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So!" Und nun begann der Maurer: Willst du Lakai werden] oder Kellner und Bücklinge machen. Geht, ihr seid beide SchafsTöpfe, Riesenschafstöpfe."
Wieso-?" Der Seiler begann zu hüpfen und der Messerschmied machte ein ernstes Gesicht.
Wieso, das werde ich euch beweisen. Wenn ich heute nicht arbeite, was man mir vorlegt, habe ich morgen nichts zu essen. Und wenn ich morgen nichts zu essen habe, muß ich auf die Landstraße und betteln, was bekanntlich niemals würdig war und wahrscheinlich deshalb bon der Polizei verboten ist. Falls man aber Glück hat, nicht erwischt wird und länger als acht Wochen eure Propaganda der Tat betreibt, nennt das der Gendarm Landstreicherei, und ihr fliegt so ein wenig in den Kasten, wo ihr eure Philosophien in aller Ruhe weiterspinnen könnt, sofern euch Koft und Wohnung so besonders behagt. Ich werde, das kann ich euch schwören, in Köln Arbeit annehmen und wenn es an einem Kirchenbau, Zuchthaus oder an einer Kaserne sein sollte."
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Bis zu einem gewissen Grade hat er ja recht," fiel bedenklich der Seiler bei. Man befindet sich hier in einer Zwidmühle, und fo ist es immer gewesen. Wenn man ein idealer Mensch ist oder sein will, tommt man zwischen die Buffer." Dabei trat er aus einen Spigen Stein und sprang in die Höhe wie ein Frosch. Sie gingen eben über eine Brücke, unter der ein klarer Wiefenbach dahinmurmelte. e
Hier werde ich meine Füße baden," rief der Seiler, und wenn zehn Schußmänner fommen." Sie sprangen alle drei hinunter und hingen ihre staubigen Füße ins flare Wasser, wuschen ihre Strümpfe und Hemden, kletterten dann empor auf einen Hügel und legten sich samt ihrer Wäsche in die Sonne und schliefen ein.
Gegen Abend wanderten sie ins heilige Köln . Nahe beim Eigelstein sah der Seiler einen Seilerladen und ging hinein. Als er wieder herausfam, sagte er freudestrahlend: Gottlob, die Zeit des Hungers ist vorbei. Von morgen ab werde ich wieder Stride und Beitschenschnüre drehen." Dann nahm er gleich Abschied von feinen Kameraden. Der Maurer sagte noch:" Dreh Stricke und hänge dein verrücktes Jdeal daran auf." Nein," fagte der Seiler, das nicht. Wenigstens brauche ich hier keine Galgenstride zu drehen für den garen."
Dann verschwanden die anderen beiden.
Sepp, der Seiler, dreht wieder Stride, fang und pfiff, schaffte fich eine Liebste an, die nachher dennoch einen anderen heiratete. Als bald darauf sein Meister sich an einem eigenen Strick aufhing, heiratete er die verlassene Meisterin, drehte und verkaufte Glocken feile, und wenn einer Stride bei ihm faufte, frug er nie, ob er sich damit aufhängen wolle oder ob fie für den 3aren wären.
Der Maurer half den Kölner Dom renovieren und der Mefferschmied kam bald zum Militär, wo er in die Militärwerkstätte gestopft wurde und Bajonette schmiedete.
Im Zeichen der fauren Gurke.
Von Dr. J. Stanjet.
Die große Hiße der Hochsommertage legt natürlicherweise sem öffentlichen Leben und dem Erwerbsleben, damit also auch dem taufmännischen Leben, große Beschränkungen auf. Wer es fich irgendwie leisten kann, der entflieht aus der Stadt mit ihren sonnendurchglühten Häusern und Straßen in Gegenden, deren Lage im Gebirge, in einer Waldgegend oder an der See ihm einen fühleren Aufenthalt bietet. Das Geschäftsleben wird dadurch in den Städten und besonders in den Großstädten auf das empfindlichste beein trächtigt, da gerade die kauffräftigsten Kreise der Kundschaft fehlen. Aber auch in den kleineren Städten macht sich die sommerliche Stille in dieser Zeit geltend; hier geschieht dies freilich aus einem anderen Grunde. Die Landwirte sind derartig durch die Erntearbeiten in Anspruch genommen, daß fie feine Zeit haben, nach der Stadt zu kommen. Schon im Mittelalter machte sich um diese Zeit eine sehr empfindliche Geschäftsstille geltend. Die Ursache lag hauptsächlich darin, daß zu Jakobi, am 25. Juli, das gesamte im Umlauf befind liche Geld eingezogen wurde und durch neu geprägtes Geld erseht werden mußte. Das älteste geprägte Geld in Deutschland war der Pfennig, der eine Silbermünze darstellte; bei der schlechten Beschaffenheit dieser ersten Pfennige und bei den Gewichtseinbußen, die sie durch gewaltsame Beschädigungen, Anfeilen usw. zu erleiden pflegten, hatten die Besitzer des alten Geldes erhebliche Verluste zu gewärtigen; man hielt also in der Zeit vor Jakobi mit seinen Einfäufen zurück, bis der neue Münzfuß festgesetzt war und die Preise dementsprechend bemessen werden konnten. Nach Jakobi entwidelte sich ein um so lebhafterer Geschäftsverkehr; die Märkte und Meffen, die im Spätsommer und Herbst stattfanden, erfreuten sich dann eines besonders starten Zuspruchs. Das Münzelend erreichte bald dadurch sein Ende, daß man zur Prägung der sogenannten ewigen Pfennige schritt, die dem jährlichen Umtausch nicht unterlagen, man behielt aber auch später die Termine der Märkte und Messen bei; dazu machten sich dann noch andere Ursachen geltend, die der sommerlichen Geschäftsstille ihre Fortegiftena ermöglichten, ja fle noch verstärkten.
Wir können also die Sauregurkenzeit bis tief ins Mittelalter hinein verfolgen, wenn auch der Name, den wir heute gebrauchen, damals noch nicht bekannt sein konnte, da das ganze deutsche Mittelafter die faure Gurte überhaupt nicht fannte. Die Gurke und die Gurkenfultur selbst fand erst gegen Ende des Mittelalters von Often her, von den slawischen Völkern, den Polen und Ruffen, bei uns Eingang, zu denen sie aus Byzanz gelangt war. In der Römerzeit war allerdings eine Gurkenart nach dem Westen Deutsch lands gelangt; an den lateinischen Namen der Gurke cucumis ( Genetin cucumeris) erinnert das Wort Kufumer, dem man noch heute als Bezeichnung der Gurke im westlichen Oberdeutschland, in Hessen und am Rhein begegnet. Die Erhaltung des Namens arten gebraucht wurde, zeigt uns, daß die Gurke seit der Römerzeit Kutumer, der allerdings im Mittelalter auch für gewisse Melonen im Westen unseres Vaterlandes nicht ganz in Vergessenheit geraten war; von einer wirklichen Guckenfultur in Deutschland kann man aber erst seit der Zeit des ausgehenden Mittelalters reden, in der uns unsere östlichen slawischen Nachbarn mit dieser nützlichen und wertvollen Pflanze. bekannt gemacht haben.
Die Gurke bedarf zu ihrem Gedeihen guter Tingung, aus reichender Bewässerung und sehr viel Sonne. Eine dichte Schale, die die Frucht umhüllt, verhindert die Ausdünstung der inneren Soll man„ Saure Gurkenzeit" schreiben, wie man noch viel Feuchtigkeit, so daß sich in ihr während der Monate, in denen der fach lejen tann oder„ Sauregurkenzeit". Duden schreibt die letzte Sonnenbrand alles verjengt, ein reichlicher, immer fühler Saft Schreibung vor und dies mit vollem Recht. Es ist nicht gerade anfammeln kann, der dann den Effer besonders erquickt. Nicht jede schön, wenn man derartige Verbindungen wie„ Sauregurkenzeit" Gegend und Bodenart eignet sich zur Gurkenfultur; es gibt daher durch doppelte Zusammensetzung zu dreigliedrigen Wörtern ge- besonders bevorzugte Gurfenländer in Deutschland , von denen hier staltet, aber in der Not frißt der Teufel Fliegen. Wir befizen nun einige besonders genannt feien: In der Mark Brandenburg der einmal in unserer Sprache das Wort„ Sauregurkenzeit" als fest- Spreewald, in Schlesien die Umgegend von Liegnitz und von Nati stehenden Begriff, der sogar ganz losgelöst von der sauren Gurte bor , in Sachsen und Thüringen die Gegenden des mittleren Saalelängst aur Bezeichnung für eine gefchäftsstille Zeit geworden ist tales und feiner Nebentäler, in Bayern die Umgebung von Bamund der den direkien Gegensatz zur geschäftsreichen Zeit, zur berg, ferner einige Landstriche von Baden und der Pfalz . Saison, darstellt. Diejenigen, die die Schreibung„ Saure GurfenAm ältesten ist bei uns die Verwendung der Gurte zum Gurkenzeit" bevorzugen, liefern damit ein neues Beispiel für die mannigfalat; man gebrauchte auch früher den Saft der Gurfe als Schönfachen verkehrten Wortbildungen, die man unter das Stichwort heitsmittel, weil man ihm die besondere Kraft zuschrieb, die Reitende Artilleriefaserne" einzureihen hat und bei denen man Sommersprossen zu vertreiben. Die Kunst, die Gurken durch Einganz allerliebste Exemplare antrifft, wie die kommandierende falzen und einen damit in Verbindung gebrachten Gärungsprozek Generalstochter", das fünstliche Blumenhaus", den„ kleingehauenen au fonservieren, haben zunächst die Ruffen in großem Umfange Holzhändler", die verheiratete Inspektorwohnung" oder gar den ausgeübt. Bei dem Groß- und Kleinruffen bildet die jaure Gurke durchlöcherten Stuhlfißfabrikanten". schon längst ein unentbehrliches Nahrungsmittel, von dem er den ganzen Winter hindurch lebt und mit dessen Hilfe er sich durch die langen strengen Fasten der griechisch- orthodoxen Kirche durch schlägt. Lange Zeit hindurch hat sich auch bei uns nicht nur die Herstellung, sondern auch der Genuß der sauren Gurfe auf diejenigen Gegenden beschränkt, die ehemals von Slawen bewohnt waren und nachträglich germanisiert worden sind; jetzt hat fich aber schon längst die saure Gurfe ganz Deutschland erobert.
Der Ausdruck„ Sauregurtenzeit" ist ohne Zweifel im GeschäftsIeben gebildet worden und nicht etwa, wie manche meinen, im Gasthausleben.„ Saure Gurke ist auch Kompott", sagt man noch heute in Berlin ; mit diesem Klassischen Ausspruch soll ein Berliner Gastwirt zuerst seine Mittagsgäste getröstet haben, die sich bei ihm darüber beklagt hatten, daß ihnen in der obstarmen Zeit des Sommers, die zwischen die Ernte des Frühobftes, der Stachelbeeren, Kirschen, Erdbeeren usw. und des Spätobftes, der Birnen, Aepfel, Pflaumen usw. fällt, anstelle des Obstkompotts faure Gurken verabreicht worden waren. Der Ausdruck Sauregurfenzeit" ist aber viel älter als die hier in Betracht kommende Redens art, und wenn wir ihm auch in der Literatur erst im Jahre 1812 begegnen er findet sich in einem Briefe des Berliner Sing akademiedirektors und Maurermeisters Zelter, der viele der schönften Goetheschen Lieder vertont hat, an Goethe so geht er doch ficher auf eine viel frühere Zeit zurück, auf die Zeit, in der zuerst die faure Gurke als Handelsartikel auf dent Markte erschienen ist.
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In einer Sammlung von Stilblüten, die ich mir im Laufe der Jahre angelegt habe, finde ich folgenden hübschen Sak, den ich einmal irgendwo gelesen habe und der die jaure Gurke und die Sauregurfenzeit betrifft: Die Gurfen, obwohl als Erfrischunge mittel zur Zeit der erschöpfenden Sommerhibe allgemein geschäßt, haben dennoch der Jahreszeit, die sie reifen läßt, einen schlechten Ruf eingetragen. Das ist alles richtig und zutrefffend bis auf das ominöse Wort„ reifen". Jean Paul bemerkt einmal irgendwo in seinen Schriften, daß die Menschen und die Gurken nichts tangen, sobald sie reif find". Die allgemeine Anwendung diefes