Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 142.

Ein Mann.

Bon Camille Lemonnier .

Donnerstag, den 24. Juli.

Er trommelte mit seiner Faust auf die Erde. So, das ihr und allen ihresgleichen! Es gab ihrer zur Genüge: die Dirnen, die er bei der Kirmes traf, waren minder scheu und spröde. Und oft ebenso hübsch!

1919

1913

baumelnden Füßen niederließ; von hier aus beherrschte sein Auge das ganze Gebäude.

Nun begann sich der Hof mit geschäftig hin und her laufenden Menschen zu füllen. Er sah zu, wie die alte Streu nach der Senfgrube gefarrt wurde. Aus einer Scheune leuch tete das schweflige Gold eines Wagens voll frischgeschnittenem Raps. An den Fenstern des Erdgeschosses glitt bisweilen ein flüchtiger Schatten vorbei. Dann riß er die Augen weit auf und bemühte sich, in der verschwommenen Silhouette das Dann faßte ihn neuerlich seine törichte Wut. Er sah wieder das Stückchen ihrer nackten Schulter vor sich und den schöne Mädchen seiner Sehnsucht wiederzuerkennen. Auf einmal begann der Backofen zu qualmen, und ein Schmelz ihrer Sammetaugen. Der Zauber ihrer braunen Haut hatte ihn gefangen genommen; er verzehrte sich in einem brenzliger Geruch von brennendem Holze stieg in die Luft. Dann wurde im Hause eine Stimme vernehmbar. Die Ge­dumpfen Verlangen nach ihr. Er riß eine Hand voll Gräser stalt löfte sich von der Fensterscheibe, verlor sich einen Augen­aus und bis hinein, um an ihrer Frische den Brand feiner blid im grauen Dämmerschatten des Flurs und erschien endlich Leidenschaften zu kühlen. Die drüdende Mittagsschwüle er auf der Schwelle im vollen Tageslichte, Sie war's! Er sah schlaffte die Luft und schien den Wald in einen Zauberschlaf sie über den Hof gehen; aufrecht, ohne sich im geringsten zu auf der Schwelle im vollen Tageslichte, Sie war's! Er sab einzuspinnen. Und wie der Mann früher unter den bleichen Schatten neigen, trug sie zwei bis zum Nande mit einem gelblichen Teig der Nacht geruht, versant er auch unter dem grellen Tageslicht gefüllte Backformen unterm Arm. Ihm war's, als ob er sie in einen tiefen Schlaf. Die Büsche schlossen über seinem zum ersten Male erblickte. Hochgewachsen war sie und breit, in einen tiefen Schlaf. Die Büsche schlossen über seinem ihre Hüften wolgerundet, und ihre nackten Arme hatten einen Haupt ihre grünen Bogengewölbe; der Weißdorn tropfte bräunlichen Stich wie reifes Roggenforn. Ueber ihrer vollen, seinen Blütenschnee in feine lodigen Haare. Er hatte sich wieder der Erde vermählt, war wieder der geworden, für den üppigen Brust straffte sich ein braunes Wolljäckchen. Sie ging sie die Spikenschleier ihrer Blätter wob, die würzigen Säfte des Thymians, der Pfefferminze und des Lavendels braute, für den sie die Insekten schwirren, die Vöglein fingen und die Quellen mit seidigem Nascheln unter dem Moose plätschern ließ. sp

Als er die Augen wieder aufschlug, tauchte die Sonne unter den Horizont. Aus dem Herzen des Waldes schlugen seltsame Geräusche, für jeden anderen unvernehmbar, an sein Ohr: er fühlte unter dem flüchtigen Tritt des durch die Däm­merung huschenden Wildes den Boden erzittern: nach dem Manne war der Jäger in ihm erwacht. Geheimnisvoll verlor er sich in dem grünen Pfad, mit jedem Schritte ein wenig tiefer in den Schatten verschwindend.

2.

Als der Morgen dämmerte, kam der Bursche abermals in den Garten und legte sich unter den Bäumen ins Gras. Auch heute spielten schillernde Lichter in der Blüten­bracht der Apfelbäume. Auf dem Misthaufen gackerten die Hennen, aus den Ställen erscholl Rindergebrüll. Flaum­wölfchen zogen über das Firmament, bis ihr weißer Schaum in der Ferne zerschmolz. Bald begann eine purpurne Glut den bleifarbenen Himmel zu röten. Sein einziger Lufthauch bewegte die Blättchen, die sich starr, doch vollentfaltet, aufge­richtet hatten, und über der Flur brütete eine lastende Stille wie ein Ueberbleibsel der Nacht.

Doch allmählich stieg auch das Leben mit der Sonne empor und überall begann es sich zu regen: in den Wiesen wurde es lebendig. Die Knospen barsten, die saftgeschwellten Blätter wiegten sich sacht; und die dampfende, weiche Garten­erde hob sich wie in einem Krampfe.

Der Mann beobachtete die Fenster des Hofes. Sie waren geschlossen, und das ganze Haus schien noch in tiefem Schlafe zu liegen, obgleich der Kamin rauchte und das Leben vom Gehöfte bereits Besitz ergriffen hatte. Er las fleine Stiefel­steinchen auf; doch als er sie an ihr Fenster schleudern wollte, besann er sich: er war zu weit entfernt und kroch deshalb näher.

Die Rühe kamen im Gänsemarsch aus dem Hofe, mit ihren Hörnern einander stoßend und drängend. Eine Kuh­magd, dieselbe, die er tags zuvor gesehen, trieb sie unter Hüo" Ho"-Rufen heraus, mit ihren Händen wie mit Dresch flegeln auf die Rinder einhauend, die Ausreißergelüfte zeigten. Ihre Füße bildeten im Grase breite, rote Kleckse; er achtete ihrer nicht.

Die Herde zog durch den Obstgarten, kletterte den Abhang hinan und verbreitete sich über dem grünen Anger wie bunt­fcheckige Farbenflecke; das Mädchen kehrte in den Hof zurück, nachdem es die Viehhecke sorgfältig verschlossen hatte.

Der Bursche zog sich tiefer in den Forst zurück. Zwischen den Buchen stand eine einzelne Eiche. Mit Händen und Füßen kletterte er bis zum höchsten Ast, auf den er sich mit

ins Backhaus.

hantieren, die Asche schüren und mit ihrer tiefen, leicht Es war heute Backtag. Er hörte sie mit dem Ofenwischer bibrierenden Stimme die Magd ausschelten. Einen Augen­blick erschien sie, hochrot von der Hiße des Ofens, in der Tür und blinzelte nach den Apfelbäumen. In der Eiche entstand ein Sturm: aufgeregt rutschte er auf seinem Aste hin und her und rief ihr etwas zu.

Nun begann sie herzhaft zu lachen, und sie zeigte der Kuhmagd mit dem Finger die dunkle Gestalt in den Zweigen; dann winkte sie ihm lebhaft zu. Da wurde sie von jemandem ihr Geficht einem der Fenster und sah nach seinem hartnäckigen gerufen und ging ins Haus. Von Zeit zu Zeit näherte sie Späherposten. Seine Beharrlichkeit übte einen eigenen Reiz auf sie aus: fie erlag der geheimen Anziehungskraft dieser unermüdlichen Bewachung. Und entschlossen trat sie wieder vor die Türe und sandte ihm voll ihre Blicke zu. Zwischen ihren Lippen hielt sie einen Fliederzweig; den nahm sie heraus, hielt ihn vors Gesicht und schwenkte ihn dann in die Richtung der Eiche; dieses Gebärdenspiel erschien wie ein neckisches Getändel.

Goldgelb funkelte die majestätische, stolze Eiche im vollen Sonnenlichte; saphirblaue Fliegen tanzten einen tollen Wirbelreigen um ihre Blätter. Der Mittag mit seiner drückenden Schwüle kam. Er hörte Tellergeflapper im Ge­höft, und fast unmittelbar darauf kehrten die Knechte tod­müde, mit gerösteter Haut von den Feldern zurück. Dann wurde helles Gabel- und Meffergeflirre laut. Nach einer weiteren halben Stunde hörte man klappernde Holzschuhe und schwere, eisenbeschlagene Sohlen über das Hofplaster schlürfen, die sich allmählich in der Richtung der Scheune verloren, wo fich ein Knecht nach dem anderen erschöpft ins Stroh warf. Und bald schnarchte das ganze Haus.

Da erschien die junge Bäuerin auf einem schmalen Fuß­pfad, der längs des Baumgartens nach den Feldern führte. Ihr Gesicht beschirmte ein breitkrämpiger Strohhut, der ihre Wangen mit einem grauen Schattenkranz umrahmte, und in ihrer Hand wiegte sich eine Sichel. Sie schritt quer über einen frisch gepflügten Acker und umging ein Getreidefeld, bis sie an eine Kleewiese gelangte. Sie wanderte langsam, mit dem schweren Tritt der Bauern unter der Mittagssonne. Nicht ein einziges Mal wandte sie den Kopf zurück, ihre stämmigen Schultern zeichneten sich scharf' von dem blauen Himmel ab. Als sie die Wiese erreicht, fauerte sie sich nieder, und nun erst blickte sie auf die ferne Eiche.

Der Mann war nicht mehr zu sehen.

Mit sicherem Instinkte fühlte sie, daß er jetzt kommen werde. Mit vollen Fingern griff fie in den buschigen Klee und begann ihn halbkreisförmig zu mähen. Neben ihr stand ein offener Sack, in den sie den Klee von Zeit zu Zeit mit beiden Händen einfüllte.

Friede lag über der schweigenden Flur. Bloß von dem