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" Deswegen soll man zum Doktor gehen, sagt der Doktor. Der Doktor ist schon geprüft, fagt der Doktor."

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Oh! oh!-ohl die Schmerzen!" wimmert der Meister Falent.

Es ist schon der Afel dabei", sagen die Leute. 218 Draußen in der Schlaghütte hängt eine frische Ochsenhaut, ist erst gestern abends vom Leib gezogen worden, die wedelt ein wenig mit dem Schweif.

,, Kein Knochen kann mehr ganz sein", Nagt der Meister. Alles wackelt, ach, ich unglücklicher Mensch!"

Jetzt was ist zu machen, den Doktor holen?

Büchern. Mit dem Kopf wird er's gut fönnen, das Beineinrichten, " Tät ich nicht", sagen die Nachbarn; der Doktor hats aus den aber mit der Hand, das ist eine andere Frage. Und woher denn? Er hat ja teine Gelegenheit, daß er sich übt. Jeder, der sich was bricht, braucht den Steffel.

Der Weideplatz war zehn Minuten vom Hofe entfernt. Zuerst trottete das Vieh auf der Landstraße, kletterte dann einen schmalen Pfad durchs Gehölz hinan und erreichte end­lich über einem schmalen Steg die Trift, deren üppiger Rajen von einem Bächlein begrenzt wurde. Holzpfähle bildeten ringsum ein Einfriedigungsgitter. In sanfter Steigung führte die Wiese zum Obstgarten des Weidenhofes", der am Abschlusse eines weiten, bebauten Plateaus lag. Das Ge­lände zur Rechten und zur Linken war mit Jungholz be­standen, aus dem schon vereinzelt hohe, schattenspendende Buchen und Eichen aufragten. Die milchweißen Köpfchen der Gänseblümchen lagen wie ein lichter Hauch über dem Rasen, der in der Nähe des Gehöftes in den tiefblauen Himmel überging. An der Böschung des Bächleins wucherten üppige, So ists", sagte ein anderer. Nachher das auch: die Doktoren breitblättrige Klettenstauden, Baldrian, Dotterblumen, tun so viel gern studieren. Jeder will selber was profitieren bei Löwenzahn, wilde Hyazinthen und Ranunkeln. Pünktlich so einem Fall, wenns auch weh tut, das macht nichts, leiden tuts nach Tagesanbruch, kaum die Hähne ihre Fanfaren in den ia der Kranke, und dafür ist er krant." dämmernden Morgen geschmettert hatten, verließen die Kühe ihren Stall. Bis Mittag blieben sie im Freien, dann wurden fie für zwei Stunden eingetrieben; nachmittags gingen fie abermals auf die Weide und blieben bis zum Anbruch der Nacht draußen. Kein einziger Weg führte durch die weite Wiese. Das tierische Schnauben und Rindergebrüll waren die einzig vernehmbaren Töne außer dem Plätschern des Bächleins, darüber sich die windgeschaufelten Aeste wiegten. Cachaprès, der diese große Stille genoß, malte sich im Geiste aus, wie herrlich es wäre, hier mit der Liebsten zu kosen. Das Gehölz dehnte sich nach rechts und links hin aus, nach hinten zu steiler werdend, und ging allmählich in die strengeren Formen eines düsteren Waldes über. Hier in dieser Einsamkeit empfand er ein ganz anderes Behagen als in dem Ostgarten des Pachthofes, durch den unablässig störende Schritte gingen. Bisweilen hefteten sich seine Blicke auf die rötliche Blätterschicht unter den Buchen, und dann fab er im Geiste zwei engumschlungene Gestalten sich darauf wälzen. Seit einiger Zeit war eine große Trägheit über diesen sonst so überschäumenden Burschen gekommen. ( Fortsetzung folgt.)

Der Beinrichter.

Von Peter Rosegger .

Na, da kann die heilige Margareta eine Freude haben, wenn an ihrem Namensfeste zu Oberabelsberg allemal einer erschlagen wird.

Was willst Du denn? Jst ja keiner erschlagen worden diesmal, mur den Fuß haben sie dem Fleischhauer gebrochen, oder vielmehr er sich selber, als er zur Tür hinausflog auf den Antrittstein. Das ist ja genug! sagt Ihr in Eurer Bescheidenheit. Das ist zu wenig," schreit der Lederer Franz, er hat schon aufgezogen mit dem Lehn­stuhl, und wenn der Fleischhacker einmal aufzieht, da weiß mans, was es bedeutet."

" Das ist zu viel!" ächzt der Fleischhauer," den Steffel ruft mir, Jhr lieben Leut, Ihr guten Leut, um Gottes- Christi- Willen, den Steffel!" wimmert er. Ach Gott, wenn ein Fleischersmann so wimmert, ein Fleischersmann, der sich vor keinem Blut fürchtet, wenn es nicht aus seinem eigenen Leib rinnt! Ein solches Wimmern ist possierlich. Solls doch von seinen Ochsen lernen, ein Fleischer, wie man hinfällt, wenn man getroffen ist, und weiters kein Auf­hebens macht. Aber ein Aufhebens muß man diesmal doch machen, denn liegen lassen kann man ihn nicht, den Fleischhauermeister Falent; die Bachwirtin schlägt ein helles Zetern an, als sie erfährt, er hätt sich was gebrochen.

Also den Steffel! Den Beinbrucharzt, den Bruchrichter in der Wamsen. Als sie den Fleischer in sein Haus tragen, erheben im Stalle die Kälber ein fröhlich Geplärr, aber ihre Mutter, die Kuh, brummt: Halts die Mäuler, dumme Vieher, um den Steffel ist geschickt. In drei Wochen ist der Satan wieder auf den Beinen." Mittlerweile fommt der Bote:" Mit dem Steffel iste nichts. Der Steffel ist eingesperrt."

" Jesses! na, was hat er denn angestellt?"

" Beinbrüche hat er geheilt!"

Dodl, das ist ja nichts Schlechtes."

Und den Doktor hat er geschimpft. Und hat ihn der Doktor einsperren lassen."

" Weil er geschimpft hat?"

Weil er Beinbrüch geheilt hat."

Geh, Trefler( Schwäßer), Du wendest Dich im Kreis wie ein narrischer Stier."

Ehrlich wahr auch", sagt der Bote;" Beinbruchheilen, das ist verboten, das dürfen nur die Geprüften."

Aber, Halbesel Du, wenn sich einer gach das Bein bricht, da hat der Steffel nicht erst Zeit, sich prüfen zu lassen."

will ich nicht sagen", rief wieder ein anderer drein, nach der alten Ich will nicht sagen, daß sie's nicht können, die Doktoren, das weis einen Fuß einrichten, das ist ja teine Kunst. Aber sie tun herum, ob's nicht auch nach einer neuen Weis' ginge. So was muß man ja auf verschiedene Art machen können; der Mensch lernt nicht aus, und auf die Wissenschaft muß man denten, heißt's. und nachher ist's nichts nuß und muß es doch wieder frisch ge= brochen werden, das Bein, wenn ein ordentlicher Beinrichter dazu­fommt. Na, na, zu einem Probierstein ist gerad nicht jeder Mensch hart genug." Wo sitzt er denn, der Steffel?" schrie der Fleischhauermeister in heller Verzweiflung.

" In der Wamsen drüben sißt er, im Gemeindekotter." Meine Gesellen sollen hinübergehen, die Schlaghaden mit­nehmen, den Kotter aufsprengen."

Nachbar, das geht nicht", mahnte der Bachelwirt; aber ich weiß was anderes. Mit dem Wamjener Richter bin ich gut bekannt. Ist ein kamoder Herr. Kannst auch einmal ein feistes Schweindl springen laffen zu Weihnachten oder so. Wird, ihn gefreuen. Ich schicke hinüber. Wastel, geh her, da hast einen Sechser. Lauf eilends zum Herrn Richter in die Wamsen hinüber; Du kennst ihn ja, den lustigen Herrn mit dem roten Bart; ist erst vorige Wochen bei uns gewest. Ich und der Herr Fleischhauermeister lassen ihn bitten, er wollt uns den Steffel auf ein Stündel herüberlassen, nur auf ein Stündel; der Herr Falent hätt Unglück gehabt, und wir täten na wart, bleib da, ich muß schon selber gehen, wird gescheiter sein. Nur nicht verzagt sein, Nachbar, ich bring den Steffel. Dieweilen alles herrichten. Das Bett in die Mitten von der Stuben rüden, Weiberleut! auch ein paar Stricke werden wir brauchen. Behüt Gott , werden bald da sein."

So der Wirt zu Oberabelsberg; da stand auch schon der Ein­spänner mit dem Steirerwäglein bereit ein feines Zeugl- und in zwanzig Minuten drauf war er in der Wamsen.

Der Richter ist beim Goldenen Fuchsen" auf dem Scheiben­schüßenstand. Wird brav scheibengeschossen in der Wamjen und stehen prächtige altdeutsche Sprüche auf dem Schützenstand in der Wamsen.

Der Oberabelsberger Wirt brauchte sich nicht zu ducken, er trifft auch mitunter ins Schwarze besonders wenn er die Zech­schulden der Wamsener Bürger an die Tafel kreidet. Aber heute schleicht er so wunderlich an und läßt durch die Kellnerin den Herrn Richter bitten nur auf ein paar Wörtel.

Was gibt's Neues, lieber Bachelwirt!" lacht ihm der Richter zu.

Der Wirt winkt ihn so ein wenig abseits gegen die Linde. Ein großes Gebitt!" hebt er an und trägt sein Anliegen vor. Bei einem Raufhandel dem Oberabelsberger Fleischhauermeister ein Fuß gebrochen!"

Wo sind denn die Gendarmen wieder?" brauste der Richter auf.

" Ist nichts, Herr Richter."

Und dann allemal zum Richter, zum Richter. Der Richter fann das Krumme nicht gerad machen." " Jst nicht krumm, ist ganz ab." " Haben Sie ihn schon?"

,, Liegt elendlich dahin."

Ob sie den Raufbold schon haben?"

" Das weiß ich nicht. Der tut jetzt auch nicht weh. Aber das Bein soll so viel höllisch web tun. Wir bitten um den Bein­brucharzt."

" Habe ich Beinbruchärzte?" lachte da der Richter grell auf. Einen hat der Herr Richter, einen hat er. Und recht gut auf­gehoben. Nur auf ein Stündel Urlaub, wenn der Steffel Zeit hätt'." Aber zum Teufel!" sagte der Richter, ein Beinbruch, da geht man zum Doktor. Ihr habt ja Euren Doktor in Oberabelsberg." Jst nicht daheim", log der Bachelwirt; ist nach Nieder- Lassing gerufen worden, hab ich gehört, soll erst abends heimkommen. So lang fann aber der arme Meister unmöglich warten, unmöglich! Der Fuß schwillt auf, unterlauft mit Blut, ist nachher nichts mehr zu machen. Kunnt ein Krüppel bleiben auf sein Lebtag."

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( Schluß folgt.