Erfüllung des ihnen gegebenen Versprechens sowie auf Abhilfegegen ihr Elend. Sie wurden durch gesammelte Lebensmittel undGelder unterstützt: man bemühte sich, sie durch aufklärende Zei-tungsartikel zu beschwichtigen, aber eS wurde damit der gewünschteErfolg nicht erzielt. Und eS wurde dem Faß der Boden ausge-schlagen, als die mechanische Spinnerei von Corrodi u. Pfister inOber-Uster einige Webmaschinen aufstellte und so die Gefahr derVernichtung der Handweberei akut geworden war...Jetzt stand dergeheime Feind der Bevölkerung, dessen Ankunft sie längst gefürchtet,vor ihren Augen, und die Fabrik wurde der Gegenstand ihrestiefsten Hasses."Am 22. November 1832, an welchem Tage wieder in Uster dieErinnerungsfeier des erfolgreich gewesenen UstertageS vor zweiJahren begangen wurde, kamen auch die Weber in großen Scharendaher und zündeten die Fabrik mit den gehaßten Spinn- undWebmaschinen an. Alle Versuche von Beamten und anderen Per»sonen, die empörten Weber von ihrem unheilvollen Tun abzu-halten, waren vergebens, das Verhängnis nahm seinen Lauf. Dergenannte Egli erklärte gegenüber den abmahnenden Mitgliederndes Versammlungskomitees:..Ja, ich weiß, was ich tue, denn ichbin jetzt öl Jahre alt, aber wir sind es uns und unseren Kindernschuldig, die Maschinen zu zerstören, weil sie uns um den Verdienstbringen. Diese muß verbrannt sein; bis dahin haben wir keineRuhe und kein Glück."Das Ende war die Verhaftung von 75 Männern, von denen derStaatsanwalt gleich in Uster noch 17 wieder freiließ, 2 in Uster imGefängnis beließ und b6 nach Zürich ins Gefängnis transportiertwurden. Acht Monate später spielte der letzte Akt im Gerichtssaal,wo die unglücklichen Weber als gebrochene und inutlose Menschensich verantworten mußten und von der racheerfüllten herrschendenliberalen Bourgeoisie mik entsetzlichen Strafen belegt wurden. DieBestialität dieser Klassenjustiz stand auf dem Niveau des Wahnesder armen Weber von Uster; aber sie hatte keinerlei Entschuldigungfür sich, während der Brand von Uster mit vielen Gründen ent-schuldigt, wenn auch nicht gerechtfertigt werden konnte.Wie der Aufstand der schlesischen Weber in Gerhart Hauptmannseinen Dramatiker gefunden, so der Brand von' Uster in demZürcher Dialektdichter Jakob Stutz.Stutz nannte das Ereignis von Uster die„Folge verabsäumterBolkSauftläruug". Es war aber auch die Folge der kapitalistischenSchandwirtschaft, die einen verbrecherischen Raubbau mit der Bolls«kraft trieb, ungehindert treiben und z. B. in den Spinnereien beiununterbrochenem Betrieb selbst Kinder schon vom fünften Lebens-jähre an täglich 14, 16, ja lö Stunden gegen einen Hungerlohnvon wenigen Rappen ausbeuten konnte I Und die Lohnvcrhältnisseder Männer und Frauen waren nicht viel besser.Das liberale Regiment im Kanton Zürich war von kurzer Dauer.Im Jahre 1839 siegten wieder die Konservativen, die die Berufungdes David Friedrich Strauß an die Züricher Universität als Anlaßzum„Züriputsch" benutzten, der die Vertreibung des liberalen Theo-logen wie den Sturz der liberalen Regierung und die abermaligeEtablierung des konservativen Regiments zur Folge hatte. Die ein-zige gute Tat, die die Konservativen vollbrachien, war die Amnestie-rung der armen Brandstifter von Uster, soweit sie noch am Lebenund im Zuchthau« waren.Seither hat die Webmaschine ihren SiegeSzug vollendet und dieHandweberei in der Baumwollindustrie restlos beseitigt. Hundertemechanischer Spinnereien und Webereien mit etwa 30 OOS Arbeiternund Arbeiterinnen zählt heute die Schweiz, und wenn auch dieArbeits- und Lohnverhältnisse besser sind als damals, das Textil-arbeiter- und insbesondere das Weberelend besteht auch heute noch.In manchen Tälern ist die Spinner- und Weberbevölkerungdegeneriert und auch für die Arbeiterbewegung nicht dauernd zu ge-Winnen. Und dennoch bringt sie ihnen die Morgenröte einer neuenZeit, einer besseren, befreienden und glücklichen Zukunft— währendder Feuerschein des Brandes von Uster nur daS Unglück zahlreicherarmer Weber und ihrer Familien sowie dem endlichen Sieg derWebmaschine über die Handweberei bedeutet hatte.D. Zinn er.Gleims f cuilleton.Biologisches.Neues von der Geschlechtsbestimmnng. Knabe oderMädchen? DaS ist immer noch die Frage. Ist die Frage der Ge-fchlechtSbestimmung seit den Tagen der Schenkschen Theorie derLösung näher gebracht? Gewiß und zwar um ein gute? Stück. DerWiener Biologe Paul Kammerer setzt den gegenwärtigen Standder Frage in einem Büchlein, daS soeben unter dem Titel„Bestimmung und Vererbung des Geschlecht» bei Pflanze, Tier undMensch" im Berlage von Theodor ThomaS in Leipzig erscheint, inknapper Form, streng wissenschaftlich und dabei doch allgemein ver-ständlich auseinander.Gegenwärtig stimmen die meisten Forscher darin überei«, daßda» Geschlecht vererbt wird, in dem Sinne, daß es als erblicheEigenschaft irgend einem anderen Rasseiunerkmal verglichen werdenkann. Von welchen Fattoren die GeschlechtSbesttmmung abhängt,hat nzay auch mit Hilfe der Stattstik untersuchen wollen, ober auchVcrantw. Redakteur: Alfred Wielcpp, Neukölln.— Druck u. Verlag:hier find die Ergebnisse zum Teil recht widersprechend. Alles, wassich aus der Stattstik ableiten läßt, ist nach Kammerer folgendes: esgibt unleugbar Einflüsse, die das normale Geschlechtsverhältnis zu ver-schieben imstande sind, und zweitens kann man als sicher annehmen, daßder Ernährung«- oder Reifezustand der Keimprodukte mit der Bestimmungüber daS Geschlecht etwas zu tun hat.Die als abgetan betrachtete Schenkfche Theorie kommt demnach,wenn auch nur in gewissem Sinne, wieder zu Ehren. Am Meeresringel-wurm sviuoxlttlus), sind zum Beispiel verschiedene Versuche überdie geschlechtsbestimmenden Ursachen gemacht worden. Bei ihm gibtes in ein und demselben Eierstocke größere Eier, aus denen Weibchenwerden, und kleinere, aus denen sich Männchen entwickeln. Malsenerzielte nun bei gemäßigter Zimmertemperatur dreimal so vieleWeibchen wie Männchen, in Kältekulturen mehr als viennalsoviel Weibchen, und in Wärmekulturen war die Verteilungder Geschlechter ungefähr gleich. Wichtiger als Versuche anniederen Tieren sind natürlich die an höheren, besonders anWirbeltieren. Hertwig hat Froschcier in verschiedenem Reifezustandebefruchten lassen, so Eier desselben Tieres in Abständen von 6, 18,24 bis 96 Stunden. Den Ausfall dieser Versuche mit frühreifen,reifen und überreifen Eizellen drückt Kammerer in den Worten aus,daß von Befruchtung zu Beftuchtung der Ueberschuß an Männchenimmer größer wird, bis zuletzt, bei 72— 96stündigen Intervallenausschließlich Männchen zur Entwickelung gelangen. Frühreife undüberreife Eier entwickeln sich zu Männchen, während die Weibchendesto mehr vorherrschen, je genauer das Ei sich zur Beftuchtungs-zeit auf dem Höhepunkt seiner Reife befindet. Mitanderen Worten heißt dies, ein Männchen entsteht jedesmal, lvennder Keim sich unter möglichst ungünstigen Bedingungen befindet,Weibchen dagegen entstehen unter den besten Entwickelungs-Möglichkeiten. Der Unterschied zwischen frühreifen, Vollreifenund überreifen Eiern beruht auf dem Verhältnis des Zellkerns zumZelleib: bei unreifen und überreifen Eiern ist der Zellkern ungewöhn-lich groß, im Vollreifen Ei besteht der Hauptteil der Zelle aus demeigentlichen Zelleib. Das Verhältnis zwischen Zelleib und Zell-kern hängt aber von Außenbedingungen ab: ungünstige chemischeund Temperatureinflüsse, Hunger und Kälte bewirken, daß der Zell-leib verhältnismäßig zu klein bleibt, Wärme, Licht, Abwesenheit vonGiften, kurz alle Einflüsse, die den Stoffwechsel fördern, lassen denZelleib verhältnismäßig stark anwachsen. Die weibliche Zelle unddie weiblich bestimmte Keimzelle ist somit in letzter Linie die besserernährte Zelle, und guter Ernährungszustand wirkt mittelbar Weibchen-bestimmend, ebenso der schlechte Ernährungszustand männchenbestimmend.Völkerkunde.Die Stämme des oberen Amazonen st romes. Inder Julisitzung der anthropologischen Gesellschaft berichtete GeorgM. v. Hassel, der am Amazonas Kautschukwaldungen besitzt und17 Jahre unter den dortigen Indianern gelebt hat, über dieIndianer am oberen Amazonenstrom. ES ist die Gegend, diedurch die Putumayogreuel eine so traurige Berühmtheit erlangt hat. Herr Hassel vertritt die Ansicht, daß die dortigenJndianerstämme ein ausgezeichnetes, bildungsfähiges Menschen-Material darstellen, deren Schicksal zu erleichtern Ehren-Pflicht ist. Durch die Grausamkeiten der Kautschuksammler find dieIndianer, die ihn monatelang aufs liebevollste verpflegt und aufseinen Reisen begleitet haben, ohne dafür ein Entgelt zu beanspruchen,bis auf die Zahl von 200 000 zurückgegangen. Man kann in derGegend, die von ungeheuerer Ausdehnung ist, 60 verschiedene Sprach-gruppen unterscheiden, die aber nicht scharf mehr zu trennen sind,da die Frauen, auS fremden Stämmen geraubt, ihre Sprache bei-behalten und den Kindern überliefern.Eine ziemlich genaue Scheidung ist möglich durch die Waffen.Auf der rechten Seite des Amazonas werden Pfeil und Bogenbenutzt, auf der linken Seite werden vergiftete Pfeile durch dasBlasrohr auf die Jagdbeute verwendet. Von den Stämmen amPutumaho lebt der Woitottoftamm meist vom Ackerbau. Bon den20000 Indianern leben dort vielleicht noch 6000, da sichdie meisten vor den Kautschukräubrrn nach dem Rio Reground dem Kaketa zurückgezogen haben L wo sie aberwieder anderem Raubgesindel in die Hände gefallen find.Männer und Frauen sind sehr arbeitsam, sie tragentagelang ganz kolossale Lasten. Sie fabrizieren sehr verschiedenartigeJndustrieerzeugnisse, von denen ihnen viele mit� Gewalt entrissenwurden. Der benachbarte Borastamm ist kriegerischer, hat sich aberauch nach dem Kaketafluß zurückgezogen, als er mit Gewalt zurArbeit herangezogen werden sollte. Andere Stämme im Süden desLande?, das größtenteils eben ist, find die CampaS, CatchivaS undMatchigangaS. Letztere sind friedfertig, während die CatchivaSMenschenfresser sein sollen. Diese haben noch ganz primitive Werk-zeuge, wie die Steinaxt, und sind im Aussterben begriffen.Einige Stämme sind Kopf- und Frauenjäger, auch weiße Frauennehmen sie mit in den Urwald, nachdem sie die Männer getötethaben. Auf ganz besondere Art konservieren sie die erbeutetenKöpfe, von denen er einen vorzeigte, die sie als Trophäe in derHütte aufhängen, die gewöhnlich für 2—300 Menschen errichtet wird.Die Pfeilgifte, mit denen sie die Jagdbeute erlegen, sind für denmenschlichen Körper unschädlich.______VorwärtsBuchdruckerei u.VerlagSanstai: Paul Singer o., Berlin S W.