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feinem eigenen Weltbild, unabhängig von Marktgängigkeit feiner) Das Jdeal des von Wagner herkommenden deutschen Musik­Bücher: dieses Elend ist groß, historisch, traditionell. Dieses Elend dramatikers wäre es natürlich, in eigener Person Dichterkomponist, wird oft stumm gelitten. Ruhmlose Helden sind seine Träger. Die Szeniker und Vortragsmeister seiner Erlösungsdramen zu sein. am Wege sterben! Nur selten bricht ein lauter Schrei der Empörung Pfißner inszeniert seine Opern wohl selbst und ist auch ein vor­durch das Gewühl des Alltags. trefflicher Stillehrer, aber die Opernbücher hat er bis jetzt nicht

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Die ausgleichende Gerechtigkeit verlangt, daß Jdealismus und irdische Not im rechten Verhältnis stehen. Luna Walzer"- Kom­ponisten brauchen nicht zu darben. Aber der Schöpfer des Armen Heinrich" mußte jahrelang als vierter Kapellmeister unbesoldet am Mainzer   Stadttheater fronden. Doch halt, sein Lohn war ja die ab­gediente Uraufführung seines Lebenswertes.

Ich weiß mir ein noch viel größeres Elend als das Dichter- selbst geschrieben. Das besorgte ihm James Grun  , ein an nd Schriftstellerelend. Das ist das Elend des deutschen   Wagners Heilslehre, an Wagners Stabreimen, an Wagners Ueber chaffenden Musikers! Die Geschichte der deutschen Ton- schwang und schlechtem Deutsch, an Wagners mythischem Empfin - von dem Kunstpatrioten stets mit Oberlehrerpathos ge- den, leider nicht an seiner unvergleichlichen Kunst des Baus, der briefen ist ein einziger Beweis dafür, daß sich musikalisches Entwicklung, Steigerung und Höchstspannung einer Szene ge­Genie und Hunger reimen. Jeder Große hat eine entsetzliche bildeter Schotte. Er stand und steht aber in einem viel innigeren Zeit hinter sich gehabt, viele find, von der zwiefachen Flamme Verhältnis zum Musitdrama, zur Mufit, zum Komponisten, als chaffender Begeisterung und darbender Not zu schnell aufgezehrt, etwa der waschechte aber engbegrenzte Wagnerianer Spord zu einem Alter gestorben, wo der Bourgeois und Bureaukrat Cyrill Kistler  ( Kunihild) und Schillings( Ingwelde, Pfeifertag). erit zu leben beginnt. Die Namen Beethoven, Mozart  , Schubert, Ja man kann sagen, es gibt kaum ein innigeres Seelenbündnis Weber, Cornelius, Lorging, Wagner, Hugo Wolf, so leuchtend sie in zwischen Wort- und Tonkunst als gerade im Armen Heinrich". der Geschichte des enropäischen Geistes flammen, sie sind Schand- Unlösbar durchdringen sich hier zu einer höheren Einheit die dichte male für die Nation, die gleichgültig diesen Schöpfern unendlicher rischen und die musikalischen Elemente. Wo Grun   dem Wort ge­Schönheit und Größe gegenüberstand, die es in der Feudalzeit ehr dankliche Schärfe gibt, grübelt auch der Komponist, wo er ihm geizigen Fürsten, in der bürgerlichen Epoche reichen Kunstfreunden freie Bahn läßt zu lyrischen oder leidenschaftlichen Entladungen, überließ, für die zu sorgen, deren Schaffen sie für überflüssiger da schlägt die befreite Musik jubelnde und stürmische Wellen aus empfand, als die ungestörte Produktion von Konsumgütern". dem reichen, komplizierten Orchester und reißt wie in der groß­artigen Erzählung Dietrichs von der Alpen Herrlichfelt, von Jta­liens lachenden, sonnigen Fluren jeden fort, der Phantasie und Herz hat. Der Ibsen- Wagnerische Grundgedanke des Dramas ist: schon der Wille zum Opfertod erlöst. Die blonde zarte Agnes, des Knappen Dietrich Tochter, halb Kind noch, halb zur Liebe erwachte Jungfrau( wie Kleists Kätchen), ist wie Senta, wie Elsa, das Symbol der deutschen Jungfrau, stets bereit, den Geliebten zu erlösen. Durch Hingabe, durch ihr Blut und Leben. Das macht ahnen und erschauern. Das gehört in romantische Ritterbücher und ins Wunderland der Oper. Im Leben, im merkantil- nüchternen avanzigsten Jahrhundert des bürgerlichen Heiratsmarkts, gibts so was nicht mehr. Heute verstehen es die Jungfrauen und Halb­jungfrauen ganz gut, sich selbst zu erlösen. Aber als Vorwurf für einen idealgesinnten 24jährigen Wagnerianer konnte dieser Stoff das Letzte, das Höchste an seelischer Empfindung und Leidensselig. feit aus der Brust eines deutschen Komponisten reißen, der das Opfern und Leiden von Berufs wegen gewöhnt war. Die sogenannte Bühnenwirkung des Heinrich- Dramas? Sie beruht einzig auf dem dritten Aft, dem Aft des Wunders in Sa­ lerno  : Der willenskrante, im letzten Augenblick zur Besinnung von Agnes ungeheurem Liebesopfer gelangte Ritter   reißt sich empor und fällt dem Arzt ins Messer. Hier werden auch die gepact, die im Theater leider das bestimmende Wort führen, die Lauen und Gleichgültigen, die nur flatschen, wenn ihre Bedürfnisse nach Handlung", nach finnfälliger Bildwirkung, nach Instinktbefriedi gung, furz: nach Grobem, Aeußerlichem gestillt wurden. Die die tiefsten Absichten des Künstlers immer übersehen und mißver­stehen. Die vielleicht der herrlichen, in schöner Ton- Plastik breit und stolz vorüberziehenden Dietrich- Erzählung im ersten Aft folgen können, aber der abgründigen Seelen- Mystit des zweiten Altes gegenüber, der nichts wie den Opferentschluß Agnes den Eltern fündet, achselzudend sagen: Hier geht ja nichts vor!"

Job meine Hans Pfizner, den idealsten deutschen Ton­dichter seit Wagners Tagen. Wenn einer, so hat er das Elend des schaffenden Mufilers bis zur Neige austosten müssen. In Berlin   N, in der bekannten Dachfammer, wo alle revolutionären Geister der 80er und 90er Jahre hausten, lebte auch er von Stundengeben bei den zahlungsfähigen Dilettanten, lebte er von dem geistigen Zünd­stoff aufwühlender Gespräche mit den kommenden Männern der lite­rarischen Revolution, lebte er von den leidensvollen Gestalten aus dem deutschen Mittelalter, die der 24 jährige als Berliner   Bohème 1893 in eine Opernpartitur bannte, die als Kunstdokument wie als Dokument einer tragischen Weltanschauung Wert behalten wird, wenn auch ihr Lebensweg an den heutigen deutschen Operntheatern, die Wagner, Buccini und Rich. Strauß fast restlos beherrscht, noch so Dornenreich ist und sein wird.

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Ehe wir weiter auf Pfigners Lebenswert, denn das ist dieser so früh gelungene einzige große Wurf( ein Analogon in diesem Sinne an Schillings Ingwelde", zu Mascagnis Bauernehre"), zu sprechen kommen, mögen den Leser den Leser ein paar Daten aus Pfigners Leben und Schaffen interessieren. Bon deutschen Eltern wurde Pfigner am 5. Mai 1869 in Moskau   geboren. Sein erster Lehrer war sein Vater, der Musikdirektor und Geiger am Frankfurter   Stadttheater war. Hier wurde er Schüler am Hochschen Konservatorium, mit 23 Jahren aber schon Lehrer feiner Kunst an der Musikschule in Koblenz  . Schon 1893 gab er ein von der schwerfälligen Berliner   Zunfttritit unbeachtetes Kompofitions­fonzert in Berlin  , kam dann als junger Kapellmeister nach Mainz  , Wo in neudeutscher Musik ist die künstlerische Ausdrudskraft, wo Mufiler wie Humperdinck  , Batka, Steiniger auf ihn auf die unerschütterliche Ausdrucks wahrheit des merksam machten, und konnte dann 1898 als Lehrer am Stern- Schmerzes so groß und tief, so echt, so bohrend, so wühlend, fchen Konservatorium, später als Kapellmeister am Theater des vernichtungsseelig wie hier am Schmerzenslager des fiechen Ritters Westens den heißen Boden Berlins   wieder betreten, den er ein aus dem alten Epos Hartmanns. von der Aue? Wo, wenn nicht frühreifer Jüngling enttäuscht, pessimistisch, mit dem unheilbaren im Tristan, dem großen Vorbild auch dieses Erlösungsdramas? Keim tragischer Erkenntnis und Durchdringung des Seins, vor Gemäß seiner angeborenen, das trübe Weltbild sücht'gen Blids wenigen Jahren verlassen hatte. Seine vielseitigen Fähigkeiten als umfassenden, tragisch- pessimistischen Natur konnte Pfitzner, dem schaffender Mufiter, als Lehrer der Kompositionskunst und des zum vollkommenen Musikdramatiker vielleicht nur der Mangel dramatisch musikalischen Vortragsstils, als Konzertdirigent und straffer Konzentration fehlt( das trat auch in der romantisch- mysti­routinierter Theaterkapellmeister, als feinsinniger Klavierspieler und schen Rose vom Liebesgarten" deutlich zutage), seiner Senta" Liederbegleiter fanden nur ganz fachte und allmählich Anerkennung bei( Agnes), feinem Tristan"( Heinrich), seinem treuen Snappen den maßgebenden Stellen nicht bei der großen Massen der Neu- Norwenal"( Dietrich) schier unerschöpfliche Tränenfluten, breiteste gierigen, Lauen, Trägen und Oberflächlichen, die den eigentlichen Tages- Entladungen schmerzlichsten Fühlens auf den Lebensweg geben. erfolg machen können und so erhielt figner 1908 die Berufung Eine so ungeheure Intensität tragischen Empfindens( wobei nur nach Straßburg  , wo er heute auf einem für ernste deutsche Musit zu oft die Instrumente des Orchesters die Träger und Vermittler nicht ganz günftigen Boden wirkt als städtischer Operndirektor und der Empfindung sind statt der Menschenstimme; Prinzip: Orchester­Leiter des Konzertwesens. Endlich konnte er aufatmen, endlich war oper!), daß es hier in der Tat wie oft bei Wagner auch Szenen er materiell geborgen, endlich kamen Erfolge und Anerkennungen. gibt, die durch die festgehaltene innere Spannung die Seele zer­Die Konzertfänger trugen einzelne( immer dieselben!) seiner schönen, malmen können. tief empfundenen, dem Gedicht mit starfem, tonpoetischem Fühlen abgerungenen Lieder aufs Podium; die Kammermusikvereinigungen spielten feine Cellosonate, sein Trio, das Streichquartett, das große Klavierquintett, lanter Schöpfungen, in denen ein echter Musiker Seelengebilde laut werden läßt, oft originell, genialisch, manchmal gequält grüblerisch, eigensinnig verbohrt, nie bereit zu Konzeffionen an die musikalischen Philister und Normalbürger.

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An dramatischen Werken hat Hans Bfißner, der kein Biel­schreiber ist, bis jetzt folgendes veröffentlicht: die beiden großen Musitdramen Der arme Heinrich  " und" Die Rose vom Liebesgarten  "( Elberfeld   1901 Uraufführung), das Weih­nachtsmärchen Christelflein"( München 1906) und die in Konzertfälen öfter in Bruchstüden gespielten Bühnenmusiken zu Ibsens   est auf Solhaug" und Kleists Rätchen von Deilbronn". Der Gestalt des zarten, traumfeligen, im finn­lich- überfinnlichen" Trance" dem harten Ritter folgenden Kätchen verlieh er Züge voll Innigkeit und keuscher Lyrik, wie sie auch Agnes im Heinrich- Drama so rührend zeigt.

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Die andere Seite der Medaille! Haben die ernsten deutschen Operbühnen eine moralische Verpflichtung den beiden Musik­dramen eines tragischen Idealisten gegenüber, gut, so mögen sie durch würdige Aufführungen diese Verpflichtungen einlösen. Aber ich fürchte, sie werden es nicht tun. Die Geschichte des Armen Heinrichs", der nirgends eine bleibende Stätte fand, lehrt das. Will man lieber das. Original, den Tristan, als die geniale Kopie hören? Will man keine Elendsbilder auf der Opernbühne sehen? ist es das Uebermaß an Bathos   und Tragit, dessen man satt ist? Niezsche, der große Kämpfer gegen alles Kranke, Müde, Ueber­kultivierte in der Kunst, rät in solchem Fall: schleunigft heimautehren. Wohin?

Zu menschlicheren Stoffen, zu schlichteren, einfacheren, gefün deren Musiken! W. M.