, kann durch zehn Beschreibungen nicht so gut gezeigt werden, arbeit für das Sehen und Hören ist bearbeitet. Der Einfluß der wie hier an praktischen Beispielen. Die Steinarbeiter haben eine Witterung, der ja gerade durch vernünftigen Bauarbeiterschuh. Arbeitsbude aufgestellt, die den hygienischen Forderungen ihres Be- durch Baubuden, dichte Gerüste, Fenstereinsatz in Neubauten usw. rufes entspricht. In den Außengerüsten, die natürlich mit Schuß- unterbunden werden soll, konnte hier nur in seiner Beziehung zur geländern, Fanggerüsten, festen und gesicherten Leitern usw. ver- Lungenentzündung behandelt werden. sehen sind, ist auch ein elektrischer Materialaufzug eingebaut.

Die Metallarbeiter bringen die Gefährlichkeit der Montage an den eisernen Bauwerken zur Anschauung, zum Teil in photographi­schen Diaphanien, zum Teil in Statistiken, aber auch an einem Gerüstmodell, an dem sie zeigen, wie mittels fahrbarer Gerüste die Montagearbeiten gefahrloser gemacht werden können. Vielleicht würde man aus den Bildern die Gefährlichkeit solcher Arbeiten allein noch nicht erkennen, denn bequem und vollständig gefahrlos wird die Arbeit am Bau vielleicht nie werden. Und diese Bauwerke, so hoch und kühn sie auch konstruiert sind, sind doch immer noch feine amerikanischen Wolkenkraber, die auch bis in schwindelnde Höhen hinauf ohne besondere Gerüste gebaut werden. Aber wenn wir von denen Abbildungen sehen, so bewundern wir nur diese Arbeiter mit den scharfgeschnittenen bartlosen Gesichtern, deren geschmeidige

Statistische Aufstellungen versuchen Aufschlüsse zu geben über den Zusammenhang zwischen Arbeitslohn und Ernährungsart des Bauarbeiters, und in einer besonderen Gruppe werden die Alkohol­schäden bei Bauarbeitern zum Gegenstand der Darstellung gemacht. Die erste Hilfe in Unglücksfällen hätte etwas reichlicher be­handelt werden können, denn gerade im Bauarbeiterschutz liegt hier noch vieles im Argen, auch wenn sonst der beste Wille vorhanden ist. Abgeschlossen wird das Gebiet durch die Sonderau 3= it e Ilung der Deutschen Arbeiterversicherung, die ebenfalls Bilder über Unfallverhütungsmaßregeln bringt, leider aber eben nur über 1000 Bilder, die selten jemand mit anhaltendem Interesse durchschen wird. Einige Baugewerksberufsgenossen­schaften zeigen noch Modelle von Baurüstungen, wie fic örtlich ver­schieden sind; die Ansichten über die beste Art gehen hier zwischen